Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Interview

Vanessa Porter in Köln
„Was man sieht, was man riecht, was man hört“

6 min
Die Schlagzeugerin Vanessa Porter.

Die Schlagzeugerin Vanessa Porter.

Die Musikerin Vanessa Porter ist am Wochenende in Köln in einer Klanginstallation zur Architektur von Peter Zumthor zu erleben.

Ob in der Elbphilharmonie oder im Museum Kolumba: Percussionistin Vanessa Porter schafft eine Verbindung von Raum und Klang. Am Wochenende wechselt sie mit anderen Musikern zwischen der Eifel und Köln. Jan Sting sprach mit ihr.

Wie darf man Sie sich als Schlagzeugerin am Frühstückstisch vorstellen? Tassen, Löffel, Gläser – wird das alles in eine Percussion eingebunden?

Mein Vater ist Schlagzeuger, meine Schwester auch. Alltägliche Rhythmen waren bei uns schon immer dabei. Jeder hat gerade etwas geklopft. Das hat sich bei mir mittlerweile aber etwas gelegt. Mein Alltag stellt sich gerade um. Ich lehre jetzt an der Musikhochschule in Karlsruhe, daher habe ich den Raum für Spielen und Reisen nicht mehr in dem Umfang wie vorher. Das balanciere ich gerade alles aus, jeder Tag ist anders.

Weil Sie als Professorin ortsgebundener werden?

Karlsruhe ist ein bisschen gesetzter. Nun habe ich wieder Zeit für mein Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Wenn ich unterwegs bin, gibt es da eher das Brötchen auf die Hand. Aber die Musik ist eigentlich fast immer dabei.

Sie erklärten einmal, dass für Ihre Musik das Hervorheben und Spüren einzelner Augenblicke von Bedeutung ist.

Ich glaube, damit meinte ich, dass ich nicht nur im Übeprozess alles ganz extrem wahrnehme, sondern einfach nur auf dem Weg wie gerade vom Kolumba hierher darauf achte, was gerade eigentlich alles um mich herum passiert. In meinem Projekt „Better Me“ geht es darum, dass jeder versucht, sich selbst die ganze Zeit zu optimieren, während er die Außenwelt gar nicht mehr wahrnimmt.

Am Wochenende machen Sie bei der Konzertinstallation zu Raum und Zeit mit, wechseln zwischen der Bruder-Klaus-Kapelle in der Eifel und dem Kolumba-Museum in der Kölner Innenstadt, gehen der Frage nach, wie Stille klingt.

Ich versuche da alles zu integrieren. Was man sieht, was man riecht, was man hört.

Und wie ist Ihr Eindruck vom Kolumba-Museum?

Es ist alles minimalistisch aufgebaut, hat sehr viel Beton. Ich mag das. Aber es hallt, akustisch ist das nicht einfach. Ich spiele ein Duo mit dem Blockflötisten Jeremias Schwarzer, das Instrument ist eher leise. Da müssen wir ein bisschen gucken, wie wir das gestalten. Aber es ein supertoller Ort mit schönen Kunstwerken. Ich werde wahrscheinlich etwas zu den Fotos mit den Händen machen.

Sie arbeiten wiederholt mit Bildenden Künstlern zusammen. Wie ist das, sich da hineinzudenken, um es zu vertonen?

Mein größtes Projekt war, als ich die Gemälde von meinem Großvater vertont habe. Er war hauptberuflich Koch, hatte aber immer gemalt und zuletzt um die tausend Bilder im Keller. Es war sein Lebenswerk. Die Bilder waren extrem unterschiedlich. Er hat in Phasen gemalt, als es ihm nicht so gut ging, das sah man den Bildern an. Dann gab es Phasen, wo du weißt „Wow, da hat er gestrahlt.“ Das habe ich ganz intensiv erlebt. Musik ist eben nicht nur zum hören da, sondern zum erleben. Gut, in einem Museum erlebt man das nicht so, dass man genau weiß, wo der Künstler gerade war und wie es ihm ging, als er das Bild malte.

Aber Sie sind nicht allein. Im Museum sind die Musiker des Ensembles „Transient“, ein Klavier, ein Cello, Flöte und Elektronik dabei.

Ja, genau. Das ist natürlich auch viel aufwendiger, zeitintensiver. Man muss sich mit den Leuten absprechen, und so ein Austausch kann auch sehr anstrengend sein, weil unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten zusammenkommen. Aber ich finde es super, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Als Perkussionistin spielen Sie auf ganz unterschiedlichen Instrumenten. Erst Virtuoses auf dem Vibrafon. Dann wieder auf einem anderen Instrument und alles ist eng getaktet. Wie machen Sie das?

