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„Eine Katastrophe!“Wie sich Unternehmen auf die Stausituation in der Region und Bonn einstellen

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Das kostet Zeit und Nerven. Staus bilden sich rings um Bornheim, Alfter und Bonn, weil zurzeit die Autobahn 565 zum Teil gesperrt ist und es einige Baustellen gibt.

Das kostet Zeit und Nerven. Staus bilden sich rings um Bornheim, Alfter und Bonn, weil zurzeit die Autobahn 565 zum Teil gesperrt ist und es einige Baustellen gibt.

Handwerker oder Speditionen müssen tagtäglich Kunden anfahren oder Waren durch die Region transportieren, trotz des Verkehrskollaps. 

Es war der Gau. An diesem Dienstag ging fast nichts mehr. Die Autofahrt vom rechtsrheinischen Unkel ins linksrheinische Meckenheim endete nach drei Staus, Straßensperrungen und einem Notarzteinsatz nach gut zwei Stunden – und mit einer genervten Fahrerin. Stau an der B 42, Stau auf der Bonner Südbrücke, Stau in Bad Godesberg. Staus in Alfter, in Bornheim und rings um Bonn. Wer das als Pendler jeden Tag ertragen muss ...

Wohl dem, der Homeoffice machen kann. Aber es gibt genügend Unternehmen wie Handwerker oder Speditionen, die tagtäglich Kunden anfahren oder Waren durch die Region transportieren müssen. Wie reagieren sie auf den Verkehrskollaps?

Die Autofahrer waren ja schon vorgewarnt, dass von Anfang Mai bis Mitte Juni 2025 in der Region und in Bonn mit erheblichen Beeinträchtigungen im Verkehr gerechnet werden muss. Zuerst hatte die Deutsche Bahn AG 17 Tage lang die linksrheinische Zugstrecke zwischen Köln und Koblenz gesperrt, gleich anschließend wurde die Autobahn 565 zwischen dem Autobahnkreuz Bonn-Nord und der Anschlussstelle Bonn-Poppelsdorf dichtgemacht. Das geht noch bis 14. Juni so.

Man darf nicht vergessen, dass die Bauarbeiten auch Vorteile haben. Schließlich haben wir am Ende neue Straßen, es wird in die Zukunft investiert.
Wilfried Wirtz, Spediteur aus Bornheim

Zwischendurch wurde auch noch auf der Adenauerallee in Bonn zwischen Koblenzer Tor und Bundeskanzlerplatz die komplette Fahrbahndecke erneuert. „Es ist einfach zu viel auf einmal. Der Frust ist groß“, sagt Oliver Krämer, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bonn-Rhein-Sieg. In allen Betrieben sei gerade die Sperrung der A 565 „ein Riesenthema“. Es gebe kaum noch Möglichkeiten für Betriebe aus dem Rhein-Sieg-Kreis, die Sperrungen zu umfahren, auch diese Wege seien verstopft.

Die Folge: „Manche Betriebe schreiben den Kunden schon, wenn kein Parkplatz vorhanden ist, müssten sie den Auftrag ablehnen. Sonst könne man nicht einmal ausladen. Manche fangen früher an zu arbeiten, andere fahren nicht mehr auf die andere Rheinseite.“ Bonn wolle nun mal sein Konzept von der autofreien Innenstadt durchsetzen, im ländlichen Bereich des Rhein-Sieg-Kreises sei es nicht so schlimm.

Die Kreishandwerkerschaft sei stets im Gespräch mit der Politik und vertrete die Interessen auch in den Mobilitätsbeiräten der Kommunen, wenn es dort um die Verkehrskonzepte der Zukunft gehe. „Dabei geht es zum Beispiel um Zulieferzonen für Handwerker, die schweres Material mitbringen. Das Angebot muss flächendeckender sein, wenn es effektiv sein soll“, fordert Krämer. In engen Gässchen blockieren die Fahrzeuge sonst alles. „Ich kann zum Beispiel einem Klimatechniker nicht sagen, er soll mit dem Lastenfahrrad kommen.“

Wilfried Wirtz sieht trotz aller Schwierigkeiten auch positive Aspekte.

