Urteil zum RheinboulevardStadt Köln scheitert mit Schadenersatzklage

Lesezeit 5 Minuten
Der Kölner Rheinboulevard in Deutz.

Der Kölner Rheinboulevard in Deutz.

Die Stadt Köln hatte fast eine Million Euro Schadenersatz gefordert, weil ein Ingenieurbüro angeblich mangelhaft geplant hatte. Doch das Landgericht Köln kam zu einem anderen Schluss. Die Stadt bleibt auf den Mehrkosten sitzen. 

Die Stadt Köln ist mit ihrer Klage gegen das Ingenieurbüro Arcadis aus Darmstadt wegen angeblich mangelhafter Planungsleistungen beim Bau des Rheinboulevards gescheitert. Wie berichtet, hatte die Stadt 960.721,05 Euro Schadenersatz gefordert, der Streit darüber tobte seit Februar 2011. Doch das Landgericht Köln hat die Klage inzwischen zum größten Teil abgewiesen.

Laut Urteil vom 27. September 2022, das der Rundschau vorliegt, hat das Gericht der Stadt lediglich einen Anspruch in Höhe von 38 717,64 Euro plus Zinsen für einen externen Gutachter sowie 1590,91 Euro plus Zinsen für Rechtsberatung zugesprochen. Damit steht die Stadt nach einem sechsjährigen Gerichtsverfahren – die Klage wurde im September 2016 eingereicht – mit leeren Händen da. Sie bleibt auf Mehrkosten in Höhe von rund 920.000 Euro sitzen und muss außerdem die Kosten des Verfahrens tragen.

Waren Umplanungen durch Planungsfehler notwendig?

Kern des Streits war die Frage, ob Arcadis durch mangelhafte Leistungen dafür verantwortlich war, dass der Bau des Rheinboulevards im Jahr 2011 komplett umgeplant werden musste. Hintergrund: Das Fundament der 500 Meter langen Freitreppe zwischen Hohenzollernbrücke und Deutzer Brücke war zunächst als „Tiefgründung“ geplant, bei der Spundwände aus Stahl in den Boden gerammt werden sollten. In einem Bericht vom 16. Mai 2010 hatte Arcadis erklärt, das Verfahren sei geeignet. Bei Bodenerkundungen habe man größtenteils „unterhalb von Steinschüttungen sandige, teils schluffige Kiese in lockerer bis dichter Lagerung“ vorgefunden.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Doch als das Rheinufer im September 2010 auf Kampfmittel untersucht wurde, stießen die Bohrer schon ab einem halben Meter Tiefe auf Hindernisse wie Basaltsteine und Reste früherer Uferbefestigungen. In diesen Untergrund Stahlwände zu rammen, kam laut Stadt nicht infrage. Deshalb entschied man sich für eine „Flachgründung“, also ein Streifenfundament. Damit waren alle bisherigen Planungen hinfällig.

Gericht folgte nicht der Argumentation der Stadt

Die Stadt argumentierte vor Gericht, das Ingenieurbüro habe den Baugrund zuvor nicht ausreichend untersucht. Das von Arcadis vorgeschlagene Konzept der Tiefgründung habe sich „als unbrauchbar herausgestellt“. Wegen dieses „Planungsfehlers“ sei man gezwungen gewesen, die darauf aufsetzenden und bereits erbrachten Planungen anderer Firmen einzustampfen und erneut auszuschreiben. Daher sei Arcadis verantwortlich für die erheblichen Zusatzkosten etwa bei der Objekt- und Tragwerksplanung (734 107,38 Euro) sowie der Projektsteuerung (89 976,65 Euro) und müsse Schadenersatz leisten.

