Am Wochenende war die Hochschule für Besucher offen.
KunsthochschuleSo kreativ sind Absolventen in ihren Abschlussarbeiten

Sayaka Kuramochi hat in einem dreijährigen Projekt Steine mit modernen Medien kombiniert.
Copyright: Nabil Hanano
Im Rahmen ihres umfangreichen Programms zum 35-jährigen Bestehen der Kunsthochschule für Medien (KHM) haben 28 Absolventen und Absolventinnen künstlerische Projekte in unterschiedlichen medialen Ausdrucksformen gezeigt. Ein Hingucker beim Rundgang durch die Ausstellung waren die Bilder eines automatisierten Bots über eine Fahrt auf dem Highway 101 zwischen San Francisco und dem Silicon Valley. Die Strecke wird von vielen Software-Entwicklern benutzt. „Hier sieht man entlang des Highways auf den Billboards, den großen Tafeln, nur noch Werbung für Software-Entwickler“, erläutert Kjell Wistoff.

Kjell Wistoff beschäftigt sich mit der Macht der Entwickler.
Copyright: Nabil Hanano
In den letzten Jahren habe es bei dieser Werbung einen Boom für AI gegeben (Artificial Intelligence – Künstliche Intelligenz). Die Nischenwerbung auf den Billboards verdeutliche, welche Macht die Entwickler inzwischen hätten. „Früher haben die Manager und CEOs über die Strukturen entschieden. Heute sind es die Entwickler.“ In dem Projekt „Archive 101“ wurde deutlich, was den 29-jährigen antreibt: Der Einfluss der Technik auf die Gesellschaft. Fragen zu dieser fundamentalen Entwicklung beschäftigen ihn auch als neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter der TH Köln.
Anton Linus Jehle (32) treibt die Entwicklung der Mikromobilität an. Mehrere Jahre hat er die Entwicklung der E-Roller in Köln „wie eine Tierspezies“ beobachtet. „Besonders fasziniert hat mich die emotioanle Ambivalenz der Diskussion. Einerseits die Begeisterung für diese neue Art der flotten urbanen Mobilität, andererseits die Empörung über E-Roller, die nicht ordnungsgemäß geparkt sind oder quer über dem Bürgersteig liegen.“ Mit seiner Installation ruft er dazu auf, sich eine „freie“ Mikromobilität vorzustellen. E-Roller, die nicht nur befreit von Dockingstationen sind, sondern auch „aus den Fängen der Risikokapitalisten“. Diese hätten sie einst versklavt, sie zu Tausenden auf den Straßen ausgesetzt und sie ihrem Schicksal überlassen.
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Steinwerkzeuge, Zahlensysteme, Chips
Eine Mixed-Media-Installation aus gesammelten Steinen, Steinpigmenten, Computer, iPad, Soundkarte, AM-Transmitter, Rochelle-Salz, Weinrebe, Stahl, Viroc, Beton und Software und ein elfminütiges Video mit dem Titel „Stone draws on a stone“: „Steine in den Medien“ ist ein forschungsbasiertes dreijähriges Projekt, in dem Sayaka Kuramochi den Stein als zentrales Medium in den Fokus nimmt. „Steine faszinieren mich. Sie sind Ausdruck menschlicher Kreativität, sind grundlegende Bestandteile der Erde und enthalten Aufzeichnungen über ihre physikalische Geschichte.“ Wie der Beginn der Menschheitsgeschichte in der Altsteinzeit zeige, seien sie ein wesentliches Merkmal für die Entwicklung der Zivilisation. „Von Steinwerkzeugen über Zahlensysteme bis hin zu modernen Chips. Gleichzeitig fungieren sie als Speicher menschlicher Erkenntnis.“ Die 34-jährige erinnert in ihrer Installation auch daran, dass Steine als spirituelle Werkzeuge genutzt wurden, etwa als Amulette, in Ritualen oder als Grabsteine. Heute zeugen davon abgeleitete Erscheinungsformen in digitaler Gestalt oder gesellschaftlichen Trends.

Holzobjekte mit Texten zeigt Helen Brecht
Copyright: Nabil Hanano
Helen Brecht arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. An der KHM hat die 37-jährige zusätzlich Literarisches Schreiben studiert. An der Stelle, wo sich ursprünglich das provisorische Benutzerzentrum des Historischen Archivs befand, hat sie vier Holzobjekte mit Texten aufgebaut. „Archives & Butterflies“ nennt die 37-jähige ihre Installation. Gezeigt wird unter anderem ein „semi-fiktiver“ Mailverkehr zwischen ihr und dem Archiv am Eifelwall. „Ich wollte zu Frauengeschichten forschen, was aber aus urheberrechtlichen Gründen abgelehnt wurde.“ Ein anderes Feld ihrer Forschung ist der Schaden und auch die Veränderungen an Texten durch Schädlinge wie Holzwürmer. „Hier ergeben sich poetische Potenziale.“
Soojin Ok untersuchte in ihrer Installation die Beziehung zwischen Mensch und Pflanzen im urbanen Raum. In „Conteraction (Control+Interaction): Dialogue of the Deep Silence“ benutzte sie Pflanzen, Kunststofffolie und digitale Medien. Dabei verband sie ein raumgreifendes Pflanzensystem mit digitalen Zeichnungen, Texten, Bildern und Videos, die auf den Rhythmus des pflanzlichen Lebens reagieren. Gezeigt wurde, wie tropische Pflanzen heute in technisierten Innenräumen unter künstlichen Bedingungen wie LED-Licht, automatischer Bewässerung und Luftzirkulation gepflegt werden. „Diese gilt oft als Zeichen von Zuneigung, ist aber Teil eines komplexen technischen Systems, das ständig Eingriffe erfordert. Dabei ist die Beziehung längst nicht mehr einseitig. Der Mensch kontrolliert nicht nur, sondern wird auch vom Rhythmus der Pflanzen beeinflusst“, so Ok. Die Arbeit fungierte als visuelles Protokoll dieser stillen Wechselwirkung.