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Multitalent auf der BühneAyliva beeindruckt mit Auftakt ihrer ausverkauften Konzertreihe in Köln

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Ayliva tritt viermal hintereinander in der Lanxess-Arena auf.

Ayliva tritt viermal hintereinander in der Lanxess-Arena auf. 

Ihre Fans entführte die Sängerin in eine Welt aus Rosen und Herzschmerz. Warum sie trotzdem mehr ist als eine „Zuckerfee in Pop-Gelee“. 

„Selbst die Gardinen bleiben mit mir wach“, singt sie in „Was du nicht weißt“. Gäbe es Sonntagabend in der Lanxess Arena welche, wären die zum Verhängen von Fenstern gedachten Stoffbahnen nicht wach oder hellwach oder superwach, sondern wie auf Speed. So sehr brennt die Luft beim ersten von vier Konzerten, die Ayliva nacheinander in Köln gibt.

Auch Montag, Mittwoch und Donnerstag ist die Multifunktionshalle unterm Henkel ausverkauft. Bis auf wenige Einzeltickets. Dass kurzfristig noch weitere Kontingente frei geschaltet werden, bleibt für alle, die leer ausgingen, die letzte Hoffnung. Gleiches gilt für Dortmund, wo die 27-Jährige am 28., 29. und 30. Oktober in der Westfalenhalle auftritt.

Ayliva gönnt man das. Innerhalb von vier Jahren hat sich die Recklinghäuserin ganz nach oben katapultiert. 2022 trat sie noch im Vorprogramm von Alicia Keys auf, füllte 2023 erstmals aus eigener Kraft die Kölner Arena und erhöhte das 2024 auf drei Abende, um nun das abendfüllende Quartett vollzumachen.

Selbstbewusst nennt sie ihre aktuelle Gastspielreise „Die Ayliva Tour 2025“. So wie sie heißt nur eine. Und nur eine ist wie sie. In zwei Stunden stehen mehr als 30 Songs auf der Setliste, vor einem Bühnenbild, das anfangs den Blick auf ein magisches Kino gewährt, das noch geschlossen hat. Ehe sich die Türen öffnen und man dreidimensional hineingezoomt wird in einen Saal mit rotplüschigen Sesseln, wo auf der Leinwand der Film ihres Lebens läuft. Er beginnt mit einem kleinen braunhaarigen Mädchen in kulleräugiger Manga-Anime-Optik, das zum Geburtstag ein Keyboard geschenkt bekommt.

Ayliva in Köln: Sängerin begeistert mit musikalischem Talent

Später wird die kleine Maus bittere Tränen vergießen, weil sie angesichts viel zu großer BHs und einem unüberschaubaren Arsenal von Make-up überfordert ist oder weil der Junge, mit dem sie eben noch eine Tüte Popcorn und verliebte Blicke geteilt hat, sie schnöde sitzenlässt. Wegen einer Blondine. Die Manga-Ayliva starrt auf ihr Handy. Aber von dem mit dem Herzchen-Symbol, der in der Liste noch vor Mama kommt, kommt nichts. Nur die kleine, weiße Katze und die Musik, die sind ihr treu. Und später dann ihre Fans.

Auf der Bühne setzt das Ayliva 1:1 um. Inzwischen selbst eine Blondine. Die in ihrem rosa-silbernen Outfit mit dem perlenbestickten Bustier, dem wippenden Petticoat-Röckchen, den wippenden Locken bis zur Taille und den rosa Latex-Overknees hinreißend aussieht. Aber von der süßen Optik darf man sich nicht täuschen lassen. Ayliva ist viel mehr als die Zuckerfee in Pop-Gelee.

Sie kann Rap, Soul und R& B, sie kann großartig singen und tanzen, Klavier und Gitarre spielen. Ihre Songs, die vom Verlassenwerden, aber auch von Wut, Trotz und vom Überleben handeln, von toxischen Beziehungen, männlicher Gewalt und weiblicher Selbstermächtigung, schreibt sie selbst. Und sie sagt solche Sätze wie: „Wenn ihr diese Stimme hört:‚ Ich kann nichts‘. ‚Ich werd' nichts‘, ‚Ich bin nicht hübsch genug‘, dann hört auf euren Körper. Er tut so viel für euch. Er liebt euch. Ich möchte, dass ihr ihm zurück liebt.“

Konzerte von Ayliva sind Lektionen in Achtsamkeit, sie stärken das Gefühl von Gemeinschaft, Gleichheit, Solidarität: „Jeder von euch hätte an diesem Abend was anderes machen können. Aber es hat etwas gegeben, das hat uns zusammen gebracht. Wir alle tragen ein Päckchen, ein Leid, eine Last. Hey – wir halten hier alle zusammen!“

Und sie sind zudem auch noch nachhaltig. Kein anderer weiblicher Star, der in Aylivas Liga spielt, käme an einem Abend nur mit einem Outfit aus. Sie schon. Dass sie das mit einem Bolero, mit Chiffontüchern oder einem Gürtel aufpeppt, ist das Höchste der Gefühle. Und sie zieht sich, hinter der Showtreppe kauernd, selbst um. Ohne Assistenz.

Ayliva in Köln: Glitzergirlanden und Dramatik

All das kommt mit viel Romantik und Dramatik rüber, mit Rosen, die das weiße Piano überwuchern, wie weiland das Schloss von Dornröschen, mit zuckenden Blitzen, tief hängenden Wolken, regenassen Häuserschluchten, Glitzergirlanden im Zauberwald, einem weißgoldenen Interieur im Stil von Versailles und noch mehr Rosen. Die sie beregnen oder die schnörkeligen Gartenmöbel umranken, auf denen sie mit ihren Bandmusikern zum Akustik-Teil auf der zweiten Bühne am Ende des Catwalks Platz nimmt.

Es gibt fantastische Choreografien, bei denen sie, als heller Lichtpunkt, ihre fünf schwarz gewandeten Tänzerinnen und Tänzer anführt, bei „Beifahrer“ wird ein Cabrio auf die Bühne gerollt und beim Intro zu „Mörder“ eine Tänzerin verfolgt, überfallen und gewürgt.

Das ist der einzige Moment der ganzen Show, wo man sich ums Seelenheil der vielen Grundschülerinnen im Publikum sorgen muss. Aber Täter und Opfer verschwinden gottlob ganz schnell in der Versenkung des Bühnenbodens, ein Elternteil ist immer dabei, und das Konzert ist, aus Jugendschutzgründen, vor 22 Uhr vorbei. Mit „Deine Schuld“, „Nein!“ und „Hässlich“ als Zugaben endet ein grandioser Abend.

Aus dem Kino ist inzwischen ein Schloss geworden. Dessen riesiges hölzernes Portal vor Ayliva und ihrer Crew zugleitet und den Blicken der jubelnden Fans entzieht. Klarer Fall. Das war’s. Bis auf das Schwelgen, Schwärmen und Schmachten hinterher. Tage lang.