RekonstruktionHerr von Morken bekam ein Gesicht

Lesezeit 3 Minuten
Herr von Morken und seine Schöpferin Constanze Niess. Die Nachbildung des Merowingers aus dem Rheinischen Braunkohlerevier ist jetzt im Landesmuseum zu sehen.

Herr von Morken und seine Schöpferin Constanze Niess. Die Nachbildung des Merowingers aus dem Rheinischen Braunkohlerevier ist jetzt im Landesmuseum zu sehen.

Bonn – Ein fast schon schelmisches Grinsen trägt er im Gesicht. Der Dreitagebart, die braunen Augen und die markanten Wangenknochen lenken von der riesigen Narbe ab, die Herr von Morken auf dem Schädel hat: „Sie stammt vom Hieb einer Klinge, der nicht tödlich war“, sagt Christian Meyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz.

Einer der wichtigsten Funde aus der Epoche der Merowinger hat ein Gesicht erhalten, das im LVR-Landesmuseum Bonn zu sehen ist und am Mittwoch präsentiert wurde. An der Rekonstruktion waren mehrere Wissenschaftler beteiligt. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit brachte interessante Fakten zutage und ließ Rückschlüsse auf Herrn von Morken zu, der vor 1400 Jahren verstarb. Erst 1955 entdeckte man die Grabstätte auf dem Kirchberg in Morken bei Bedburg.

Meyer schätzt das Alter auf 45, plus oder minus 15 Jahre. Der Bestattete besaß noch sein komplettes Gebiss, eher eine Seltenheit für die damalige Zeit: „Er hatte noch nicht einmal Karies“, so Meyer.

Wichtigster Anhaltspunkt war der deutlich ausgeprägte Schädel, von dem sich Dr. Constanze Niess vom Institut der Rechtsmedizin der Uni Frankfurt einen 3 D-Druck aus Kunstharz anfertigte. Er bildete die Basis für das Gesicht. Die knöchernen Strukturen, Ober- und Unterkiefer, Jochbein, Zähne sowie die Augenhöhlen wiesen Niess den Weg: „Er hatte eine ,Himmelsschmeckernase’ mit einer kleinen Delle, dafür keine Glupschaugen. Er war ein kerniger Typ“, so Niess.

Von September bis Dezember arbeitete sie am Morken-Gesicht und dokumentierte die einzelnen Arbeitsschritte. Bevor sie die Augenlider anbrachte, wies Herr von Morken starke Ähnlichkeit mit dem Terminator auf. Im weiteren Verlauf sorgte eine Plastillinschicht für ein menschliches Antlitz mit Seitenscheitel entlang der Narbe. Er habe stets auf ein gepflegtes Erscheinungsbild geachtet, so Niess.

Das beweisen die Reste von Baumwolle aus dem Grab, die aus dem Mittelmeerraum stammen. Kleine Holzfasern zeigen, dass die Menschen im 6. Jahrhundert dieses Material bereits auf vielfältige Weise zu nutzen wussten. Herr von Morken war nicht wohlhabender als die reichen Dorfbewohner (der Friedhof der Ortsbevölkerung wurde in direkter Nähe freigelegt). Er setzte sich durch das Tragen wertvoller Ziersteine, einer Gürtelschnalle und einem byzantinischen Offiziershelm mit Kupfer aus Vorderasien ab: „Vielleicht verwaltete er das Königsgut in Morken, seine Waffenausstattung war auf europäischem Topniveau“, sagt Dr. Elke Nieveler, Frühmittelalter-Referentin des LVR-Landesmuseums Bonn. Als Einzige wagt sie eine nicht ganz ernst gemeinte These zu den Todesumständen: „Er war viel herumgekommen und ist vielleicht an Langeweile in Morken gestorben.“

Sogar zur Ernährung konnten die Experten Aussagen treffen. Herr von Morken war weit entfernt von einem Leben als Vegetarier. Die Zellproben belegen, dass er kein Fleischverächter war und regelmäßig Rind, Schwein und Huhn zu sich nahm: „Hier unterscheidet er sich klar vom Volk im Dorf, das sich eher pflanzlich ernährt hat“, verrät Dr. Corina Knipper vom Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie Mannheim.

Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf 250 000 Euro. Eine lohnende Investition, denn es erregt internationale Aufmerksamkeit. Das Ergebnis können Interessierte im Museum in der Dauerausstellung anschauen.

Rundschau abonnieren