Sänger Mo-Torres spricht beim Spaziergang im Nüssenberger Busch über seine hektische Beziehung zu Köln, über sein Veedel Bickendorf und über überraschende Neuentdeckungen in der eigenen Stadt.
Mo-Torres über Köln„Die Stadt ist rastloser und hektischer geworden“
In unserer Serie „Über Köln reden“ sprechen wir mit prominenten Kölnerinnen und Kölnern über den ganz persönlichen Blick auf die Stadt. Mit Musiker Mo-Torres traf sich Simon Westphal im Nüssenberger Busch am Alten Militärring zwischen Ossendorf und Pesch.
Sie haben sich den Nüssenberger Busch als Lieblingsort ausgesucht. Hier gibt es nur Wiesen und Bäume, sonst nichts. Warum diese Wahl?
Als ich hier das erste Mal mit meinem Hund spazieren war, überkam mich so eine komische Ruhe, eine krasse Gelassenheit. Meine Gedankenwelt ist stehengeblieben. Ich bin hier ganz allein für mich, nur mit meinem Hund. Alles andere hat dann Pause.
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Haben Sie diese Auszeit oft nötig?
Ich hätte das viel häufiger nötig. Mein Kopf fährt eigentlich immer Karussell. Aber durch die viele Arbeit komme ich nur selten dazu, hier mal eine ausgiebige Runde zu drehen.
Sie wohnen in Bickendorf. Was ist Bickendorf für ein Veedel?
Ein sehr familiäres, bodenständiges und sich gegenseitig unterstützendes Veedel. Dieses Veedel-Gefühl gibt es dort wirklich noch.
Wie macht sich das im Alltag bemerkbar?
Wenn ich 100 Meter mit dem Auto über meine Straße fahre, dann winke ich gefühlt acht Mal aus dem Auto und bleibe noch zweimal stehen. Und wenn Not am Mann ist, hilft man sich. Bei uns gegenüber wurde an einem Haus die Fassade neu gemacht. Und auf einmal stehen da fünf ältere Herren, inklusive meines Vaters, die einfach so mithelfen. Super viele Dinge werden ganz einfach zum Gemeinschaftsprojekt.
Vorher haben Sie jahrelang in Ehrenfeld gewohnt. Gab es dieses Gefühl dort auch?
Ehrenfeld würde ich auch immer noch als Heimatveedel bezeichnen. Aber das Gefühl, dass man sich immer unterstützt und ein offenes Ohr hat, das ist dort über die Jahre ein bisschen flöten gegangen. Mein Bruder ist zum Beispiel in meine alte Wohnung eingezogen. Alle Nachbarn kennt er jetzt noch nicht.
Wenn Leute von außerhalb kommen - gibt es in Bickendorf Dinge, die man ihnen unbedingt zeigen muss?
Boah, schwierige Frage. Den Rochuspark mag ich sehr gerne. Aber so ein Monument von Bickendorf, das man unbedingt gesehen haben muss, sowas gibt's eher nicht.
Zoomen wir mal raus aus Bickendorf. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Stadt aktuell beschreiben.
Irgendwie hektisch. Ich lebe so lange in dieser Stadt und habe zu jeder Ecke irgendeine Beziehung. Weil bei mir aber gerade so viel los ist, düse ich überall vorbei, denke gar nicht mehr drüber nach und genieße vielleicht auch weniger. Die Stadt ist rastloser und hektischer geworden.
Ist das die Stadt oder liegt der Grund da eher bei Ihnen?
Genau, vielleicht ist das auch mein Empfinden. Aber trotzdem habe ich mehrfach am Tag diese Momente, oft kleine Begegnungen, wo ich dastehe und sage: Hach Kölle, du bist es einfach. Wenn ich für zwei, drei Tage beruflich in Berlin bin, denke ich mir: Wow, ich will wieder zurück.
Sie wohnen Ihr Leben lang in Köln. Verändert sich der Blick auf die Stadt, wenn man älter wird?
Natürlich sieht man Dinge, die man als Jugendlicher nicht wahrgenommen hat. Man sieht nicht enden wollende Baustellen und fragt sich: Was heißt das überhaupt hintenraus für den Steuerzahler?
Worüber können Sie sich in Köln so richtig aufregen?
Über den Verkehr, ganz klar. Aber ehrlich gesagt: Wenn ich im Auto sitze, ist meine Geduld echt klein. Ich habe dann wenig Geduld für andere Verkehrsteilnehmer, die auch im Auto sitzen. Am meisten rege mich aber über die fehlende Rücksichtnahme im Verkehr auf. Warum gibt es diesen Krieg zwischen Radfahrern und Autofahrern auf der Venloer Straße? Ich verstehe es nicht. Lasst uns doch schauen, wie wir zusammen klarkommen.
Würden Sie sagen, Sie sind gut informiert darüber, was in der Stadt so passiert?
Teils teils. Bei manchen Sachen frage ich mich: Will ich die überhaupt wissen? Gerade wenn die Dinge meine Stadt betreffen, lasse ich mich von negativen Nachrichten runterziehen, ich bin da nicht der stabilste Typ.
