Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

SpannungenKlassische Musik statt Tiktok: So ließen sich 500 Kinder in Heimbach begeistern

Lesezeit 5 Minuten
Zwei Männer stehen auf der Bühne, um sie herum Instrumente.

Mit komödiantischen Elementen peppten die Schlagzeuger Stefan Rapp und Hans-Kristian Kjos Sørensen ihre Performance auf.

Klassik und Jugend – dass diese Verbindung durchaus funktionieren kann, zeigt ein Konzert beim Spannungen-Festival in Heimbach.

Wer sich in den Konzertsälen wie dem Jugendstilkraftwerk in Heimbach während der „Spannungen“ umschaut, wenn klassische Musik auf dem Programm steht, wird schnell feststellen: Dort ist in der Regel jugendfreie Zone. Während die älteren Generationen in die Philharmonie gehen und der Kammermusik frönen, vergnügt sich die Jugend bei TikTok oder den anderen sozialen Netzwerken.

Dies zu ändern, ist erklärtes Ziel der Verantwortlichen des Kunstfördervereins Düren und des künstlerischen Leiters der Spannungen, dem Violinisten Christian Tetzlaff. Die Vermittlung sei schwierig, sagte er: „Wir wissen, womit Kinder sich heutzutage beschäftigen – das ist ein ziemlich krasser Gegenentwurf.“

Durch Musik kommt man besser an die Gefühle als durchs Internet

Doch unmöglich sei es keineswegs: „Kinder erleben in der Musik, dass es Dinge geben kann wie Ausdruck, Liebe, Mitgefühl, Lustigkeit.“ Tatsächlich werde derartiges gerade von jungen Kindern begeistert aufgenommen.

Das weiß Tetzlaff aus Erfahrung: „Ich erlebe das, wenn ich in die Schule gehe und langsame Bachsätze, dann vielleicht einen wilden Bartók spiele, dass die Ohren dafür total offen sind.“ Es sei aber wichtig, an die eigenen Gefühle heranzugehen – und das funktioniere durch die Musik eben ganz anders als durch das Internet.

Heimbacher Spannungen: Neuer Programmpunkt für Familien

Die Jugend für klassische Musik zu begeistern, ist also einer der Schwerpunkte, den Tetzlaff in den Spannungen realisieren will. Neu entstanden ist aus diesem Grunde das Konzert am Sonntagmorgen, mit dem beispielsweise Familien der Besuch von Konzerten ermöglicht und attraktiv gemacht werden soll.

Rund 550 Kinder sitzen im Konzertsaal und schauen auf das, was auf der Bühne geschieht.

Andächtiges Schweigen war weder nötig noch erwünscht, als 500 Kinder zum Schulkonzert den Saal im Kraftwerk bevölkerten.

Isabelle Vogt, geschminkt und mit einem gebastelten Rentiergeweih auf dem Kopf, steht vor dem Kraftwerksgebäude in Heimbach.

Gerne ein Teil der Heimbacher Spannungsfamilie ist Isabelle Vogt, die Tochter des 2022 verstorbenen Festivalgründers Lars Vogt.

Eine liebgewonnene Tradition dagegen ist bereits seit vielen Jahren das Schulkonzert der Spannungen, bei dem die Künstler sehr gerne auf der Bühne stehen. Der Zuschauerraum im Jugendstilkraftwerk wird dann von rund 550 Schulkindern aus der Region erobert.

Mit dabei waren in diesem Jahr das Burgau-Gymnasium Düren, das Katholische Mädchengymnasium Jülich, die Grundschulen Heimbach sowie Eschweiler über Feld, Obermaubach, Lendersdorf und die FC-Schule Düren. Organisiert hatte das Konzert wie bereits seit mehreren Jahren Pia Hoffmann vom Arbeitskreis Spannungen des Kunstfördervereins Kreis Düren.

Aachener Domsingschule eröffnete das Konzert für den Nachwuchs

Als Empfänger des RWE-Förderpreises 2025 für besonderes musikalisches Engagement eröffnete die Abordnung der Domsingschule Aachen das Konzert. Mit dem „Froschkonzert am See“, dem „Kleinen Tausendfüßler“ und dem „Raphuhn“ brachten die jungen Sänger ihre Altersgenossen in Stimmung.

Und die gab es reichlich im Kraftwerks-Konzertsaal. Dort, wo normalerweise andächtige Stille herrscht, wo im Vorfeld Hustenbonbons verteilt werden und wo sogar das Klicken von Fotokameras als unerwünschtes Geräusch gilt, ging es nun völlig anders und so viel lebhafter zu.

