Vorbild BonnEin Kaufhaus als Event-Location – taugt das auch für Köln?

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Musik, Kleinkunst, Kabarett: Das Dachgeschoss des ehemaligen Karstadt-Hauses in Bonn wird umgekrempelt.

Musik, Kleinkunst, Kabarett: Das Dachgeschoss des ehemaligen Karstadt-Hauses in Bonn wird umgekrempelt.

Kultur über den Dächern der Stadt: In Bonn wird ein ehemaliges Kaufhaus zur Event-Location – könnte das ein Vorbild auch für die Kölner City sein?

Es ist ein Modellversuch, der auch in Köln sehr viel Aufmerksamkeit erfährt: Das ehemalige Bonner Karstadt-Haus an der Poststraße bekommt in der obersten Etage eine kulturelle Nutzung auf rund 1300 Quadratmetern. Kernstück ist der große Veranstaltungssaal für rund 900 Menschen mit Bühne und Bar. Von der Windeckstraße aus gibt es einen eigenen Zugang, der Schallschutz ist so ausgelegt dass Konzerte und Veranstaltungen auch nach 22 Uhr möglich sein sollen. „Das gehört zum Konzept dazu: Es macht wirtschaftlich gesehen keinen Sinn, die Öffnungszeiten einzuschränken. Wir haben diesbezüglich aber auch keine Signale seitens der Stadtverwaltung bekommen“, erklärt Sandro Heinemann vom Veranstalter „BonnLive“, der in die oberste Etage einziehen wird.

Um den Schallschutz gewährleisten zu können, sind erhebliche Maßnahmen nötig: Die Außenfront hat Fenster, so dass im Inneren ganze Bereiche abgetrennt werden mussten. Noch ist die Baugenehmigung nicht erteilt, die Vorgespräche mit der Stadtverwaltung seien aber allesamt „sehr positiv“ verlaufen. In zwei Jahren soll Eröffnung sein.

Es macht wirtschaftlich gesehen keinen Sinn, die Öffnungszeiten einzuschränken. Wir haben diesbezüglich aber auch keine Signale seitens der Stadtverwaltung bekommen.
Sandro Heinemann, BonnLive zum Konzertbetrieb

Besondere Aufmerksamkeit erfährt das Projekt auch deshalb, weil die Vermieterin auch in der Kölner Innenstadt sehr aktiv ist und auch hier den Nutzungswandel der City aktiv mitgestaltet: Die Aachener Grundvermögen hatte zuletzt etwa durch die geplante Ansiedelung einer Boulder-Halle im ehemaligen Kämpgen-Gebäude an der Schildergasse von sich reden gemacht. „Selbstverständlich beschäftigen wir uns im Fall von freigewordenen und -werdenden Flächen und Mieterwechseln mit alternativen Nutzungskonzepten in den oberen Geschossen und setzen dies bereits um. So starten in Kürze die Bauarbeiten für den Ausbau der Boulderlounge in den oberen Geschossen der Schildergasse 70. Bei dem geplanten Neubau Hohe Straße 152-154, für den wir im April den Bauantrag bei der Stadt eingereicht haben, planen wir im Erdgeschoss hochwertigen Einzelhandel, Büroflächen im ersten Obergeschoss sowie urbanes Wohnen in attraktiver Innenstadtlage in den Geschossen zwei bis fünf. Läuft alles planmäßig, kann Anfang 2024 mit dem Bauvorhaben begonnen werden. Die Fertigstellung ist für Herbst 2025 anvisiert,“ teilt die Aachener Grundvermögen auf Anfrage mit.

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Eins zu eins ist das Bonner Konzept zwar nicht übertragbar, allein weil in Köln weder das Karstadt- noch das Kaufhof-Gebäude der Grundvermögen gehören. Dass man sich aber gerade für die City neue Nutzungen überlegen muss, darüber wird seit langem offen und wertfrei diskutiert. „Die kulturelle Nutzung des Obergeschosses im ehemaligen Karstadt in Bonn entspricht unserer Überzeugung und wir würden uns sehr freuen, wenn das Projekt Nachahmer in anderen Städten findet. Grundsätzlich können wir uns kulturelle Nutzung in direkten Citylagen auch in Köln sehr gut vorstellen. Es hat in der Vergangenheit bereits erste Gespräche mit Kulturschaffenden gegeben, im Moment gibt es aber für keine unserer Mietflächen konkrete Überlegungen“, erklärt man bei der Aachener.

