MissbrauchsuntersuchungErzbistum verschiebt den Tag der Wahrheit

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Wollen Aufklärung: Demonstranten klagen Anfang März im Vorfeld der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche an.

Wollen Aufklärung: Demonstranten klagen Anfang März im Vorfeld der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche an.

Köln – Noch Mitte Februar stand der Termin wie in Stein gemeißelt: „Am 12. März wird eine Pressekonferenz stattfinden und live im Internet übertragen“, kündigte der Generalvikar des Erzbistums Köln, Markus Hofmann, in einem Interview mit der Kölnischen Rundschau an. Es sollte der Tag der schonungslosen Wahrheit werden. Der Tag, an dem die Ergebnisse der vom Bistum beauftragten Missbrauchsuntersuchung durch eine unabhängige Münchner Kanzlei vorgestellt werden sollten. „Der klare Auftrag beinhaltet das Benennen von Fehlern und Versäumnissen. Und da werden auch Namen genannt, da gibt es kein Tabu. Von den Erzbischöfen über die Generalvikare bis zu den Personalverantwortlichen“, so Hofmann damals unumstößlich. Nun ist er gekippt, der Tag der Wahrheit. Das Bistum hat gestern wegen ungeklärter rechtlicher Fragen die Pressekonferenz auf ein noch nicht bekanntes Datum verschoben.

Die Studie

Der Untersuchungszeitraum reicht zurück bis in die Amtszeiten der Kölner Kardinäle Josef Frings (1887-1978), Joseph Höffner (1906-1987) und Joachim Meisner (1933-2017). Auf den Prüfstand kommen auch die jeweiligen Generalvikare als Leiter der Kirchenverwaltung und die Personalchefs, darunter Norbert Feldhoff. Der inzwischen 80-Jährige amtierte fast drei Jahrzehnte lang unter Höffner und Meisner als Generalvikar.

Aber auch die Arbeit seiner Nachfolger, des heutigen Kölner Weihbischofs Dominikus Schwaderlapp und des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße, sind Gegenstand der Untersuchung. (kna)

„Ich bedauere, dass es zu dieser Verzögerung kommt, meine aber, dass wir im Interesse einer gründlichen und glaubwürdigen Untersuchung Rechtssicherheit brauchen, bevor wir die Ergebnisse dieser bislang einmaligen Aufklärungsarbeit veröffentlichen“, sagt Hofmann nun. Die Sorge des Bistums: Die „identifizierbare Darstellung“ der Missbrauchsfälle könnte gerichtlich angegriffen werden. Doch dieses Damoklesschwert hängt seit der Vergabe des Auftrags im Dezember 2018 über dem Verfahren. Warum sind erst wenige Tage vor der Veröffentlichung die Bedenken so groß, dass eine Pressekonferenz dazu verschoben werden muss? Hat vielleicht schon ein Geistlicher, der von der Nennung seines Namens ausgehen kann, eine Klage auf Unterlassung eingereicht?

Rechtliche Bedenken

Christoph Heckeley, Sprecher des Kölner Erzbistums, winkt ab: „Bei den rechtlichen Bedenken geht es um grundsätzliche juristische Fragen einer solchen unabhängigen Untersuchung. Diese haben das Vorhaben von Anfang an begleitet und sind immer wieder bewertet worden. Bis zuletzt konnten aber die Zweifel, ob eine identifizierbare Darstellung von Verantwortlichen im Falle eines Rechtsstreits auch vor Gericht Bestand hätte, nicht ausgeräumt werden.“ Man habe mit der Vergabe der Untersuchung Neuland betreten. Gründlichkeit müsse dabei vor Schnelligkeit gehen.

Antworten, die für die Opfer nicht ausreichen. „Das bedeutet, dass wir die Aufklärung und Aufarbeitung nicht der Täterorganisation überlassen dürfen“, sagt Matthias Katsch von der Opfervertretung „Eckiger Tisch“ zur der Terminverschiebung. Es hänge bislang vom Engagement Betroffener und einzelner Journalistinnen ab, dass das System aus Missbrauch, Versetzung und Vertuschung aufgedeckt werde. Katsch will es nicht der Einschätzung des Bistums überlassen, wann der Zeitpunkt für die Benennung von Schuldigen gekommen ist. Er fordert eine für alle Fälle verbindliche Gesetzgebung ein.

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