Digitale DetektivarbeitIT-Forensiker Stefan Piernikarczyk erzählt von seiner Arbeit

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Ins Netz gegangen: Michael Radke leitet das Kommissariat 35, wo digitale Spuren gesichert werden.

Kaputte Handys gehören zum Berufsalltag von Stefan Piernikarczyk. Auf seinem Schreibtisch stehen Lötkolben und Heißluftfön, daneben eine Infrarot-Heizlampe. Neue Displays und Akkus hat er für alle gängigen Modelle verfügbar. „Zur Not lässt sich die Speicherplatine ablöten und auf einen Adapter packen, um an Daten zu gelangen“, erklärt er routiniert. Den meisten Handybesitzern ist die Erfahrung des Informatikers gar nicht so recht, denn viele von ihnen haben ihre Telefone mit Absicht zerstört. Doch Piernikarczyk ist IT-Forensiker bei der Kölner Polizei.

Zwölf Informatiker und sechs Polizeibeamte mit einem Faible für Computertechnik arbeiten beim Kriminalkommissariat 35, gerade erst hat das Innenministerium wieder drei neue Stellen für Informatiker ausgeschrieben. Die Arbeit der Experten nimmt stetig zu. „Neben den eigenen Ermittlungen sind wir Dienstleister für alle anderen Kommissariate, was die Sicherung und Aufbereitung elektronischer Spuren angeht“, sagt Kommissariatsleiter Michael Radke. Mobiltelefone, Tablets, Navigationsgeräte und jede Art von Computer werden hier ausgewertet. „Bei uns landet alles, was einen Stecker hat“, weiß Radke.

„Ich wollte mit meinen Fähigkeiten etwas Gutes tun“

„Nach meinem Informatikstudium hätte ich mich sicher bei IT-Giganten bewerben können“, sagt Stefan Piernikarczyk, dann entschied er sich aber für die Polizei. „Ich wollte mit meinen Fähigkeiten etwas Gutes tun“, erklärt er seine Motive bei der Berufswahl. Nach vier Jahren als Forensiker stellt er nun fest: „Durch die schnelle Entwicklung von Hard- und Software stehe ich immer wieder vor neuen Rätseln. Bislang haben wir alle gelöst – das ist unglaublich spannend und macht großen Spaß“, erzählt er.

Wenn die Polizeibehörden in Deutschland nach Experten zur Aufklärung von Cyberkriminalität suchen, klingen die Stellenausschreibungen oft nach ödem Bürojob, den es in jedem Rechenzentrum gibt. Da werden Kenntnisse von „Netzwerktechnik, Skripting, Programmierung, Verschlüsselungstechniken und Datenanalysen“ erwartet. Mit der Realität hat das nur bedingt etwas zu tun, denn die Arbeit der IT-Forensiker ist mitunter recht nebulös. Zum Teil nutzt das Kölner Fachkommissariat Software, die es im Handel nicht zu kaufen gibt und von denen auch die Hersteller nicht möchten, dass jemand von deren Existenz erfährt. „Unsere Methoden sollen nicht öffentlich werden. Wir arbeiten teilweise auch mit Firmen zusammen, von denen kaum jemand weiß, dass sie überhaupt existieren“, sagt Piernikarczyk. Sein Chef spricht von „Sondertechnik“, die seine Mitarbeiter nutzen dürfen. Verschwiegenheit ist der Kern des Geschäfts.

IT-Forensik

2000 Mobiltelefone werden durchschnittlich jedes Jahr von den Technikexperten im Kriminalkommissariat 35 der Kölner Polizei ausgewertet. Die Informatiker und Polizisten sind Dienstleister für alle anderen Kommissariate. Selbst bei schweren Verkehrsunfällen mit unklarer Ursache werten sie zum Teil die Mobiltelefone der beteiligten Fahrer aus.

12 Informatiker gehören zum Team des Fachkommissariats, hinzu kommen sechs Polizeibeamte. Erheblich erschwert wird die Arbeit der Ermittler durch Software zur Verschlüsselung von Daten. Auch Hackerangriffe versuchen die Ermittler zu klären, doch zum Teil werden  hierbei  Spuren über Proxy-Dienste im Ausland umgeleitet.

3 Stellen für IT-Forensiker sind bei der Kölner Polizei derzeit ausgeschrieben.

Bei ihrer Tüftelei haben die Kölner Forensiker einen Weg entdeckt, die PIN von Samsung-Geräten zu umgehen. Wie das funktioniert? Betriebsgeheimnis. Manchmal teilen die Kölner ihr Wissen auch mit dem Bundeskriminalamt. „Wir sind auf diesem Gebiet Pioniere und versuchen den Kreis der Mitwisser klein zu halten, damit der Hersteller die Lücke im System nicht irgendwann schließt“, sagt Piernikarczyk. Inzwischen unterstützen die Kölner Experten immer öfter auch Kollegen in kleineren Polizeibehörden. „Teure Software wird nur noch für die großen Behörden angeschafft, dafür erhalten wir dann mehr Personal“, erklärt Radke.

Handys und Computer sind immer besser gesichert

Noch vor rund zehn Jahren bestand das Kommissariat 35 aus sechs Polizisten, die ihr Hobby zum Beruf machen durften und ihre technischen Fähigkeiten für die Verbrechensbekämpfung nutzen durften. „Jetzt sind die Informatiker in der Überzahl“, sagt Radke und ist durchaus dankbar für die zunehmende Spezialisierung. Denn in den Büros der Ermittler stehen reichlich Kartons mit technischen Geräten, die bei Durchsuchungen sichergestellt worden sind. Eine Warteliste verrät den Experten, welche Datenträger sofort untersucht werden müssen und welche noch ein wenig in der Kiste bleiben dürfen. „Die Auswertung von Computern dauert immer länger“, gibt Piernikarczyk zu bedenken. Denn inzwischen gibt es in jedem Elektronikgeschäft Festplatten mit acht Terrabyte Speicherkapazität zu kaufen. Oft sei dieser Platz gut gefüllt, stellen die Informatiker immer wieder fest. Jeder Forensiker verfügt deshalb an seinem Arbeitsplatz über vier Computer. Die Heizung in ihrem Büro können die Computerforensiker im Winter getrost auslassen.

Die Arbeit der Spezialisten wird jedoch zunehmend komplizierter. Noch vor wenigen Jahren waren die meisten Computer eher schlecht gesichert, auch bei Mobiltelefonen ließ sich der PIN-Code durch ein einfaches Zurücksetzen der Software umgehen. „Inzwischen bessern die Hersteller nach, weil sie merken, dass es den Kunden wichtig ist“, sagt Radke. Die Ermittler suchen nach Lücken im System. „Aber die Verschlüsseler von Daten sind weit vorne“, stellt Piernikarczyk immer wieder fest. Doch wenn Täter Fehler begehen, nehmen die IT-Profis die digitalen Spuren auf.

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Nicht erst seit Bekanntwerden der Fälle von Kindermissbrauch und der Verbreitung kinderpornografischer Daten in verborgenen Chaträumen hat sich die Klärung von Sexualdelikten zur Kernaufgabe der IT-Forensiker entwickelt. „Wenn unsere Hilfe benötigt wird, versuchen wir auch im Darknet nach elektronischen Spuren zu suchen und machen Anonymisierungsversuche untauglich“, gibt Piernikarczyk einen Einblick in seinen Arbeitsalltag. Die IT-Forensiker ebnen in den meisten Fällen den Zugang zu Datenträgern. Die Fahndung nach strafrechtlichen Inhalten bleibt Sache der jeweiligen Kommissariate.

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