Isabelle Vogt, Tochter des Festivalgründers, trug Rentiergeweih

Hier wurde getuschelt, dort geruckelt, hier geplaudert und dort geraunt. Leise wurde es erst, als Schauspielerin Isabelle Vogt, die das Konzert stilecht mit einem Rentiergeweih geschmückt moderierte, die Kinder zum Mitmachen aufforderte.

Sie sollten beschreiben, welche Bilder sie gehört haben, als Zoltán Fejérvári, Marie Tetzlaff, Sharon Kam, Pablo Neva Collazo und Rie Koyama das Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott in Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart spielten. „Eine Beerdigung“ hatte ein Mädchen gehört, ein Junge einen Streit und ein anderes Mädchen eine Verfolgungsjagd – „so wie bei Tom und Jerry“.

Wir wissen, womit Kinder sich heutzutage beschäftigen – das ist ein ziemlich krasser Gegenentwurf.
Christian Tetzlaff

Das Thema des Vormittags war „Tiere in der Musik“. So waren in dem von Isabelle Vogt moderierten Konzert der Mückentanz von Béla Bartók ebenso zu hören wie Auszüge aus dem Klassiker „Peter und der Wolf“ und der Schwan aus dem „Karneval der Tiere“.

Eine spontane Improvisation nach den Wünschen des jungen Publikums spielten Sharon Kam an der Klarinette, Leif Ove Andsnes, Klavier und Tetzlaff. Ein Pferd, ein Erdmännchen und eine Schlange, die sich um eine Kugel Eis streiten und sich schließlich friedlich einigen.

Christian Tetzlaff brachte seine Geige überzeugend zum Wiehern

Das war die Vorgabe für die Musiker – wobei es Tetzlaff gelang, seine Geige überzeugend zum Wiehern zu bringen. Beendet wurde das Konzert mit einer Schlagzeug-Musik-Performance von Stefan Rapp und Hans-Kristian Kjos Sørensen, die mit komödiantischen Elementen aufgepeppt   war.

Ein Erlebnis für die Kinder, die teilweise auch ein wenig vorbelastet in dieser Form der Musik waren. So waren etwa Kinder aus der Bläserklasse der Heimbacher Grundschule Schönblick dabei.

Gleich mehrere Schüler dieser Klasse haben sich die Klarinette als Instrument ausgesucht. Auch diese Wahl war nicht ganz zufällig und hat etwas mit den Spannungen zu tun: Vor zwei Jahren war eine Klarinettistin, die beim Festival aufspielte, in der Schule zu Gast – und hat offenbar Eindruck hinterlassen.


Spannungen 2025: 7000 Besucher kamen zu den Konzerten

„Erschütternd problemlos“ – das ist das Fazit des künstlerischen Leiters der „Spannungen“, Christian Tetzlaff,   zum diesjährigen Festival. Trotz logistischer Herausforderungen, etwa dem Aufbau zweier Flügeln für ein Konzert, habe alles funktioniert, sagte der weltbekannte Violinist. Sehr angenehm: Dank des warmen und trockenen Wetters konnten die Musiker nach den Konzerten draußen sitzen, um die Abende Revue passieren zu lassen.

Fast ausverkauft war das Familienkonzert am Sonntag, das mit seinem Konzept bei Erwachsenen und Jugendlichen gleichermaßen gut ankam, wie Georg Witteler, Sprecher des Arbeitskreises Spannungen im Kunstförderverein Kreis Düren, mitteilte. „Das war ein großer Fortschritt“, sagte er.

Isabelle Vogt, Tochter des Festivalgründers Lars Vogt, hat eine neue Geschichte zum „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns geschrieben, die die Handlung auf einen See im Wald verlegte und viele Überraschungen für Erwachsene bot. Trotz der Hitze habe konzentrierte Stille im Jugendstilkraftwerk geherrscht, und so gab es zur Abkühlung in der Pause auch genug Eis für die rund 500 Zuhörer.

Rund 7000 Besucher haben insgesamt die Konzerte der Spannungen 2025 besucht, so Witteler. Gut angenommen wurde auch die Vorführung des Dokumentarfilms über Richard Strauß, ebenfalls eine Neuerung im Programm. Zahlreich seien auch die Besucher der öffentlichen Proben gewesen, die in diesem Jahr wieder angeboten worden seien.