Ein 52-Jähriger aus Euskirchen muss sich vor Gericht verantworten. Ermittler sehen bei einem Schuss aus einer Druckluftpistole keine Tötungsabsicht.
Prozess in BonnMietstreit in Euskirchen eskalierte bis zu einem Schuss

Der 52-jährige Angeklagte aus Euskirchen geht im Landgericht Bonn mit seinem Verteidiger Hagen Sven Seipel zum Prozess.
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21 Jahre hatte der Angeklagte als Mieter in dem Haus in Flamersheim gewohnt. Im Herbst 2023 wurde die Immobilie verkauft. Damit begann für den Mieter der ersten und zweiten Etage eine neue Ära, denn dem neuen Eigentümer gefiel der 52-jährige Bewohner offenbar nicht. Er forderte den gelernten Papiermacher auf, die Wohnung zu kündigen und sie schleunigst zu verlassen.
Der aber, so Verteidiger Hagen Sven Seipel zum Prozessauftakt vor dem Bonner Landgericht, wehrte sich: Er ging zum Mieterverein, der ihn mit rechtlichen Hinweisen munitionierte. Jedoch wurde der 52-Jährige laut Anwalt Seipel weiter drangsaliert, bis die Lage am 10. August 2024 vor dem Haus eskalierte. Der damals 49-jährige Vermieter wurde durch einen Schuss aus einer Druckluftpistole schwer verletzt.
Zunächst wurde in Euskirchen wegen eines Tötungsdelikts ermittelt
Vor der 16. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts muss sich der Mieter nun wegen gefährlicher Körperverletzung und – weil er für die Druckluftpistole Hatsan Jet, Kaliber 5,5, keinen Waffenschein hat – wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Zunächst war wegen eines möglichen Tötungsdeliktes ermittelt worden und der Angeklagte nach der Festnahme in Untersuchungshaft gekommen.
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Zwei Wochen später wurde er haftverschont, da die Ermittler nicht mehr davon ausgingen, dass er seinen Vermieter ernstlich töten wollte. Stattdessen habe das Diabolo-Projektil der Druckluftpistole laut Anwalt Seipel „einen denkbar dramatischen Verlauf im Körper des Vermieters genommen“. Das Geschoss durchdrang den Herzbeutel und gelangte von dort über die Hauptschlagader zur rechten Niere, wo es die Arterie verschloss. Nur durch eine Notoperation konnte das Leben des Mannes gerettet werden.
Der Angeklagte beteuert, in Notwehr gehandelt zu haben
Der Angeklagte hat am ersten Prozesstag beteuert, dass er in Notwehr gehandelt habe. Er sei von dem 49-Jährigen, der sich nach wiederholten „Androhungen von Kopfnüssen“ aus seinem Kofferraum eine 70 Zentimeter lange Eisenstange geholt habe, so bedroht und beleidigt worden, dass er schließlich zu der Pistole gegriffen habe. Die Waffe habe er sich, so erklärte er es dem Gericht, aus Selbstschutzgründen im Internet besorgt, nachdem er einmal daheim im Bett überfallen worden war. Einen Ausweis, geschweige denn einen Waffenschein habe er bei dem Kauf nicht vorlegen müssen.
Wiederholt beteuerte der 52-Jährige, dass er nicht damit gerechnet habe, dass „so eine Spielzeugpistole so scharf sein“ könne. Niemals habe er dem Hauseigentümer nach dem Leben getrachtet. Als dieser nach dem Treffer aus knapp zwei Metern Entfernung und mit einer Geschossenergie von 16,4 Joule „ein merkwürdiges Gesicht bekam und einen Moment in die Knie ging“, habe er Panik bekommen.
Laut Anklage hat der Vermieter zunächst nicht bemerkt, dass er so schwer getroffen wurde. Vielmehr habe er geglaubt, ihn habe ein Schlag durch einen Elektroschocker erwischt. Nach einem kurzen „Einknicken“ habe er sich noch einmal aufgerafft und mit der Eisenstange dem Mieter die Pistole aus der Hand geschlagen. Anschließend verließen die Kontrahenten fluchtartig den Tatort.