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Szenario in Sachsen-AnhaltWenn die AfD die absolute Mehrheit hätte …

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In den Umfragen liegt die Partei bei 30 Prozent.

In den Umfragen liegt die Partei bei 30 Prozent.

In Sachsen-Anhalt träumt die Partei von der Alleinregierung: 2026 wird dort gewählt – Welche Folgen hätte ein Wahlsieg?

Berlin. Angenommen, es kommt so, wie es sich die AfD erhofft. Ein Ergebnis von knapp über 40 Prozent bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, die absolute Mehrheit. In der Partei wird offenbar schon vorgerechnet, dass ein solches Resultat für eine Alleinregierung reichen könnte. Noch ist es nicht so weit, gewählt wird erst am 6. September 2026. Doch die AfD schöpft ihren Optimismus aus dem Ergebnis der Bundestagswahl im Februar: In Sachsen-Anhalt holte sie alle Direktmandate, erreichte 37 Prozent der Zweitstimmen und ließ die CDU mit nur 19 Prozent weit hinter sich.

AfD in der Landespolitik: Was wäre wenn?

Sollte der Fall also tatsächlich eintreten: Die AfD zieht in die Staatskanzlei in Magdeburg ein, kann allein regieren, stellt alle Minister und hätte in den Ausschüssen die meisten Sitze. Welche Konsequenzen hätte ein solches Szenario? Für das Land, für den Bund?

„Unsere Demokratie ist sehr resilient. Eine neue Regierung kann nicht auf Knopfdruck alles verändern“, sagt Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Uni Kassel. Zumindest kurz- und mittelfristig wären die Einflussmöglichkeiten einer regierenden AfD strukturell begrenzt.

„Der gesamte Staatsapparat muss mitziehen, was in einer Diktatur ja weniger ein Problem ist, in einer liberalen Demokratie mit Checks und Balances aber schon.“ Wenn sich die Verwaltung quer stelle, müsste die Partei permanent mit „einer Art innerer Notverordnung“ regieren. „Das würde sehr anstrengend, verlangt ein entsprechendes Umfeld, was es gegenwärtig nicht gibt und deshalb wird die Idee eines schnellen Durchregierens wohl eher nicht funktionieren.“

Für den Politologen ist es daher wahrscheinlich, dass die AfD versuchen würde, den Staatsapparat personell auf Linie zu bringen. Besonders kompliziert dürfte ein Umbau des Landesverfassungsgerichts werden: Für die Wahl neuer Richter braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Und die hätte die AfD selbst bei einer absoluten Mehrheit nicht.

Schroeder geht davon aus, dass sich die AfD erstmal auf symbolpolitische Dinge konzentrieren würde. In Sachsen-Anhalt hat die Landtagsfraktionen bereits gefordert, den Landesslogan mit dem Titel „#moderndenken“ durch eine Imagekampagne mit dem Titel „#deutschdenken“ zu ersetzen und den „Stolz-Pass“ für den Besuch historischer Stätten einzuführen. Das wären Vorhaben, die die AfD wohl relativ zügig umsetzen könnte. Dazu gehöre auch ein Verbot von Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden.

Auswirkungen auf die Medien: Kündigung des Medienstaatsvertrags?

Die Kündigung des Medienstaatsvertrags hält Schroeder ebenfalls für möglich. Die AfD betrachtet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Instrument für „Indoktrination und Propaganda“, der in dieser Form abgeschafft gehört. Ein Ausstieg aus dem Staatsvertrag hätte weitreichende Folgen für die Medienpolitik des Bundeslandes: keine Beteiligung mehr an ARD, ZDF und MDR. Ob das Bundesverfassungsgericht eine Kündigung am Ende stoppen könnte, ist fraglich.

Eine AfD-Landesregierung würde wohl auch keine Gelder mehr an Demokratieprojekte und Anti-Rassismus-Programme verteilen, glaubt Schroeder. Die AfD wettert gern gegen solche Förderprogramme, sieht darin staatliche Finanzierung linksextremistischer Projekte. Stattdessen könnten die Mittel aus dem Landeshaushalt an Vereine gehen, die sich besonders heimatverbunden zeigen.

Bildungspolitik unter AfD-Führung: Lehrpläne im Visier

Darüber hinaus könnte die Partei Bildungseinrichtungen ins Visier nehmen. Schon lange macht die Partei Stimmung gegen die Aufklärung über sexuelle Vielfalt, warnt vor einer angeblichen Frühsexualisierung an Schulen und Kitas. Allerdings: Ohne Weiteres könnte die AfD nicht in die Lehrpläne eingreifen.

Die Partei müsse „die vorhandene Lehrplankommission austauschen und dies wird nicht nach Belieben gehen“, erklärt Schroeder. Die Kommission ist dafür zuständig, im Auftrag des Bildungsministeriums die fachlichen Inhalte für den Schulunterricht zu entwickeln. Anders als in den USA könne die AfD auch nicht willkürlich altes Personal entlassen und durch neues ersetzen.

Migrationspolitik: Begrenzte Spielräume für die AfD

Bei der Migration, dem Kernthema der AfD, müsste die Partei Vorgaben vom Bund umsetzen. Sachsen-Anhalt könnte sich nicht weigern, Asylbewerber aufzunehmen, die nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt werden. „Sie kann aber sehr wohl den Spielraum nutzen, um das Leben der Menschen spürbar unbequemer zu machen, etwa durch strengere Regeln bei der Existenzsicherung, die den Alltag deutlich einschränken“, so Schroeder.

Sollte sich eine Landesregierung ihren Pflichten verweigern, könnte der Bund Maßnahmen ergreifen, die insbesondere ein Nehmerland wie Sachsen-Anhalt empfindlich treffen würden. „Sachsen-Anhalt könnte von bestimmten Zahlungen ausgeschlossen werden, weil der Bund seine Zuwendungen innerhalb seines Ermessensspielraums so gestalten kann, dass das Land nicht berücksichtigt wird“, sagt Schroeder. Denkbar wäre auch, dass die Bundesregierung Großprojekte in Sachsen-Anhalt, wie die geplante Chipfabrik in Magdeburg, künftig nicht mehr fördert.

Langfristige Gefahr: Schleichende Veränderungen unter AfD-Regierung

Doch der Politikwissenschaftler warnt: Das Gefährliche an einer regierenden AfD wäre womöglich weniger ein radikales Vorgehen, sondern behutsam vorgenommene Veränderungen. Denn das würde der Strategie der Selbstverharmlosung dienen. Auf eine schnelle Selbstentzauberung der Partei setzt Schroeder wiederum nicht. „Die Quelle für die Wahl dieser Partei ist eine Melange aus Überzeugung, Protest und Nichtwissen“, sagt er. „Vielleicht verliert die AfD in den Umfragen ein paar Prozentpunkte, aber einen massenhaften Wählerverlust wird es nicht geben.“

Noch ist längst nicht ausgemacht, dass die AfD die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gewinnen wird. Aktuell liegt sie in Umfragen vier Prozentpunkte hinter der CDU, die mit rund 34 Prozent weiterhin stärkste Kraft ist. Zudem denkt der christdemokratische Ministerpräsident Reiner Haseloff über eine dritte Amtszeit nach. Es wäre ein Signal der Stabilität in unruhigen Zeiten. Schon bei der letzten Wahl 2021 konnte Haseloff die AfD mit großem Abstand schlagen. Ob das abermals gelingt, entscheidet sich am 6. September 2026.