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Spuren der AngstWo Kölnerinnen und Kölner sich in der Innenstadt besonders unwohl fühlen

Lesezeit 3 Minuten

Einer der unterirdischen Gänge an der U-Bahnstation am Kölner Hauptbahnhof.

Drei Architektur-Studierende der Technischen Hochschule Köln laden im Rahmen eines Stadtspazierganges mit anschließendem Vortrag und Diskussion ein, über das Thema Angsträume im öffentlichen Raum nachzudenken.

Mitten im Gewusel des Rudolfplatzes steht eine Gruppe Menschen vorm Hahnentor und lauscht drei Architektur-Studierenden. Loredana Kelzenberg versucht mit lauter Stimme gegen den Verkehrslärm anzukommen: „Der Rudolfplatz ist nicht der klassische Angstraum, trotzdem kann er ein Gefühl von Unwohlsein auslösen.“

Im Rahmen des Studierendenprojektes „Angsträume im öffentlichen Raum“ haben sich Loredana Kelzenberg, Julia Mehlhorn und Jarno Timpe von der Technischen Hochschule Köln zusammengetan, um mit ihrer Professorin Yasemin Utku einen entsprechenden Stadtspaziergang zu organisieren. Ziel sei es, die Teilnehmenden dabei für sogenannte Angsträume zu sensibilisieren. Der Spaziergang führte vom Rudolfplatz zum Neumarkt und war kostenlos zugänglich. Knapp vierzig Menschen nahmen teil.

Angsträume in Köln: Subjektives Empfinden

Angsträume seien etwas Subjektives, erklärt Kelzenberg. Die Partymeile „Ringe“, die U-Bahn mit dunklen Ecken und verwinkelten Gängen, lauter Verkehr: All diese Faktoren können laut der Studierenden dazu beitragen, dass Menschen sich unsicher fühlen oder Angst empfinden. Eine Teilnehmerin bemerkt, dass vor allem die Präsenz der Drogenkonsumierenden sie stören würde.

Die Gruppe bewegt sich weiter, entlang der Hahnenstraße. Ein kurzer Stopp auf dem Vorplatz zu St. Aposteln. Timpe fragt die Gruppe, ob hier etwas auffalle. „Mehr Bäume, weniger Lärm und verkehrsberuhigter“, stellt eine Teilnehmerin fest. Der Rest der Gruppe scheint sich einig: Hier halte man sich gerne auf.

Ich mag es nicht am Ebertplatz unterwegs zu sein, man wird ja schon immer wieder angesprochen.
Josephin Köhnen, Teilnehmerin des Stadspazierganges

Weiter geht es Richtung Neumarkt. Timpe fordert die Teilnehmenden auf, sich umzuschauen. Was können mögliche Angstfaktoren sein? Es fallen Begriffe wie Verkehrslärm, Dreck, kaum Aufenthaltsmöglichkeiten und wenig Beleuchtung in der Nacht. „Warum sollte ich mich hier aufhalten wollen?“, fragt ein Teilnehmer.

Immer wieder Thema: Die Wohnungslosen und Drogenkonsumierenden am Neumarkt. Die Teilnehmenden erzählen, sie fänden den Anblick nur schwer erträglich, wenn sie sich an den Haltestellen aufhalten müssen. Mit kleinen Kindern fühle sich die Lage besonders bedrohlich an. Das Thema polarisiert. Während sich die einen Beschweren, versuchen die anderen Verständnis zu zeigen. Referent Timpe findet, dass es nicht die Menschen sein dürfen, die wir als Problem wahrnehmen, sondern die Struktur und das System, dass sich nicht genug unterstütze.

Die drei Referierenden Loredana Kelzenberg (v.l.), Jarno Timpe und Julia Mehlhorn im Haus der Architektur Köln.

Der Stadtrundgang bewegt sich jetzt unter der Erde, rein in den Schacht, der den Neumarkt unterirdisch verbindet – und viel Platz für Angsträume bietet. Der Gang hat niedrige Decken, wirkt eng, vor allem am Wochenende strömen Menschenmassen durch die Gänge. An den U-Bahn-Aufgängen angekommen, formt er sich kreisförmig, viele Ausgänge führen nach oben. Hier fühlt sich eine junge Teilnehmerin der Gruppe sicherer: „Ich habe das Gefühl, schnell weglaufen zu können.“ Der Schacht biete hingegen in einer Gefahrensituation kein Entkommen.

Generell fällt auf, die Frauen der Gruppe sprechen immer wieder, wie selbstverständlich vom Entkommen, von dunklen Ecken, in denen Gefahren lauern und unerwartete Begegnungen stattfinden können. So auch Josephin Köhnen, für die vor allem unterirdische U-Bahn-Tunnel ein Angstraum darstellen. „Ich mag es nicht am Ebertplatz unterwegs zu sein, man wird ja schon immer wieder angesprochen.“ Aber vor wem haben die Frauen eigentlich Angst? „Es sind immer Männer, alle Männer“, sagt . Ihre Freundin nickt zustimmend.

Im Haus der Architektur Köln findet abschließend eine Diskussion statt. Viele Teilnehmende scheinen sich nun einig zu sein: Vielleicht es ist nicht die Angst vor Wohnungslosen, die das mulmige Gefühl auslöst, sondern der Blick dorthin, wo es weh tut. Wo Realitäten aufeinanderprallen, die man lieber verdrängen möchte.