Doch dieser Auffassung folgte das Gericht nicht. Im Urteil heißt es: „Anders als die Klägerin meint, oblag es der Beklagten nicht, bautechnische Vorschläge für ein geeignetes und vorteilhaftes Gründungsverfahren zu entwickeln.“ Der Auftrag habe vielmehr darin bestanden, die von der Stadt bevorzugte Variante einer Spundwandlösung „auf ihre Machbarkeit zu prüfen“. Das belegen laut Gericht Zeugenaussagen, wonach es bereits 2008 eine Vorfestlegung auf die Spundwandlösung gab.

Gutachter: Tiefere Bohrungen hätten kein grundlegend anderes Ergebnis gebracht

Die Behauptung der Stadt, Arcadis sei nicht nur mit Baugrunduntersuchungen, sondern auch mit Bauteiluntersuchungen beauftragt gewesen, ist laut Gericht eindeutig falsch. Die Stadt habe zudem „nicht schlüssig und rechnerisch nachvollziehbar dargelegt“, weshalb aufgrund einer Pflichtverletzung der Beklagten Kosten der Wiederholung der Planungsleistungen angefallen sein sollen.

Das Landgericht bemängelte zwar, dass das Bodengutachten von Arcadis vom 16. Mai 2010 nicht den Regeln der Technik entsprach, weil die durchgeführten Bohrungen nicht die erforderliche Mindesttiefe von vier Metern erreichten. Laut einem gerichtlich bestellten Sachverständigen hätten tiefere Bohrungen aber keine grundlegend neuen Erkenntnisse gebracht. Denn es sei bereits bekannt gewesen, dass im Boden Steinblöcke mit Kantenlängen von bis zu 40 Zentimetern zu erwarten waren. Letztlich ging die Entscheidung gegen eine Spundwand auf eine Bewertung des Kampfmittelräumdienstes vom 1. Oktober 2010 zurück, wonach sich Blindgänger im betroffenen Bereich wegen der magnetisierten Basaltsteine nicht zweifelsfrei orten lassen.

Obwohl das Urteil des Landgerichts eindeutig ausfiel, hatte die Stadt   zunächst beim Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Diese hat sie nun aber wieder zurückgenommen, da das Rechtsamt nach einer Prüfung zu dem Schluss kam, dass „keine Erfolgsaussichten bestehen“.

Arcadis erklärte auf Anfrage: „Wir sehen unsere Rechtsauffassung durch das Urteil bestätigt.“ Man werde keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen und die Kosten für den externen Gutachter der Stadt übernehmen.


Kommentar: Jetzt ist Sorgfalt gefragt

Außer Spesen nichts gewesen. 2011 hat die Stadt Köln die Planung für das Prestigeprojekt Rheinboulevard komplett neu aufsetzen müssen. Danach hat sie elf Jahre lang erfolglos versucht, die Mehrkosten der Umplanung   in Höhe bei einem Ingenieurbüro einzutreiben, das angeblich daran schuld gewesen sein soll.

Vor sechs Jahren reichte die Stadt Klage ein, bemühte Anwälte und Gutachter. Doch nun steht fest: Die Schadenersatzforderung ist ohne Grundlage. Das Landgericht Köln hat dies so unmissverständlich klargestellt, dass die Stadt auf ein Berufungsverfahren verzichtet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Stadt und damit der Steuerzahler. In der Urteilsbegründung wird deutlich, dass die Klage wohl von Anfang an auf tönernen Füßen stand. Da stellt sich die Frage, ob die Erfolgsaussichten im Vorfeld ernsthaft geprüft wurden.

Im November verlor die Stadt einen Prozess ums Anwohnerparken vor dem Verwaltungsgericht Köln, weil sie den Parkraummangel in Braunsfeld unzureichend geprüft hatte. Und im Konflikt um die FC-Ausbaupläne im Grüngürtel erklärte das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan wegen Mängeln für unwirksam. Drei Urteile in kurzer Zeit, die die Stadtverwaltung nicht gut aussehen lassen. Das sagt nichts über die tatsächliche Fehlerquote aus. Aber es sollte Ansporn sein, künftig weniger Fehler zu machen.