Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

GarzweilerErst 2045 ist Schluss

Lesezeit 4 Minuten

Braunkohlebagger fördern Kohle im Tagebau Garzweiler.

Düsseldorf – Auch im verkleinerten Braunkohletagebau Garzweiler II kann "weit über das Jahr 2030 hinaus" Kohle abgebaut werden. Die Verkleinerung bedeute keinen Ausstieg aus der Braunkohle. Das stellte NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) am Mittwoch in einer Sondersitzung des Landtags-Wirtschaftsausschusses klar. "Die erteilten Genehmigungen sehen ein Auslaufen für das Jahr 2045 vor." Dabei müsse die Kohleförderung schrittweise gesenkt werden.

Überraschend hatte die Landesregierung am Freitag mitgeteilt, dass der 48 Quadratkilometer große Tagebau Garzweiler II deutlich verkleinert und rund 300 Millionen Tonnen von 1,3 Milliarden Tonnen weniger ausgebaggert werden sollen, um die Umsiedlung von 1500 Menschen im rheinischen Holzweiler und im Gut Dackweiler zu vermeiden. Berichte, dass damit der gesamte vierte Bauabschnitt nach 2030 gestoppt würde, wies SPD-Experte Rainer Schmelzer entschieden zurück. NRW gebe grünes Licht für den vierten Abschnitt - dann soll um Holzweiler herumgebaggert werden. Die SPD war gestern erkennbar bemüht, den auch von den Grünen erzeugten Eindruck, das kurzfristige Ende der Braunkohle sei besiegelt, zu verwischen.

Der Braunkohlentagebau Garzweiler II blickt auf eine jahrzehntelange Planungsphase und heftigen politischen Streit zurück. Die juristischen Auseinandersetzungen durch alle Instanzen dauern bis zum heutigen Tag an.

August 1987: Das Bergbauunternehmen Rheinbraun AG beantragt den Tagebau Garzweiler II mit einer Fläche von 66 Quadratkilometern.

September 1991: Die NRW-Landesregierung begrenzt aus ökologischen Gründen das Abbaufeld auf 48 Quadratkilometer.

April 1997: Der NRW-Verfassungsgerichtshof weist eine Klage der Grünen-Landtagsfraktion gegen die Genehmigung des Tagebaus ab. Auch mehrere Kommunen scheitern mit ihren Klagen.

Dezember 1997: Das Bergamt Düren genehmigt den Rahmenbetriebsplan. Die rot-grüne Koalition in NRW, die seit Jahren heftig über Garzweiler II streitet, steht deshalb kurz vor den Aus.

Juni 2006: Der Tagebau geht in Betrieb. Rund 40 Jahre lang könnten sechs Prozent des deutschen Strombedarfs aus Garzweiler II gedeckt werden, teilt RWE Power mit. Rund 30 Prozent der 7600 Menschen, die ihre Dörfer verlassen müssen, sind zu diesem Zeitpunkt umgesiedelt.

August 2012: RWE nimmt ein 2,6 Milliarden Euro teures Braunkohle- Kraftwerk in Grevenbroich-Neurath in Betrieb. Dort wird auch Kohle aus Garzweiler verbrannt.

Juni 2013: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über Rechtmäßigkeit von Enteignungen für den Tagebau. Dabei geht es auch um eine Obstwiese des Umweltverbandes BUND.

Grünen-Fraktionschef Rainer Priggen betonte, dass im rheinischen Braunkohlerevier mit Garzweiler, Hambach und Inden bei dem heutigen Abbautempo mit 100 Millionen Tonnen jährlich noch 29 Jahre lang gefördert werden könne. Allerdings sei er der Meinung, dass RWE diesen Zeitrahmen aufgrund der Entwicklung der Energiewende "bei weitem nicht nutzen wird".

In der Debatte warfen Politiker der Opposition aus CDU und FDP der SPD vor, sie sei bei der Braunkohle vor den Grünen "eingeknickt". Es sei erschreckend, wie fahrlässig die SPD die falsche Weichenstellung der Grünen in der Energiepolitik übernehme, sagte Dietmar Brockes (FDP). Thomas Kufen (CDU) sprach von einem "Handstreich", weil Rot-Grün die wichtige Entscheidung am Parlament vorbei getroffen habe.

Duin kündigte bis Mitte 2015 eine neue Leitentscheidung an, um für den Zeitraum nach 2030 eine klare Perspektive für die Region zu bieten. Mit der jetzigen Kabinettsentscheidung sei der Kohleabbau in Garzweiler mindestens bis 2030 gesichert und Preisstabilität wie Versorgungssicherheit gewährleistet. Der SPD-Abgeordnete Rainer Christian Thiel hatte mit sechs Sozialdemokraten kritisiert, dass sich Rot-Grün schon jetzt "ohne Not" auf eine Verkleinerung des Abbaugebiets festgelegt habe. Thiel begrüßte aber, dass es Klarheit für die Umsiedlungspläne im Tagebauabschnitt drei gebe - Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich und Beverath werden umgesiedelt.

Die Grünen sehen weniger Bedarf für den Braunkohle-Tagebau, auch weil ein höherer Wirkungsgrad bei der Verstromung durch moderne Kraftwerke möglich sei. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte dagegen vor dem Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen im Braunkohlerevier gewarnt, wenn das Abbaugebiet verkleinert wird. Auch die Gewerkschaft IGBCE fürchtet eine Fehlsteuerung in der Energieversorgung. Die Landesregierung plant für kommenden Mittwoch eine Regierungserklärung im Landtag, um weitere Klarheit über ihre Pläne zu schaffen.