Kann der 20-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump für den Gazastreifen funktionieren? Und was käme auf die geplante Zivilverwaltung und die Sicherheitskräfte zu? Fragen an den Kölner Politologen Thomas Jäger.
Gaza-FriedensplanWiederholen die USA ihre Fehler aus dem Irak-Krieg, Herr Jäger?

Demonstrative Eintracht: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei Donald Trump im Weißen Haus.
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Herr Jäger, US-Präsident Donald Trump hat nicht nur Israels Zustimmung zu seinem Friedensplan erhalten, sondern nach seinen Angaben haben auch die maßgeblichen arabischen Staaten zugestimmt – und wenn die Hamas jetzt nicht Ja sagt, soll Israel freie Hand haben. Kann man sich wirklich vorstellen, dass die Araber das so sehen?
Nein. Zumindest ist da noch die Türkei im Spiel, deren Präsident Recep Tayyip Erdogan sich immer wieder auf die Seite der Hamas gestellt hat. Wenn Trump nun sagt, wenn die Hamas nicht zustimme, könne er auch nichts mehr machen, dann ist das die gleiche Form der Erpressung, die er auch im Ukraine-Krieg versuchte.
Andererseits, wenn die Hamas zustimmt, dann will sich Trump engagieren …
Darüber bin ich noch viel stärker verwundert. Trump gehörte zu den großen Kritikern des Irak-Krieges. Und jetzt geht er auf eine Position ein, die die USA auf Jahre hinaus zu einem Staatsaufbau im Nahen Osten verpflichtet.
Wie das der US-Abgesandte Paul Bremer im Irak versucht hat?
So ist es. Der US-Präsident würde den Vorsitz eines Gremiums übernehmen, das de facto die Regierung stellt. Und die übrigen involvierten Staaten verfolgen unterschiedliche Interessen, die Türkei hat ganz andere als Ägypten. Die Sicherheitskräfte, die den Gazastreifen nach und nach von Israel übernehmen sollen, müssten US-amerikanisch dominiert sein.
Stellen wir uns mal vor, ein paar Hamas-Funktionäre in Katar unterschreiben das. Fügen sich dann auch die Hamas vor Ort und andere bewaffnete Gruppen?
Eine berechtigte Frage. Im Irak hat man gedacht, wenn der Bösewicht weg ist, können Technokraten die Aufgabe objektiv abarbeiten. Trumps 20 Punkte sind von der gleichen Idee geprägt, und das ist natürlich Unsinn. Umfragen aus den Palästinensergebieten zeigen, dass eine Mehrheit das Massaker vom 7. Oktober nach wie vor für richtig hält. Sogar in der jüngsten Umfrage vom Mai 2025 waren 70 Prozent gegen eine Entwaffnung der Hamas. Die Hamas genießt immer noch mehr Zustimmung als die Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas.
Glauben Sie, dass Trump selbst seinen Plan für realistisch hält?
Sein Motiv ist der Friedensnobelpreis, den er unbedingt haben will. Und die Israelis sagen sich: Wir können uns nicht dagegenstellen, aber die Hamas wird ja sowieso nicht mitmachen, also wird nichts daraus. Aber Trumps Annahme, mit der Einstellung der Waffengewalt sei der Hass weg, wird der Realität nicht gerecht.
Müsste man da ganz anders ansetzen, in der Bildungsarbeit etwa?
Das ist richtig, aber das wird auch seit Jahrzehnten versucht. Denken Sie an das israelisch-palästinensische Orchester von Daniel Barenboim. Aber es gibt Gegenkräfte auf der einen Seite, die das Existenzrecht Israels bestreiten, und auf der anderen solche, die keinen Palästinenserstaat wollen. Und jetzt will man mit Kräften, die neutral sein sollen, da reingehen und gleichzeitig den Gazastreifen so kleinteilig überwachen sollen, dass keine Munition reinkommt. Damit überhebt man sich völlig.
Wie viele Leute würde man für diese Überwachung brauchen?
Eine fünfstellige Zahl wäre schon knapp bemessen, und dann müssen immer Reserven bereitstehen, um eine Rotation zu ermöglichen. Überwacht werden muss auch die Küste. Und dann haben wir noch ein Paradoxon: Für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung müssten die Grenzen möglichst offen sein. Die Idee, der Wiederaufbau ließe sich in zwei, drei Jahren machen, ist unrealistisch. Und je länger es dauert, desto tiefer werden die Fallgruben.
Sind andere Staaten denn bereit, sich darauf einzulassen?
Zunächst sagen alle ja, weil sie wissen, wenn man Trump widerspricht, fällt ihm etwas Bösartiges ein. Zum Schwur kommt es bei zwei Fragen: Wer zahlt wie viele Milliarden? Und wer stellt wie viele Zehntausend Soldaten bereit?
Bundesaußenminister Johannes Wadephul hat sich dazu schon vorab äußerst zurückhaltend zur deutschen Beteiligung an einer Friedenstruppe geäußert.
Wir müssen uns diesem Druck entziehen. Dagegen werden alle nach Saudi-Arabien, nach Katar und in die Emirate schauen, Motto: Das macht Ihr jetzt. Das Geld anderer ist immer schnell ausgegeben, aber die Frage der Truppen ist äußerst kompliziert. Wer bekommt den Oberbefehl? Wenn Erdogan sich bereit erklären sollte, 25.000 Leute zu schicken, was sagen die Araber? Da bräche kein Jubel aus. Trumps Plan ist viel zu optimistisch, und keiner der 20 Punkte sagt, was passiert, wenn etwas nicht klappt.

Prof. Thomas Jäge lehrt Internationale Politik an der Universität zu Köln.
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