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Amtsgericht BonnJustiz nimmt Onlinedienst Telegram ins Visier

Lesezeit 3 Minuten
Das Logo von Telegram ist auf einem Handybildschirm zu sehen.

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Gab es Nachlässigkeiten beim Umgang mit Beschwerden? Beim Bonner Amtsgericht sind Bußgeldbescheide über 5,1 Millionen Euro anhängig.

Die deutsche Justiz geht gegen den Onlinedienst Telegram vor: Beim Amtsgericht Bonn sind zwei Bußgeldbescheide über insgesamt 5,1 Millionen Euro gegen die Internetplattform eingegangen. Das bestätigte am Freitag ein Gerichtssprecher auf Anfrage dieser Zeitung. Die Bescheide hat das in Bonn ansässige Bundesamt für Justiz (BfJ) erlassen, Amtsrichter entscheiden über die Zulässigkeit, nachdem eine Rechtsanwaltskanzlei im Auftrag des Unternehmens Einspruch eingelegt hat.

Telegram: Sind die Meldewege zu kompliziert?

Das BfJ beruft sich in dem Verfahren auf das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Netz-DG), das Anbietern von sozialen Medien, die mehr als zwei Millionen Nutzer haben, vorschreibt, leicht zu bedienende Meldewege gegen Hassbotschaften bereitzustellen. Zudem müsse das Unternehmen einen Zustellungsbevollmächtigten nennen, an den Gerichte und Behörden Schriftstücke mit rechtsverbindlicher Wirkung im Inland senden können. Beide Vorgaben erfülle die unter dem Namen Telegram FZ-LLC handelnde Firma nicht.

Telegram ist ein unter anderem von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern gern genutzter Dienst mit Basis in Dubai. Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, hatte im vergangenen Jahr gesagt, Telegram entwickele sich zu einem „Medium der Radikalisierung“. Das BKA hatte eine eigene Taskforce gegründet, die den Messengerdienst beobachten sollte, mittlerweile aber nicht mehr aktiv ist – möglicherweise, weil Telegram bei der Herausgabe von Nutzerdaten im Zusammenhang mit strafbaren Inhalten nicht kooperiert habe.

Auch im Fall der millionenschweren „Knöllchen“ aus Bonn setzt das betroffene Unternehmen auf Verzögerungstaktik. Ihre Anwälte argumentierten nach Angaben des BfJ, nicht die Telegram FZ-LLc, sondern die Telegram Messenger Inc., eine andere Gesellschaft der Firmengruppe, betreibe das soziale Netzwerk, deshalb seien die bereits im Oktober 2022 ergangenen Bußgeldbescheide falsch adressiert. Das Bundesamt erwiderte, Telegram trete gegenüber den Nutzern so in Erscheinung, dass es die „tatsächliche und rechtliche Kontrolle“ über die Plattform innehabe. Die Anwälte bestreiten zudem, dass Telegram mehr als zwei Millionen Nutzer habe, so dass keine Pflicht bestehe, Meldewege einzuhalten. Spitzfindig heißt es in der Eingabe, der Messenger sei ein „Online-Dienst zum Zwecke der Individualkommunikation“, ausgerichtet „auf die interpersonelle Kommunikation“, nicht aber darauf, „beliebige Inhalte mit anderen zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“. Mit anderen Worten: Die Plattform ist angeblich nicht für jeden da – soll aber im Juni 2022 weltweit 700 Millionen monatlich aktive Nutzer gehabt haben.

„Kostenloser Service“

Schließlich, so die Verteidiger, könne sich das Bundesamt auch deshalb nicht auf das Netz-DG berufen, weil dafür eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich sei. Telegram aber biete seinen Service kostenlos an, Einkünfte dienten nur dazu, die Kosten zu decken. Auf diese Erwiderung reagierte das BfJ jetzt mit der Mitteilung, es halte an den Bußgeldbescheiden fest.

Die Schöffenrichter am Bonner Amtsgericht müssen darüber entscheiden, ob das geforderte Ordnungsgeld rechtmäßig ist. Dafür werden sie auch Inhalte von Telegram-Nachrichten prüfen. Zunächst aber haben die Anwälte erneut die Gelegenheit, ihre Einsprüche zu begründen. Mit einer Entscheidung wird nach dem Sommer gerechnet.