Milliardenpoker im KanzleramtUnion und SPD wollen Konjunkturpaket schnüren

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Kanzleramt

Das Kanzleramt in Berlin.

  • An diesem Dienstag wollen Union und SPD ein Konjunkturpaket schnüren.
  • Geplant sind Hilfen für Kommunen, Familien, Autoindustrie und Unternehmen.
  • Und wo bleibt der Steuerzahler?

Berlin – Wieder ist das Geschick von Angela Merkel (CDU) als Moderatorin gefragt: Wenn an diesem Dienstagnachmittag die Spitzen der Koalition im Kanzleramt zusammenkommen, wird es zugehen wie auf einem Basar: Viele Milliarden Euro will die Koalition ausgeben, um in und nach der Corona-Krise mit einem Konjunkturpaket die angeschlagene Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen – es sollen bis zu 80 Milliarden Euro sein, wie am Wochenende die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf Regierungskreise mutmaßte. Wie immer, wenn es um so viel Geld geht, treten mächtige Interessengruppen auf den Plan. Die Kanzlerin muss die Koalition nicht nur auf Kompromisskurs bringen, ihr obliegt auch die Aufgabe, sinnvolle von weniger sinnvollen Ausgaben zu unterscheiden.

Kommunen

Einig sind sich Union und SPD, dass Städte und Gemeinden als wichtigste Investoren der öffentlichen Hand entlastet werden müssen. Der Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), die 2000 am meisten verschuldeten Kommunen durch einen einmaligen Akt von ihren Altschulden zu befreien, stößt in der Unionsfraktion jedoch auf Widerstand. Es sei nicht Aufgabe des Bundes, sondern der Länder, ihre Kommunen zu entschulden, ist die Fraktion überzeugt. Sie legte am Wochenende ein eigenes Konzept vor, das den Schwerpunkt der Entlastung auf die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose legt, die in den vergangenen Jahren stark gestiegen waren. Einig sind sich beide Seiten, die Mindereinnahmen der Kommunen bei der Gewerbesteuer von knapp zwölf Milliarden Euro in diesem Jahr auszugleichen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appellierte an Union und SPD, einen Kompromiss aus Vorschlägen beider Seiten zu finden. „Das eine schließt das andere nicht aus: die Kommunen sollten bei den Kosten der Unterkunft für Arbeitslose entlastet werden, wie die Union es vorschlägt, und sie sollten gleichzeitig auch die Altschulden loswerden, wie die SPD es vorschlägt“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. „Ich verstehe die Aufregung um die Altschuldenhilfe nicht. Wenn die Pläne von Finanzminister Scholz umgesetzt werden, würde das den Bund pro Jahr nur 300 Millionen Euro kosten“, fügte Landsberg hinzu. „Das ist bei einem Haushalt von über 300 Milliarden Euro eine kleine Summe“, sagte Landsberg.

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Autoprämien

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will den Kauf neuer Autos mit insgesamt fünf Milliarden Euro bezuschussen. Kaufprämien soll es demnach auch für moderne Benziner und Dieselautos geben, was die SPD-Fraktion, aber auch namhafte Vertreter der Unionsfraktion im Bundestag ablehnen. Sie wollen nur Autos mit klimaschonenden Motoren fördern. Familien Die SPD will einen einmaligen Bonus für jedes Kind von 300 Euro durchsetzen. Das würde etwa fünf Milliarden Euro kosten. Nordrhein-Westfalen hatte sogar einen Bonus von 600 Euro vorgeschlagen. In der Unionsfraktion hält man einen generellen Bonus für nicht zielgenau genug, weil auch bessergestellte Familien ihn erhalten würden. Scholz will über die Steuererklärung für Gerechtigkeit sorgen, indem für Besserverdienende ein verringerter Kinderfreibetrag festgelegt wird.

Unternehmen

Für Firmen soll es eine Reihe von Erleichterungen geben: Sie sollen bis zu 100 Prozent der Verluste aus dem laufenden Jahr mit früheren Gewinnen verrechnen können, so dass sie mit Steuererstattungen rechnen können. Zudem soll es eine degressive Sonderabschreibung auf Investitionen geben. Direkte Zuschüsse des Staates zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen soll es auch für Unternehmen mit elf bis 249 Mitarbeitern geben, bisher war die Soforthilfe auf kleinere Firmen beschränkt. Von der Corona-Krise besonders betroffene Branchen wie Gastronomie, Hotels und Großveranstalter sollen zudem noch zusätzliche Hilfen erhalten.

Steuerzahler

Die SPD hatte ein Vorziehen der Soli-Abschaffung vom 1.Januar 2021 auf den 1. Juli 2020 vorgeschlagen. Das will auch die CSU, doch die CDU blieb in den letzten Tagen seltsam still bei diesem Thema. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagte jetzt, das Vorziehen des Soli-Abbaus sei technisch nicht mehr machbar. Die Union will den Soli-Abbau eigentlich für alle, nicht nur für 90 Prozent der Steuerzahler, doch hier bleibt wiederum die SPD hart: Besserverdienende will sie um keinen Preis entlasten. Dabei würde der komplette Soli-Abbau auch vielen Unternehmern helfen, die unter die zehn Prozent der Steuerzahler fallen, die den Soli weiterhin ganz oder teilweise bezahlen müssen.

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Der Bund der Steuerzahler sah im Vorfeld des Koalitionsgipfels eine Schieflage: „Die Pläne für eine Kaufprämie für Autos sind kein gutes Signal für die Steuerzahler. Die fünf Milliarden Euro müssen ja von ihnen bezahlt werden“, sagte Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel unserer Redaktion. „Wir reden viel zu wenig über allgemeine Maßnahmen und zu viel über Hilfen für spezielle Gruppen.“ Die Steuerzahler liefen Gefahr, bei dem Milliardenpoker hintenanzustehen. Der Soli-Abbau könne sehr wohl auf den 1. Juli vorgezogen werden. „Zu sagen, das ginge technisch nicht, ist Blödsinn“, sagte Holznagel. Arbeitnehmer könnten auch rückwirkend zum 1. Juli entlastet werden. „Dann gibt es eine Gutschrift. Viele Menschen würden merken, dass sie deutlich mehr Netto in der Tasche haben“, sagte Holznagel.

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