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Mai-KundgebungWas Gewerkschafter in Köln an Unternehmen kritisieren

Lesezeit 3 Minuten
Mai-Demonstration

Tausende waren bei den Protesten auf dem Heumarkt dabei.

Im Mittelpunkt stand die bedrohliche Situation bei Ford.

Rund 8000 Teilnehmende an der Maikundgebung zählte DGB-Chef Witich Roßmann auf dem Heumarkt, die Polizei sprach in der Spitze von 4000 Demonstrierenden. Die Demonstration am Tag der Arbeit verlief friedlich, bis auf einige regelwidrige Vermummungen, die Moderatorin Judith Gövert nach einem Hinweis der Polizei bat zu unterlassen. Wie zu erwarten, stand die Krise in den deutschen Niederlassungen des US-amerikanischen Autobauers Ford im Fokus.

Für die drohenden massiven Einschnitte bei Ford machte der Hauptredner Hans-Jürgen Urban, der geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall ist, aber nicht in erster Linie die Standort- und Zoll-Politik von US-Präsident Donald Trump verantwortlich. Vielmehr eine Politik, die in einer „Welt im Dauer-Krisenmodus“ nicht „geliefert“ habe. „Ja, die Wirtschaft stagniert, die Gesellschaft ist polarisiert – und viele Unternehmen haben den Wandel verschlafen“, prangerte Urban Versäumnisse in den Vorstandsetagen an. „Und wo die Unternehmen in die Ertragskrise schlittern, sollen wir die Zeche zahlen. Mit Arbeitsplatzabbau, Einkommensverzicht und Zugeständnissen. Das geht gar nicht!“, leitete der führende Gewerkschafter über zur Forderung, in die Zukunft und gute Arbeit für alle zu investieren.

Maidemo

Protest gegen den Arbeitsplatzabbau bei Ford.

Mit den „Weichen in Richtung Zukunft“, die nun gestellt werden müssten, meint die IG Metall Investitionen in grünen Wasserstoff statt in Kohle, in Elektro-Antriebe für Fahrzeuge statt Verbrenner-Motoren und in den öffentlichen Personen- und Güterverkehr. Dass die künftige Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD die Schuldenbremse löste und Investitionen in die Infrastruktur von 500 Milliarden Euro ankündigte, begrüßt die IG Metall durchaus. Sofern das Geld vorrangig in den Ausbau des Schienennetzes, in Bildung, Digitalisierung, die Energiewende und Gesundheit fließt.

Absage an strenge Regeln bei Migration

Eine Absage erteilte der IG Metall-Vorstand dagegen strengeren Regelungen bei der Migration und beim Bürgergeld. Ohne Waffenlieferungen an die Ukraine generell abzulehnen, rügte Urban den „Blankoscheck für Rüstungsausgaben“, den die deutsche Politik derzeit ausstellt. Bei den Medien vermisst er dazu die kritische Haltung. Beide seien „längst dabei, die gesamte Gesellschaft zu militarisieren, sie – wie es offiziell heißt ‚kriegstüchtig‘ zu machen“, meint der Gewerkschafter. Angesichts weiterer Konflikte zwischen Russland, den USA und China fragt Urban, ob Kriege zum „Goldstandard“ werden sollen. Statt einem Rüstungswettlauf und „naiver Appelle an Autokraten“ wünscht sich der 63-Jährige „eine zeitgemäße globale Sicherheitsarchitektur“ mit Abrüstungsverträgen, die Kontroll- und Sanktionsvereinbarungen enthalten. Im Zuge dessen müsse diskutiert werden, welche Aufgaben nationale oder europäische Streitkräfte haben sollen und welches Verteidigungsbudget tatsächlich notwendig ist.

Verteilungsgerechtigkeit in einem sozialen Staat, Nachhaltigkeit in der Wirtschaft, faire Löhne und menschliche Vielfalt waren weitere Themen. Insbesondere in Abgrenzung zu einer von ihm nicht beim Namen genannten Partei im neuen Bundestag. „Wer sich ärgert, ja, wer wütend ist über Niedriglöhne, explodierende Mieten und abgehängte Regionen, der sollte nicht nach denen treten, denen es noch schlechter geht“, schloss Urban und empfahl Engagement in Gewerkschaften.

Ford-Mitarbeitende bauten zum Abschluss der Maikundgebung eine symbolische Brandmauer auf die Bühne. Während der Rede des Betriebsratsvorsitzenden Benjamin Gruschka war auf einem breiten Transparent zu lesen: „Wir bleiben Ford. Gemeinsam weiterkämpfen für Köln“. Gruschka nannte die Konzernpolitik „asozial“, ein „perfides Spiel“ und Verrat an Gründer Henry Fords Gedanken, bezahlbare Autos für alle zu produzieren. Auf unbefristetem Streik stehen nach der Urabstimmung von fast 12000 Beschäftigten nun die Zeichen. „Wer sich bei Ford mit Einzelnen anlegt, legt sich mit Vielen an. Und wer sich mit einem Standort anlegt, legt sich mit der ganzen IG Metall an“, kündigte der Betriebsrat den Kampf um die Arbeitsplätze an.