Wilfried Wirtz sieht trotz aller Schwierigkeiten auch positive Aspekte.

„Katastrophe!“ ist das erste Wort, das dem Bornheimer Spediteur Wilfried Wirtz zum Thema Verkehrslage einfällt. Es sei oft gar nicht mehr kalkulierbar, wie es auf den Straßen aussieht. „Wir haben Aufträge, die an bestimmte Zeiten gebunden sind“, sagt Wirtz, „gerade wenn wir frische Ware fahren.“ Zu seinem Fuhrpark gehören 50 Lkw. Die Fahrer würden schon über Bonn-Hardtberg und Heimerzheim ausweichen, und sie hätten den Vorteil, dass sie oft nachts fahren und so die Stoßzeiten meiden können.

Doch unterm Strich würden schon gut eineinhalb Stunden mehr Fahrzeit mit einkalkuliert. Sehr nervig sei es dann, wenn an der Entladestation der Time-Slot nicht mehr eingehalten werden könne, oder dort an der Rampe Personal fehle. Dann komme noch Wartezeit obendrauf. Wirtz: „Es ist jeden Tag ein Vabanquespiel.“

Aber Wilfried Wirtz kann dem Debakel auch etwas Positives abgewinnen: „Man darf nicht vergessen, dass die Bauarbeiten auch Vorteile haben. Schließlich haben wir am Ende neue Straßen, es wird in die Zukunft investiert. Wir müssen noch zwei Wochen damit leben.“ Kollege Jan Buchholz von der Bornheimer Spedition Vendel ärgert sich über die Dauer einiger Sperrungen: „Das ist einfach Deutschland. Wir brauchen ewig, bis mal eine Brücke oder nur eine Fahrspur repariert ist.“ Auch seine Fahrer starten überwiegend nachts, um der Stauwelle zu entgehen. Problematisch sei, wenn Fahrer kurz vor Ende der vorgeschriebenen Fahrzeit in einen Stau geraten.

Für Fahrten muss mehr Zeit eingeplant werden

Die Fahrzeiten seiner Taxen kann sich der Meckenheimer Unternehmer Akter nicht aussuchen. Sein Slogan: „Egal ob Alltag, Geschäftsreise oder Flughafentransfer – wir bringen Sie pünktlich ans Ziel.“ Gar nicht so einfach, angesichts der Verkehrslage. „Das ist schon problematisch“, sagt Akter, der seinen Vornamen nicht nennen möchte. Bonn werde aktuell umfahren über Alfter und Bornheim, nach Köln Hauptbahnhof müsse man Umwege fahren. „Wir machen alle Fahrten. Aber wir rechnen Zeit drauf“, so der Meckenheimer. Acht Taxen sind für das Unternehmen mit Sitz am Wiesenpfad unterwegs.

„In den ersten Tagen der Sperrung war es schon schwierig“, erklärt der Meckenheimer Apotheker Jan Ganske, der auch Sprecher des Apothekerverbandes Nordrhein ist. Die Auslieferung von Medikamenten an seine Kunden in Meckenheim, Grafschaft, Wachtberg oder Rheinbach sei kein Thema, allerdings kämen die bestellten Großhandelslieferungen an seine „Löwen-Apotheke“ an der Hauptstraße oft verspätet. Der Großteil der Lieferanten versuche, Alternativrouten zu fahren. Insgesamt wirke sich aber hier die Apothekendichte positiv aus.

Es sei „in der Tat eine Herausforderung“, schildert Konzernsprecherin Jutta Pöllner die Situation für den Post- und Paketzusteller DHL mit Hauptsitz in Bonn. Auch hier müssen die Fahrer früher ans Steuer, für die Touren werden mehr Zeit eingeplant. „Die Tourenpläne werden angepasst, das kostet Zeit und zusätzliches Personal“, sagt Pöllner. „Aber wenn alles verstopft ist, wird es schwierig. Dann können wir Verspätungen nicht verhindern.“