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Nachruf auf Zoochef Gunther NoggGroße Karriere mit tragischen Momenten

5 min
Köln - der Direktor des Kölner Zoos, Gunther Nogge vor dem Bären-Gehege - Foto vom 07.11.1985

Köln - der Direktor des Kölner Zoos, Gunther Nogge vor dem Bären-Gehege - Foto vom 07.11.1985

Der streitbare Wissenschaftler baute das Urwaldhaus und den Elefantenpark, überlebte 1985 einen Schimpansen-Angriff und kämpfte erfolgreich gegen die Fusion von Kölner Zoo und Flora.

Er war ein reger und durchaus streitbarer Geist, eine Instanz der Tiergartenbiologie, führender Mitbegründer der Europäischen Erhaltungszuchtprogramme, einer, der neue, bessere Wege der Tierhaltung beschritten und 25 Jahre lang den Kölner Zoo geleitet hat. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Prof. Dr. Gunther Nogge am 4. Oktober im Alter von 83 Jahren gestorben.

„Professor Nogge hat in allen Bereichen, die ein Zoo abdeckt, große und auch international prägende Spuren hinterlassen: Seine Neubauten und Sonderschauen waren Publikumsmagnete, in Lehre und Forschung hat er den Kölner Zoo als Partner auf Augenhöhe der Wissenschaft etabliert. Die Gründung der Programme zur Arterhaltung hat er maßgeblich vorangetrieben. Der Kölner Zoo ist ihm zu großem Dank verpflichtet“, würdigte Dr. Ralf Unna, Vorsitzender des Zoo-Aufsichtsrats, den Verstorbenen.

Beginn einer bemerkenswerten Karriere im Kölner Zoo

Große wie tragische Momente, beharrliches Streiten für die Interessen des Tiergartens, eine Vision, die nicht sein sollte, sind einige der Marksteine seiner Zeit als Direktor des Kölner Zoos, der er am 15. Juli 1981 wurde. 2007 schied er aus seinem Amt aus, auf ihn folgte der heutige Zoochef Prof. Dr.Theo Pagel, seinem Wunschkandidaten.

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Der Zoologe in seinem Büro.

Der Zoologe in seinem Büro.

„Zoo“, das hat Gunther Nogge, geboren im Severinsklösterchen in der Kölner Südstadt, von der Pike auf gelernt. In den Semesterferien seines Biologie-Studiums in Bonn arbeitete er als Hilfstierpfleger in Köln. Seinen großen Traum, den Zoo seiner Heimatstadt zu leiten, konnte er sich bereits mit 39 Jahren erfüllen. Nicht von ungefähr, denn da hatte er bereits vier Jahre als Dozent an der Uni im afghanischen Kabul und als wissenschaftlicher Leiter des dortigen Zoos hinter sich, die Tierwelt Afghanistans beeindruckte ihn bis ins Alter tief.

Internationale Anerkennung durch Forschung und Visionen

Danach wirkte er von 1973 bis 1981 im Bereich der Parasitologie an der Uni Bonn, seine Habilitation über Tsetsefliegen erhielt internationale Auszeichnungen. Das alles passte zum gesuchten Profil, Gunther Nogge wurde Direktor des Kölner Zoos.

Köln - der Direktor des Kölner Zoos, Gunther Nogge mit einem Oran-Utan-Baby

Köln - der Direktor des Kölner Zoos, Gunther Nogge mit einem Oran-Utan-Baby

Seine Stelle trat er mit Visionen an. Weil es Geld brauchte, sie zu verwirklichen, gründete er 1982 zusammen mit Aufsichtsratsvorsitzenden Heinz Lüttgen den Förderverein des Zoos. Der sollte bei allen neuen Tieranlagen die entscheidende Rolle spielen. Die erste ging Nogge sofort an: Ein Haus, in dem Menschenaffen artgerechter gehalten werden können, als es zur damaligen Zeit weltweit üblich war. Zuvor wurden Orang-Utans und Schimpansen in Köln in gekachelten, vergitterten Käfigen im ehemaligen Südamerikahaus zur Schau gestellt. 1984 wurde das Urwaldhaus eingeweiht und zum Publikumsmagneten.

Der im engen Menschenkontakt aufgezogene Schimpanse „Petermann“, als junges Tier in Strampelanzug, Köbeskleidung oder Polizeiuniform gesteckt, blieb im alten Haus. Durch den Fehler eines Lehrlings stand am 10. Oktober 1985 die Tür seines Käfigs offen, der geschlechtsreife männliche Affe griff Nogge an, der ihm entgegenkam. „Er hatte jahrelang mein Verhalten gegenüber den Wärtern beobachtet und daraus geschlossen, dass ich der Chef bin“, sagte Nogge in einer Gesprächsrunde. Deshalb sei der knapp einminütige Angriff so massiv ausgefallen. Nach acht Stunden Operation blieben ihm Narben im Gesicht, einen Teil des rechten Mittelfingers hatte Petermann abgebissen. Um Zoobesuchende zu schützen, wurde der Menschenaffe von der Polizei erschossen.

