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Politische FreundeKanzler Scholz zu Besuch in Washington

Lesezeit 5 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz (r) reist zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt zu US-Präsident Joe Biden nach Washington.

Bundeskanzler Olaf Scholz (r) reist zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt zu US-Präsident Joe Biden nach Washington.

Für Kanzler Scholz ist US-Präsident Biden nicht nur der mächtigste Verbündete, sondern auch ein Bruder im Geiste.

Diese Reise nach Washington hat schon etwas Geheimnisvolles. Der nagelneue Regierungsflieger „Konrad Adenauer“ ist ziemlich leer, als er am frühen Donnerstagabend in Berlin in Richtung US-Hauptstadt abhebt.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat wie üblich seine engsten Mitarbeiter aus dem Kanzleramt dabei und natürlich seine Sicherheitskräfte. Journalisten, sonst meistens so um die 25, dürfen diesmal aber nicht mit – sehr ungewöhnlich bei einem so wichtigen Reiseziel. Auch Wirtschaftsleute sind nicht dabei. Der Kanzler will also seine Ruhe haben.

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Am Flughafen in Washington wird Scholz vom Protokollchef, dem US-Diplomaten Rufus Gifford empfangen. Stille Ankunft nennt man das. Für den Abend ist nichts Offizielles mehr geplant.

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Überhaupt hat Scholz auf dieser Reise nur einen offiziellen Termin: ein Gespräch mit US-Präsident Joe Biden am Freitag im Weißen Haus unter vier Augen – ohne die sonst übliche anschließende Pressekonferenz. Bilder, von den beiden, wird es nur vom Auftakt des Gesprächs im Oval Office geben, dem Arbeitszimmer des Präsidenten.

Biden machte vergangene Woche Bogen um Berlin

Es ist ein sehr vertraulicher Besuch, von dessen Ergebnissen man anschließend wohl nicht viel erfahren wird. Hauptthema: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Eigentlich hätte das Gespräch auch schon vergangene Woche stattfinden können, als Biden die Ukraine und Polen besuchte.

Der US-Präsident machte aber nur einen kurzen Zwischenstopp auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. Auf den ersten Berlin-Besuch Bidens, seit dessen Vereidigung vor gut zwei Jahren, muss Scholz weiter warten.

Umgekehrt ist der Kanzler nun schon zum zweiten Mal in den 15 Monaten seit seinem Amtsantritt in Washington. „Es ist ein Ausdruck der Qualität der transatlantischen Beziehungen und auch der guten Zusammenarbeit zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem deutschen Bundeskanzler, dass wir uns sehr viel und sehr oft austauschen und unterhalten“, sagt er vor dem Abflug.

Brüder im Geiste: Unspektakulär, besonnen, ergebnisorientiert

Für Scholz ist es nicht nur ein Besuch bei seinem mächtigsten Verbündeten, sondern auch bei einem politischen Freund, den er als Bruder im Geiste sieht. Wenn Scholz über Biden spricht, gerät er fast schon ins Schwärmen. Auf der internationalen Bühne gibt es niemanden, der vom politischen Stil her so gut zu ihm passt, wie der 80-jährige US-Präsident: Unspektakulär, aber auch unaufgeregt, besonnen und vor allem ergebnisorientiert.

Im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist Biden für Scholz so etwas wie eine Leitfigur geworden. Wenn der Kanzler davon spricht, dass er bei den Waffenlieferungen keine Alleingänge machen möchte, meint er vor allem: nicht ohne die Amerikaner. Das war bei der Lieferung von Mehrfachraketenwerfern so, bei den Patriot-Luftabwehrsystemen und bei den Schützenpanzern. Bei den Kampfpanzern lief es dann aber nicht ganz so glatt und einvernehmlich.