Darum geht es in dem Leitbild: Einen Rahmen zu bilden, hinter dem sich ganz viele verschiedene Akteure versammeln können.
Jens Nussbaum, Agentur Stadt und Handel

Dass man es offensichtlich ernst meint mit dem Nutzungswandel, zeigt auch der finanzielle Aspekt. „Es hätte sicher wirtschaftlichere Möglichkeiten gegeben, die Räume zu nutzen. Zumal die Aachener Grundvermögen selbst viel Geld in den Umbau steckt“, sagt Heinemann. Die Kosten sind auf drei Schultern verteilt: Die Grundvermögen übernimmt den Grundausbau, BonnLive den Innenausbau, dazu kommen lokale Förderer, die das Projekt mittragen.

Jens Nussbaum von den Planern „Stadt und Handel“ hatte den Leitbildprozess für die Hohe Straße und die Schildergasse mit ausgearbeitet und begleitet (s. Infokasten). Dieser Leitbildprozess dient als Grundlage und „Kompass“ für die weitere konkrete Entwicklung der Handelslagen. Nussbaum kann sich eine ähnliche Nutzung wie in Bonn auf der Hohe Straße und der Schildergasse durchaus vorstellen, zumal mit der Aachener Grundvermögen ja der gleiche Player im Spiel wäre. „Aber da geht es nur um eine Nutzung von vielen verschiedenen, die Zukunft der Innenstädte liegt sicher im ,mixed use’“, sagt er. Den Immobilienbesitzern sei schon klar, dass sie auf diese Art nicht unbedingt die maximale Rendite herausarbeiten. „Aber darum geht es in dem Leitbild ja: Einen Rahmen zu bilden, hinter dem sich ganz viele verschiedene Akteure versammeln können.“


Was sagt die Stadt Köln?

„In der Kölner Innenstadt gibt es keine Leerstände in der Flächendimensionierung eines ehemaligen Warenhauses, um hier eine größere integrierte Projektentwicklung umsetzen zu können. Gleichwohl gibt es bereits zwei andere Beispiele zur Mischnutzung: Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird eine Boulderhalle auf der Schildergasse eröffnet werden (s. Text). Ein weiteres Beispiel ist die (interimsweise) Ansiedlung der Stadtbibliothek in der Hohe Straße. Hierdurch wird ein kulturell geprägter dritter Ort in der einzehandelsgeprägten 1a-Lage geschaffen.

Weiterhin ist die Bespielung von leerstehenden Flächen durch kulturelle Nutzungen ausdrücklich zu begrüßen. Zur Umsetzung bedarf es eines guten Austausches mit Immobilieneigentümer*innen, um nicht auf Maximalrendite ausgelegten Nutzungskonzepten in einer Großstadt mit entsprechendem Ansiedlungsdruck und nach wie vor hohen Mietpreisen eine Ansiedlung zu ermöglichen.

Die Nutzung von ehemalig gewerblich genutzten Gebäuden für kulturelle Nutzungen (Konzerte, Kabarett, andere Festivitäten) ist grundsätzlich vorstellbar. Die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben sind zwingend zu berücksichtigen und einzuhalten. Hierbei kommen nutzungsbeschränkende wie sonstige Schutzmaßnahmen in Betracht. Je nach Nutzung und Ausrichtung von Veranstaltungen sind Anforderungen an die Räumlichkeiten wie auch für die unmittelbare Umgebung zu betrachten.

Unter dem Slogan ,Zwei Straßen – sechs Quartiere – eine Vision’ liegt ein Zukunftsrahmen vor, der als Grundlage und Kompass für Entwicklung von Schildergasse und Hohe Straße dienen soll. Die Stadt Köln hat im Kontext des Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ einen Förderantrag für das Projekt „City-Netzwerkarbeit“ mit einer Projektsumme von 675.100 Euro eingereicht. Mit der Bewilligung der Fördermittel ist ein strukturierter Rahmen mit entsprechenden Finanzmitteln und Personalstellen gegeben. Konkret wurde durch das Förderprojekt bis zum Jahr 2025 ein Zentrenmanagement, welches durch Kölnbusiness umgesetzt wird, eingerichtet.“ (two)

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