Ich kenne es nicht anders. Ob ich vier Schlägel in der Hand halte oder zwei, ist für mich im Prinzip dasselbe. Ich hatte das Glück, eben schon als Kind eine Marimba und Lehrer zu haben. Das haben viele andere nicht, die erst mit 18, 19 oder 20 an das Instrument kommen. Für die sind vier Schlägel dann schon irgendwie fremd und sie können sie nicht so gut kontrollieren wie zwei. Aber ich genieße es total, wenn ich in einen Probenraum gehe und weiß, ich habe jetzt hier acht Stunden Zeit. Und ich weiß, okay, ich kann mich jetzt erst auf ein Theaterstück konzentrieren, ohne Instrument. Danach zwei Stunden mit leisen Klängen und dann zwei Stunden mit Vollgas spielen und noch ein bisschen draufhauen. Das ist eigentlich das Schönste für mich.

Und wie kommen Sie bei solcher körperlicher Verausgabung wieder runter, was haben Sie für einen Ausgleich?

Gute Frage. Zu sagen, ich mache Yoga, wäre vielleicht übertrieben. Aber ich gucke schon, dass ich Übungen mache, die mir guttun. Denn auch das Tragen der Instrumente ist anstrengend. Man sollte schauen, fit zu bleiben und keine Schmerzen mit sich herumzutragen. Aber ehrlich gesagt: Meine Familie, meine Freunde, gute Gespräche, bei denen es nicht nur um Musik geht, bringen mich am besten wieder runter.

Sie arbeiten am Wochenende auch mit Laien, mit Kunstinteressierten zusammen. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Meistens sind das superschöne Begegnungen von jung bis alt. Es gibt eigentlich keine Einschränkungen und jeder bringt was mit. Der eine ist vielleicht etwas extrovertierter und macht etwas mehr. Andere wollen mehr im Hintergrund bleiben. Aber das Mitmachen gibt allein erfahrungsgemäß total viel. Ich glaube, vor allem in der Neuen Musik, müssen wir auch mehr machen, sonst erreichen wir die Leute nicht.

Sie haben Stücke von Kaija Saariaho oder Georges Aperghis im Repertoire. Haben Sie sich es zur Aufgabe gemacht, zeitgenössische Komponisten wieder mehr ins Bewusstsein zu bringen?

Ich war einmal in einer Realschule und habe von Komponistinnen und Komponisten erzählt, mit denen ich zusammen arbeite. Die meisten wussten gar nicht, dass es den Beruf noch gibt, dass die Leute noch leben. Das ist ein großes Problem. Wir sollten gemeinsam etwas entwickeln, auf Augenhöhe arbeiten, damit jeder sieht, dass Neue Musik nicht nur etwas ganz Intellektuelles ist, sondern etwas, das man wie beim Klassikkonzert auf sich wirken lassen kann.

Haben Sie Berührungspunkte zur Klassischen Musik?

Eigentlich nicht mehr. Im Studium ja. Aber dadurch, dass man beim Schlagzeug schon 80 Jahre alte Stücke zur Klassik zählt, ist die Musik für mich schon alt. Deswegen, Paukerin in einem Orchester wollte ich nie werden. Ich liebe die Vielfalt, eigene Projekte, die Zusammenarbeit mit Tänzerinnen und Tänzern und meine Arbeit mit Sprecherinnen und Sprechern.


Vanessa Porter, Jahrgang 1992 kommt aus der Nähe von Stuttgart. Sie zählt international zu einer der vielseitigsten Percussionistinnen. Als Solistin verbindet sie aktuelle Werke mit Improvisation, Elektronik und darstellender Kunst und arbeitet mit namhaften Komponisten wie Georges Aperghis, Zeynep Gedizliooglu, Francesca Verunelli oder Jennifer Walshe zusammen.


Für die Konzertinstallation „Book of hours and landscapes“ vom 25. bis 27. Juli gibt es noch Karten. Die Veranstaltungen wechseln zwischen den Bauten Peter Zumthors, dem Museum Kolumba und der Bruder-Klaus-Feldkapelle in der Eifel. Die Kapelle ist kostenlos, im Kolumba gilt der reguläre Eintritt. Voranmeldungen für beide Orte über ticket@kolumba.de.