Botschaft des Biden-Beraters vor dem Besuch

Ende Januar verkündeten Scholz und Biden zwar fast synchron, dass Deutschland Leopard 2 und die USA ihre Abrams in die Ukraine liefern würden. Der US-Präsident dankte dem Kanzler für seine „Führungsstärke“ und „sein unerschütterliches Engagement“ für die Ukraine. Doch schon damals gab es Berichte, Scholz habe die Lieferung der Abrams zur Bedingung für seine Leopard-Zusage gemacht. Das Kanzleramt dementierte das. Biden, dessen Verteidigungsministerium den Einsatz von Abrams in der Ukraine bislang als unpraktikabel eingestuft hatte, beteuerte, er sei nicht zu einer Zustimmung „gezwungen worden“.

Doch kurz vor dem Kanzler-Besuch im Weißen Haus, meldete sich dann Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan in einem Fernsehinterview mit der überraschenden Aussage zu Wort, dass es ein solches Junktim doch gegeben habe. Im Interesse „der Einheit des Bündnisses“ und „um sicherzustellen, dass die Ukraine bekommt, was sie will“, habe Biden der langfristigen Lieferung von Abrams-Panzern zugestimmt - obwohl sie nicht das seien, was die Ukraine im Moment militärisch brauche.

Der Zeitpunkt von Sullivans Aussage und das gewählte Format vermitteln den Eindruck, dass die US-Regierung gezielt eine Botschaft an den Adressaten Scholz loswerden wollte. Gut möglich ist auch, dass sie die Erwartungen an die Abrams-Panzer dämmen wollen – sowohl was eine baldige Bereitstellung angeht als auch ihre Leistung auf dem Schlachtfeld.

Konfliktthema US-Investitionsprogramm

Noch ein anderes Thema birgt derzeit Konfliktpotenzial zwischen den USA und Deutschland. Biden hat im vergangenen Sommer ein milliardenschweres US-Investitionsprogramm auf den Weg gebracht. Es sieht Investitionen in den Klimaschutz vor, knüpft viele Subventionen und Steuergutschriften aber daran, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren. Das Inflationsbekämpfungsgesetz, auf Englisch Inflation Reduction Act (IRA), ist ein wichtiger innenpolitischer Erfolg für den US-Präsidenten.

In Berlin und Europa aber kommt Bidens „Made in America“-Ansatz nicht so gut an. Die Sorge vor Wettbewerbsnachteilen ist groß. Scholz forderte in einer Regierungserklärung Anfang Februar ein Entgegenkommen der USA und warnte vor einem Subventionswettlauf. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und sein französischer Kollege Bruno Le Maire warben etwa zeitgleich in Washington für eine europafreundliche Anwendung des Gesetzes, kehrten aber ohne konkrete Zusagen zurück.

„Was ist eigentlich Sinn und Zweck dieser erneuten Reise?“

Was am Ende bei dieser Reise herauskommen kann, treibt auch die Opposition in Berlin um. „Was ist eigentlich der Sinn und Zweck dieser erneuten Reise“, fragte der CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz am Donnerstag im Bundestag. „Sie ist weder vorbereitet, mit dem, was Sie uns hier heute gesagt haben, noch nehmen Sie Journalisten mit, noch haben Sie dort ein Abschlusskommuniqué vorbereitet.“

Beim Auftakt des Gesprächs im Oval Office wird man von beiden wohl nur ein paar warme Worte hören. So wie vor einem Jahr, als Scholz den US-Präsidenten zum ersten Mal besuchte, kurz vor der russischen Invasion in der Ukraine. Scholz wurde damals in den USA vorgeworfen, an der Gaspipeline Nord Stream 2 festzuhalten, obwohl russische Truppen schon an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert waren. Biden stärkte dem Kanzler trotzdem den Rücken: „Deutschland ist einer der engsten Verbündeten Amerikas“, sagte er zum Auftakt des Gesprächs.

CNN-Interview statt Pressekonferenz

Damals gab es anschließend die übliche gemeinsame Pressekonferenz und obendrauf ein Fernsehinterview des Kanzlers beim US-Sender CNN. Letzteres gibt es auch diesmal, mit dem Journalisten Fareed Zakaria. Geheimnisse aus dem Gespräch mit Biden dürfte Scholz aber auch da nicht ausplaudern. (dpa)

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