Frust im Erzbistum Köln„Der Kardinal will immer noch der beste und der erste sein“

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Woelki ist wieder da

Kardinal Rainer Maria Woelki 

Köln – Ein geflügeltes Wort im Karneval-verrückten Rheinland lautet: Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Das gilt nicht für das Erzbistum Köln. Vergangenen Mittwoch kehrte Kardinal Rainer Maria Woelki aus seiner fünfmonatigen Auszeit zurück, bot seinen Rücktritt an und bat um eine zweite Chance. Darauf reagieren Gremien und Kirchenbasis überwiegend verhalten bis kritisch.

Laien kritisieren, dass Woelki keine eigenen Fehler eingesteht

So nimmt der oberste Vertreter der Laien im Erzbistum, Tim Kurzbach, Anstoß an dem „Brief zum Aschermittwoch“, den Woelki zu seiner Rückkehr verfasst hat. Das Schreiben hinterlasse ein „ungutes Gefühl“, erklärte der Vorsitzende des Diözesanrats. „Schaut man genauer hin, dann benennt der Kardinal kein einziges konkretes eigenes Versagen, keinen einzigen konkreten eigenen Fehler, keine einzige wirkliche Schuld.“

Auch in den sozialen Medien herrscht Kritik vor

Die Kölner Wirren bilden sich auch auf Facebook, Twitter und Co. ab. Die Kommentare sind weit überwiegend kritisch und teils polemisch zugespitzt. Da ist von einem „Affenzirkus“ die Rede, da wird die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung die „Kuttenheinis“ noch haben. Auch der Blick auf kirchliche Online-Portale und die dort zu findenden Userkommentare zeigt, dass viele die Rückkehr Woelkis mit Bauchschmerzen aufnehmen. Manch einer begrüßt den Erzbischof aber auch und verteidigt ihn gegen die negative Stimmung.

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Kleine drängt auf schnelle Entscheidung des Papstes

Von einer „Hängepartie“ und einer unzumutbaren weiteren „Zeit der Unklarheit“ sprach der Kölner Stadtdechant Robert Kleine. Er appellierte an den Papst, möglichst schnell über das Rücktrittsgesuch zu entscheiden. Zentral für die Zukunft Woelkis im Erzbistum sei, ob der Kardinal seinen Leitungsstil ändere und zu mehr Teilhabe der Gremien und Gläubigen bereit sei. Kleines Amtskollege in Bonn, Wolfgang Picken, bekundete Zweifel daran, ob Geistliche und Gläubige die Bereitschaft und die Kraft hätten, mit dem Kardinal weiter zusammenzuarbeiten.

Diese Zweifel bestätigen auch von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) angefragte Seelsorger und Ehrenamtliche. Offen bleibe, wie die von Woelki in seinem Brief angekündigten Begegnungen stattfinden sollen, sagt etwa der Pastoralreferent an der Wuppertaler Citykirche, Werner Kleine. Er wünscht sich klarere Ansagen und attestiert seinem Erzbistum eine „schwierige, desaströse Situation“. Das Stimmungsbild in der Wuppertaler Gemeinde skizziert er indes als gemischt. Gerade aus der älteren Generation gebe es positive Rückmeldungen zu Woelki. „Das ist unser Erzbischof“, heiße es da.

Kritik an den zweideutigen Signalen

Eine „absolut unverständliche Widersprüchlichkeit“ im Verhalten Woelkis sieht Maria Hofer aus dem Kirchausschuss der Gemeinde Sankt Martin in Rheinbach: „Wie kann ich meinen Rücktritt anbieten und gleichzeitig mit den Menschen ins Gespräch kommen wollen für eine 'zweite Chance'?“ Entweder erkenne der Vatikan „in seiner absolutistischen Blase“ jetzt die Zeichen der Zeit und nehme den Rücktritt an - und dann seien Gespräche mit Woelki eigentlich nicht mehr zielführend: „Was aber passiert, wenn der Papst tatsächlich einen derart von allen Seiten in seiner Autorität beschädigten Bischof im Amt weiterwursteln lässt? Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“

Sorge um zerrüttetes Verhältnis zu den Gläubigen

Christoph Bersch, Kreisdechant im Oberbergischen, sieht „mit großer Sorge, dass die Beziehung zwischen Erzbischof und einer großen Mehrheit der Gläubigen - und zwar quer durch die Gemeinden - zerrüttet ist“. Er berichtete von einer Online-Konferenz des Kreiskatholikenrates. Als ihre größten Sorgen hätten die Teilnehmenden benannt, dass die Kirche weiterhin an Glaubwürdigkeit verliere und das zerbrochene Vertrauen mit den jetzt handelnden Verantwortlichen nicht wieder aufgebaut werden könne. Bersch bekundet die Hoffnung, dass es Woelki mit der Einladung zu Gesprächen ernst meine. Daran habe es in der Vergangenheit oft gemangelt.

Für den Leiter der Kunst-Station Sankt Peter in Köln, Stephan Kessler, wäre es ein Befreiungsschlag, wenn Woelki den Bischofsstuhl räumen würde - auch ohne päpstliche Erlaubnis. Bis auf eher kleine konservative Randgruppen habe der Kardinal bei niemandem mehr Vertrauen. Deutliche Kritik übt er an dem Hirtenbrief. „Der Kardinal will immer noch der beste und der erste sein: Zuerst in der Aufklärung, in der Betroffenenperspektive, jetzt als demütiger Bischof“, so Kessler.

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Durchaus angerührt von der Offenheit Woelkis in seinem Brief zeigt sich dagegen der Kölner Schulseelsorger Dirk Peters, verweist aber zugleich auf das zerrüttete Vertrauen. „Es geht grundsätzlich um die Art und Weise der Leitung dieses Bistums, der Selbstherrlichkeit und Unwahrhaftigkeit.“ Unter Lehrern und Eltern am Ursulinengymnasium gebe es die einhellige Meinung, dass die Strukturen der Kirche sich stark ändern müssten.

Von solchen Forderungen sind auch die Sozialen Medien voll. Hier glaubt kaum jemand, dass der Papst das Rücktrittsangebot annehmen wird. Stagnation und weitere Kirchenaustritte werden befürchtet. Unbegründet ist das wohl nicht. Eine Bonner Pfarreiengemeinschaft hat eine Umfrage unter Ausgetretenen gemacht: Rund 85 Prozent begründeten ihre Entscheidung mit den Vorkommnissen im Erzbistum Köln und der Kirche insgesamt. (kna) 

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