Neuer Prozess im Kölner Drogenkrieg: Fesselungsmaterial in Kalker Baumarkt gekauft.
Folter in Kölner VillaOpfer misshandelt, gefilmt und bedroht

Die Angeklagten verbargen ihr Gesicht.
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Die Auflistung der Verletzungen des Opfers dauert gefühlt minutenlang. Kopfverletzungen, abgebrochener Zahn, Hüft- und Knieverletzungen, geschwollene Lippen oder Verletzungen am Sprunggelenk. Die Staatsanwältin spricht von „23 einzelnen Gewalteinwirkungen“. Das Opfer habe auch Monate nach der Tat noch Angstzustände und nehme am öffentlichen Leben nicht mehr teil. Die Lebenspartnerin erlitt beispielsweise ein Schädel-Hirn-Trauma. Die Folterung, wie es die Staatsanwaltschaft nennt, geschah im Sommer 2024 in einer Villa am Eibenweg in Rodenkirchen. Es ist einer der gravierendsten Vorfälle im so genannten Kölner Drogenkrieg, der zur Zeit vor dem Kölner Landgericht juristisch aufgearbeitet wird. Den Tatort im Keller der Villa nannte der „Spiegel“ einst die „Kammer des Schreckens“.
Vor dem Landgericht begann am Dienstag der Prozess um die brutale Geiselnahme in der Villa in Rodenkirchen. Drei Männern (20, 20, 21) wird gemeinschaftlich begangene Geiselnahme, gefährliche Körperverletzung und der Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Die drei Männer sollen laut Anklage der Kölner Staatsanwaltschaft am Abend des 4. Juli 2025 in ein Industriegebiet in Bochum gefahren sein, um dort ein Paar zu entführen. Als der Wagen dort ankam, überwältigten die drei Männer mutmaßlich das Paar mit Waffen und Schlägen und zwangen sie in einen Transporter. Neben Schlägen mit Eisenstangen hatte ein Täter laut Anklage eine Schusswaffe in den Mund der männlichen Geisel gesteckt und abgedrückt. Das Magazin war leer.
Kölner Drogenkrieg: Auslöser war der Raub von 350 Kilogramm Marihuana
Auslöser der Entführung soll der Raub von 350 Kilogramm Marihuana aus einer Hürther Lagerhalle gewesen sein. Eine Kölner Drogenbande vermutete, dass der Bruder des Entführten hinter der Aktion steckte. Mit der Geiselnahme wollten sie die Drogen oder einen hohen Geldbetrag erpressen, heißt es vom Gericht. In der Villa sollen die Angeklagten ihre Opfer im Keller unter anderem mit einer Eisenstange brutal attackiert haben. Die Geiseln waren teils nackt. Ein sichergestelltes Video von der Geiselnahme offenbart die schweren Misshandlungen. Ein Opfer bettelt in dem Video um sein Leben.
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Die Geiselnahme wurde bei verschiedenen Treffen in Köln vorbereitet. Die Staatsanwältin spricht von Treffen in Kölner Hotels oder Lokalen. Im Vorfeld sei ein Gruppenchat eingerichtet worden, damit alle Beteiligten auf dem aktuellen Stand sind. Den Kabelbinder und weiteres Material für die Geiselnahme kauften die Tatverdächtigen in einem Kalker Baumarkt – ein Steinwurf vom Polizeipräsidium entfernt.
Die Angeklagten gaben sich zum Prozessauftakt weitgehend reumütig und ließen über ihre Anwälte Erklärungen abgeben. Persönliche Entschuldigungen und ein Täter-Opfer-Ausgleich wurden angekündigt. Der angeklagte 20-jährige Niederländer erklärte, dass er in den sozialen Medien angefragt wurde, ob er für 5000 Euro jemanden schlagen würde. Er habe aber keine Vorstellung davon gehabt, dass es sich um eine Entführung handeln würde. Als es in Bochum zu der Entführung gekommen sei, habe er aus Angst mitgemacht, selbst Opfer zu werden. „Er war total überfordert. Es tut ihm leid“, betonte seine Anwältin und sagte weiter über ihren Mandanten: „Er strebt einen normalen Beruf an. Entweder Kosmetiker, Friseur oder Lieferant für Essen“. Der Anwalt des 21 Jahre alten deutschen Angeklagten sagte, dass sein Mandant eine „Mitläufer-Stellung“ gehabt habe, auch wenn er nichts bagatellisieren wolle. Er werde sich auch ausführlich zu seinen Taten äußern, aber keinesfalls zu anderen Beteiligten. Der Grund sei, dass er Sorge um sein „eigenes Wohlbefinden“ habe. Der dritte Angeklagte ließ über seinen Anwalt erklären, dass es sich um eine „schleichende Entwicklung“ gehandelt habe, durch die er in die Geiselnahme hereingezogen worden sei.
In dem Rodenkirchen-Fall wird bei weiteren Verhandlungen auch der geplante Tod des entführten Mannes zur Sprache kommen. Für die Tat wurde einer der Geiselnehmer ausgesucht. Doch der Beauftragte bat noch um eine Pause und wollte vorher vor dem Haus eine Zigarette rauchen. Der Chef der Geiselnehmer-Bande soll ihm zuvor für den Mordauftrag eine Pistole in die Hand gedrückt haben. Er solle den Mann erschießen, dann könne man ihm trauen, steht in den Ermittlungsakten. Als der Mann später vor der Villa seine Zigarette rauchte, habe er in einem Gespräch mitbekommen, dass er nach der Tat wohl auch sterben werde. In Panik soll der Mann weggelaufen sein und hinter einer nahen Aral-Tankstelle an der Autobahn einen Fußgänger mit Hund getroffen haben. Über das Handy des Mannes soll er dann die Polizei alarmiert haben.
Der Prozess wird fortgesetzt.