Gibt's Themen, wo Sie immer auf dem aktuellen Stand sind?
Gut informiert bin ich in Themen, die meine Welt betreffen. Darin ist der Abriss des „Underground“ in Ehrenfeld die Wurzel allen Übels. Dort habe ich mein erstes Solokonzert gespielt, der Eintritt kostete neun Euro. Sowas würde heutzutage ja nicht mehr funktionieren. Und dann geht es weiter mit Open-Air-Flächen, die jedes Jahr aufs Neue um ihren Betrieb kämpfen. Gerade in Köln sind Kulturflächen vielleicht sogar noch einen Tick wichtiger als in anderen Städten. Da kann es nicht sein, dass man so gut wie keine Optionen hat, wenn man ein Sommer-Open-Air spielen will.
So ganz generell: Was würden Sie Köln empfehlen?
Ich würde empfehlen, dieses himmelhochjauchzende Selbstbeweihräuchernde beizubehalten, natürlich immer mit dem nötigen Augenzwinkern. Das ist einfach das, wofür wir uns und die Stadt so krass lieben. Und wir müssen diese Veedelkultur häufiger auf das große Ganze übertragen, um das Gemeinschaftsgefühl wieder mehr auf die Straße zu kriegen. Dass wir nur unterscheiden zwischen Menschen und Arschlöchern. Ich habe Angst, dass das verloren geht. Uns Kölner hat immer ausgemacht, dass wir klare kante Zeigen. Auch das wird in Zukunft immer wichtiger.
2018 haben Sie in ihrem Song „Labyrinth“ vom „Abenteuer Heimatstadt“ gesungen, in der man eigentlich alles kennt und trotzdem immer wieder neue Ecken entdeckt. Fühlen Sie den Song heute noch genauso?
Auf jeden Fall. Sowas kommt immer wieder vor. Auf einmal bist du in Westhoven-Ensen und denkst dir: Wow, voll schön hier. Bei den immer gleichen Tagesabläufen hat man das natürlich seltener.
Was war die letzte Entdeckung?
Ich habe den Fühlinger See noch einmal komplett neu kennengelernt. Früher ist man mit dem Fahrrad immer an die gleiche Stelle gefahren oder man war mal beim Summerjam. Jetzt habe ich bei einem Spaziergang mit Hund nochmal komplett neue Ecken kennengelernt.
Sie haben früher auch viel über den FC gesungen. Wie sieht Ihre Beziehung zum FC aktuell aus?
Ehrlich gesagt: Die zweite Liga ist doch Bombe. Mehr Tradition als in der ersten Liga, auch die Anstoßzeiten passen mir besser. Wenn ich um 15.30 Uhr in der Südkurve stehe und mir die Seele aus dem Leib schreie, spiele ich abends kein geiles Konzert mehr. Ich bin da teilweise aus Selbstschutz nicht mehr hingegangen.
Aus körperlichen oder seelischen Gründen?
Aus körperlichen Gründen (lacht). Seelisch muss ich mich da nicht mehr schützen, man weiß ja, wie es ist. Es gibt viele negative Erlebnisse, aber alle kleinen Erfolgserlebnisse nimmt man mit. Die Reisen 2017 nach London und Belgrad werde ich zum Beispiel nie vergessen.
Klappt es mit dem direkten Wiederaufstieg?
Das wäre krass – und ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass es sich auszahlt, wenn man auf die Jugend setzt. Aktuell gibt es da ja keine Wahl. Ob der direkte Wiederaufstieg gesund wäre – schwer zu sagen. Das klingt total bescheuert, aber was die Attraktivität und Tradition der Gegner angeht, hätte ich kein Problem mit einem weiteren Jahr in der zweiten Liga.
Machen Sie irgendwann nochmal Musik auf Kölsch?
Da mache ich mir aktuell keine Gedanken drum. Ich sage niemals nie.
Kölsche Texte schreiben Sie aber auch für andere Bands, auch mit den Bläck Fööss oder den Höhnern arbeiten Sie zusammen.
Genau, das steckt nach wie vor komplett in mir drin. Mit meinem künstlerischen Weg, den ich gehen will, ist das nicht zu 100 Prozent zu vereinbaren. Aber wenn ich das ausleben kann und sich andere Bands darüber freuen, dann unterstütze ich gerne.
Sie sind ein Musiker mit sehr starker Verbindung zu Köln, der aber auch außerhalb von Köln Erfolg haben will. Müssen Sie irgendwann hier wegziehen, damit der Plan aufgeht?
Das wird nicht passieren. Keine Chance. Keine Diskussion. Ich bin beruflich häufiger in Berlin. Wenn man sieht, was da musikalisch abgeht, ist das schon verrückt. Der Job ist unfassbar wichtig für mich. Aber ab einem gewissen Punkt gibt es wichtigere Dinge: die Familie und das Heimatgefühl. Die Stadt gibt mir viel zu viel, als dass ich woanders leben könnte.