Ein Niederländer wurde zu über zwei Jahren Haft verurteilt. Unbekannte hatten ihn über Snapchat angeworben – „Crime as a service“ nennt sich das Phänomen. Der Sachschaden: 600.000 Euro.
Zwei Jahre Haft19-Jähriger nach Explosion auf Kölner Ehrenstraße verurteilt

In diesem Geschäft in der Ehrenstraße kam es zur Explosion.
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Das Phänomen nennt sich „Crime as a service“, was so viel bedeutet, wie „Verbrechen als Dienstleistung“. Hierbei werden laut einer Mitteilung des Bundeskriminalamtes nicht selten Jugendliche von Kriminellen über soziale Netzwerke angeworben, um zum Teil schwerste Straftaten gegen Bezahlung zu begehen. Am Donnerstag verurteilte eine Abteilung des Jugendschöffengerichts am Kölner Amtsgericht einen solchen „kriminellen Service-Dienstleister“ wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten Haft.
Explosive Tat in der Ehrenstraße: Sprengstoffanschlag in Köln
Das Gericht sah nach zwei Verhandlungstagen als erwiesen an, dass der 19 Jahre alte Niederländer am frühen Morgen des 18. September 2024 das Schaufenster des Modegeschäfts „Live Fast Die Young“ (LFDY) in der Ehrenstraße mit einem Pflasterstein einschlug, einen Sprengsatz samt Zünder platzierte und den Laden in die Luft jagte. Auf einem von dem damals 18-Jährigen aufgenommenen Handy-Videos ist ein großer Feuerball zu sehen, der das LFDY-Schaufenster auf die Straße drückte und die nachtdunkle Einkaufsstraße für einen Moment taghell erleuchtete. Laut den Ausführungen der Vorsitzenden bei der Urteilsbegründung wurde der 19-Jährige über den Messenger-Dienst Snapchat von einem Unbekannten für die Tat rekrutiert.
Von einem ebenfalls unbekannten Fahrer sei er unmittelbar vor der Tat nach Köln in die Nähe der Ehrenstraße gefahren worden. Der 19-Jährige habe sich zu dem Geschäft begeben „und mit einem mitgeführten Pflasterstein das Schaufenster eingeschlagen“, sagte die Vorsitzende. Anschließend habe er den in einer blauen Plastikeinkaufstüte befindlichen Sprengsatz, der aus einem gefüllten Benzinkanister und einem Böller als Zünder bestanden habe, im Laden platziert und zur Zündung gebracht.
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Digitale Beweismittel: Explosion auf Snapchat dokumentiert
Auftragsgemäß habe der Angeklagte mit seinem Handy die Explosion gefilmt und das Video zum Beweis seiner Tatausführung an einen unbekannten Snapchat-Kontakt geschickt. Das Video war am ersten Verhandlungstag in dem Prozess gezeigt worden. Bei der Explosion war ein Sachschaden in Höhe von 600.000 Euro gekommen. Der 19-Jährige hatte die Tat über Verteidigerin Lisa M. Gilges bereits am ersten Verhandlungstag gestanden. Demnach habe der Angeklagte Arbeit gesucht, um aufgelaufene Strafen wegen Verkehrsdelikten bezahlen zu können.
Dann sei er über den Messenger Snapchat angeschrieben worden. Zunächst habe es geheißen, er solle in Nijmegen einen Stein in ein Schaufenster werfen. Doch die Fahrt habe dann in Köln geendet. Dort sei ihm aufgetragen worden, das LFDY-Schaufenster einzuschlagen, einen Sprengsatz zu platzieren und die Explosion zu filmen, wofür ihm 2000 Euro in Aussicht gestellt worden seien. Geld habe er aber keines erhalten, denn er sei von dem Fahrer im Stich und in Köln zurückgelassen worden.
Hintergrund des Anschlags: Verbindungen zum „Kölner Drogenkrieg“
Drahtzieher des Anschlags soll Sermet A. gewesen sein. Der 24-Jährige gilt als Kopf der Kalker Drogenbande, die im Sommer 2024 jene Gewaltspirale auslöste, die als „Kölner Drogenkrieg“ bekannt geworden ist, nachdem der Bande rund 350 Kilogramm Marihuana geraubt worden waren.
Die Staatsanwaltschaft hat in dem Gesamtkomplex des Kölner Drogenkrieges bislang gegen 37 Personen Anklage erhoben, von denen 21 bereits verurteilt worden sind. Die verhängten Strafen bewegen sich zwischen einer achtmonatigen Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes bis hin zu einer Freiheitstrafe von über elf Jahren. Insgesamt haben die Gerichte in Köln bislang Freiheitsstrafen von 119 Jahren und Jugendstrafen von über 21 Jahren verhängt.
