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Kritik am neuen Film über Dietrich BonhoefferKölner Nachfahre findet ihn „grottenschlecht“

Lesezeit 4 Minuten
Dietrich Bonhoeffer mit Konfirmanden 21. März 1932 in Friedrichsbrunn

Bundesarchiv, Bild 183-R0211-316 / CC-BY-SA 3.0

Fund bei Wikipedia - gemeinfrei

Dietrich Bonhoeffer mit Konfirmandenim  21. März 1932 in Friedrichsbrunn 

Ein US-Film über den von Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer hat für Proteste. Diese werden vom Kölner Pfarrer Mathias Bonhoeffer bekräftigt. 

Herr Bonhoeffer, Sie haben den Film schon gesehen ...

Ja, die amerikanische Fassung. Ich war gefragt worden, ob ich an der Podiumsdiskussion nach der Preview im Cinedom teilnehmen will. Dafür hatte uns der Verleih einen Sichtungslink zu Verfügung gestellt. Und ich habe mir den Film zweimal angesehen.

Und wie finden Sie ihn?

Grottenschlecht. Der Film ist eigentlich nicht der Rede wert.

Ihre Familie - Sie selbst sind Enkel von Dietrich Bonhoeffers älterem Bruder Karl Friedrich - gehörte zu denen, die sich schon zum US-Start sehr kritisch geäußert hat. Was hat Sie und Ihre Verwandten am Film so geärgert?

Die Vereinnahmung und das Framing des Filmes in den USA.

Wie würden Sie das beschreiben?

Der ganze Film ist auf den „Bonhoeffer-Moment“ zugeschnitten, eine Bezeichnung des Biografen Eric Metaxas, also den Moment, in dem man handeln muss, sich gegen das Böse zu wenden und gegen das Böse aufzustehen. Er hat sich letztlich für den Mord an Hitler ausgesprochen, sich dazu durchgerungen. Aber die Frage ist nun: Was ist das Böse? Bonhoeffer hat in Hitler das Böse gesehen. Metaxas hat wie auch Trump Hillary Clinton und Joe Biden als Hitler bezeichnet und ruft damit direkt dazu auf, im angeblichen Sinn Bonhoeffers gegen die damalige Administration in Washington zu arbeiten und das mit Gewalt! Und das geht überhaupt nicht!

An welchen Stellen weicht der Film so sehr von der Realität ab, dass man nicht mehr von künstlerischer Freiheit sprechen kann?

Aus meiner Sicht ist nicht eine einzige Szene in diesem Film authentisch. Woran machen Sie das fest? Entweder ist es das Szenenbild, das geht schon los mit dem irischen Landhaus, das Berlin darstellen soll. Es ist auch die Zusammenstellung der Personen in einzelnen Szenen. Dann wird Dietrich Bonhoeffer dreimal geschlagen, aber jedes Mal auf das rechte Auge. Da habe ich mich gefragt: Habt Ihr die drei Szenen auf einmal gedreht, sodass der Schauspieler nur einmal in die Maske muss? Ich habe nicht eine einzige Szene gefunden, an der nicht irgendetwas schlicht falsch oder in sich nicht stimmig ist.

Nun sagte Regisseur und Drehbuchautor Todd Komarnicki der Deutschen Presseagentur: „Als ich das Drehbuch schrieb, war der wachsende Trumpismus bereits eine drohende Gefahr, aber es gab noch nicht den harten Rechtsruck, den wir jetzt weltweit sehen.“ Diese Entwicklung sei „zutiefst besorgniserregend“, aber auch eine „unglaubliche Gelegenheit“, sich wie Bonhoeffer gegen Faschismus, für Nächstenliebe und Menschlichkeit einzusetzen. Wie empfinden Sie das?

Ich habe durch meinen Verwandten Ruggero Schleicher-Tappeser gehört, dass sich Komarnicki in den USA ganz anders geäußert hat. Das ist jetzt einfach eine neue PR-Strategie.

Ein weiterer Aspekt der neuen PR- oder Marketing-Strategie betrifft den Filmtitel „Bonhoeffer“, den Orginal-Untertitel „Pastor. Spy. Assassin“ also „Pastor, Spion und Attentäter“ ist gestrichen, ebenso die Waffe, die er auf dem US-Filmplakat in der Hand hält. Gerade Letzteres hatte bei der Familie für große Verärgerung gesorgt.

Denn das ist etwas, was er für sich immer ausgeschlossen hat. Der Dienst an der Waffe kam für ihn nicht in Frage. Im Falle der Einberufung hätte er verweigert, mit dem Risiko der Verurteilung zum Tod.

Das Fazit der dpa lautet, das Publikum werde „mit einem spannenden Widerstandsdrama entlohnt, das hochaktuelle Themen anspricht“. In anderen Worten: Kann man sich angucken. Wie ist Ihr Urteil?

Ich fand den Film nicht spannend, und anderen, die ihn auch gesehen haben, ging es genauso. Dietrich Bonhoeffer, sein Widerstand gegen den Nationalsozialismus, sein 80. Todestag das sind schon historisch wichtige Themen. Und wir haben einen wachsenden Antisemitismus, wachsenden Rassismus - auch das ist alles richtig. Aber wir haben momentan keine Situation in Deutschland, die darauf hinausläuft, dass wir mit Gewalt gegen eine herrschende Regierung vorgehen müssen. Wir leben zum Glück noch in einer Demokratie, und diese Demokratie funktioniert. Die Demokratie in den USA steht dagegen gerade auf dem Prüfstand.

Am 9. April 2025 ist der 80. Jahrestag der Ermordung Dietrich Bonhoeffers. Aus diesem Anlass laden die Evangelische Gemeinde Köln/Kartäuserkirche, die Melanchthon-Akademie Köln und die Evangelische Akademie im Rheinland zu einer Podiumsdiskussion in der Kartäuserkirche (Beginn: 19 Uhr). Teilnehmen werden neben Mathias Bonhoeffer die Theologin Philine Lewek und der Publizist und evangelische Theologe Arnd Henze.