Neue Wege in der artgerechten Tierhaltung und Erhaltungszucht

Das tragische Schicksal Petermanns bestärkte Nogge in der bereits eingeschlagenen Kursänderung in Sachen Tierhaltung. Es folgten die naturnahe Anlage für Leoparden und das Tropenhaus, in dem den gezeigten Tieren in einem großes Areal leben, das von Besuchenden betreten werden kann. Ab 1999 bereitete Nogge die Planung für den zwei Hektar großen Elefantenpark für bedrohte Asiatische Elefanten vor, der 2004 eingeweiht wurde. Die Mittel von 14 Millionen Euro hatte wesentlich der Förderverein zusammengetragen.

Mit Glück überlebte Nogge den Angriff von „Petermann“.

Mit Glück überlebte Nogge den Angriff von „Petermann“.

Eine bedeutende Veränderung im Selbstverständnis von Zoos weltweit kam mit der Verabschiedung des Washingtoner Artenschutzabkommen von 1975 in Gang. Das reglementierte den Handel mit bedrohten Tierarten streng. „Von da ab waren Zoos von der Zufuhr von Wildtieren abgeschnitten und darauf angewiesen, selber zu züchten“, sagte Nogge unserer Zeitung. Zugleich gewann der Gedanke, dass der Erhalt bedrohter Arten eine wesentliche Aufgabe von Zoos ist, an Boden. 1985 begründete Nogge die Europäischen Erhaltungszuchtprogramme (EEP) mit, dank derer etwa Wisent oder Przewalski-Pferd, die ohne Nachzuchten auch in Köln wohl ausgestorben wären, in ihren Ursprungsländern ausgewildert werden konnten. Parallel dazu begann man damit, Artenschutzprojekte in den Herkunftsländern zu unterstützen. Auch die Gründung der Zooschule und das zoopädagogische Areal im Tropenhaus fallen in seine Zeit. Für seinen Einsatz im Umwelt- und Artenschutz erhielt Nogge 2007 den „Heini-Hediger-Preis“ des Weltzooverbandes, der als höchste Auszeichnung in der Zoogemeinschaft gilt.

Populärwissenschaftliche Vermittlung und mediale Präsenz

Aufgeschlossen war Gunther Nogge aber auch für populärwissenschaftliche Vermittlungsformate. „Er hatte einen Vertrag mit dem ZDF über die Doku-Soap Tierisch kölsch' geschlossen. Da sind in vier Jahren mehr als 500 Sendungen gedreht worden, die zum Teil heute noch über den Schirm laufen“, erinnerte sich Theo Pagel. Auch die „Sommernacht von Zoo und Flora“ war ein großer Publikumserfolg, 2002 konnten dabei die ersten drei in Köln geborenen asiatischen Löwenjunge Mohan, Kalindi und Kampti beobachtet werden. Weniger Glück hatte der Zoochef persönlich bei der Geburt des ersten Elefantenbabys im Zoo. Marlar kam am 30. März 2006 ausgerechnet dann zur Welt als er kurz seine Morgenrund drehte.

Erfolgreich gegen Fusion von Zoo und Flora gekämpft

2003 wehrte Nogge sich erfolgreich gegen die von der Stadt angedachte Zusammenlegung von Zoo und Flora. „Sie würde für uns mehr Arbeit und mehr Kosten bedeuten“, so der damalige Zoochef mit Blick auf das Ergebnis einer Untersuchung der Fusionseffekte, die der Aufsichtsrat veranlasst hatte.

Mit großem Bedauern musste Nogge, der auch an der Universität lehrte, dagegen hinnehmen, dass die Stadt „die Chance vertan hat, am Zoo ein ‚Zentrum biologischer Wissensvermittlung‘ zu schaffen“. Das von der Stadtsparkasse geplante Science Center sollte zunächst zwischen Zoo und Flora gebaut werden, doch die Erschließungskosten wurden als zu hoch angesehen; gebaut wurde es in Kalk.

Der heutige Zoochef Theo Pagel begann 1991 unter Nogge als Kurator „für eigentlich alles außer Affen und Elefanten“, so Pagel. „Er hat mir damals stets freie Hand gelassen. Unter ihm, als sehr progressivem Zoodirektor, habe ich viel lernen dürfen“, würdigt Pagel den Verstorbenen. „Die Zoowelt, und insbesondere der Kölner Zoo, haben Professor Gunther Nogge viel zu verdanken, und ich persönlich ebenfalls.“