Am 16. Dezember wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die denkmalgerecht sanierte Beethovenhalle eröffnen. Die Arbeiten kosteten 221 Millionen Euro statt veranschlagter 60 Millionen.
Festakt mit SteinmeierBeethovenhalle in Bonn öffnet nach neun Jahren Sanierung

Blick in den neuen Großen Saal der Beethovenhalle. Am Dienstag kommt Bundespräsident Steinmeier zur Eröffnung.
Copyright: Meike Böschemeyer
Dirk Kaftan dreht sich auf seinem Dirigentenpult für einen Moment weg vom Beethoven Orchester Bonn, mit dem er gerade den zweiten Satz von Mahlers „Auferstehungssinfonie“ probt, blickt in den Großen Saal der Beethovenhalle, auf die blau gepolsterten Stühle und die in Chrysanthemen-Gelb gestrichene geometrische Deckenkonstruktion mit ihren Hunderten von Leuchten und breitet dann freudestrahlend die Arme aus: „Ist sie nicht schön geworden?!“. Spontaner Applaus antwortet dem Bonner Generalmusikdirektor. Rund 1000 Konzertabonnenten sind an einem Novembersamstag zu einer Orchesterprobe in das historische Gebäude am Bonner Rheinufer gekommen; viele trieb weniger die Musik als die schlichte Neugier herbei, weil sie sehen wollten, was aus der neun Jahre geschlossenen Halle geworden ist.
Und während sie sich umschauten und Kaftan wieder den Dirigentenstab hob, gingen Techniker mit Messgeräten durch den Raum, maßen die Lüftung und stellten fest, dass sie nachjustiert werden muss, weil viele Zuhörer froren und sich in ihre Mäntel kuschelten. Am Dienstag, 16. Dezember, muss alles in Ordnung sein.

Vor der Eröffnung hatte die Stadt Bonn die Beethovenhalle bei einer Mitarbeiterversammlung einem Stresstest unterzogen.
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An diesem Tag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Ehrengast sein bei der feierlichen Eröffnung der denkmalgerecht sanierten Beethovenhalle. Damit kommt er an den historischen Ort, in dem drei seiner Vorgänger von der Bundesversammlung gewählt worden sind: 1974 Walter Scheel, 1979 Karl Carstens sowie 1984 und 1989 Richard von Weizsäcker. Der Besuch des Staatsoberhaupts in diesem Haus unterstreicht die Bedeutung der Beethovenhalle – nicht nur für Bonn, sondern auch für Deutschland.
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Konzerthaus war mehr eine Mehrzweckhalle
Sie war, geplant von dem erst 29 Jahre alten Architekten Siegfried Wolske und 1959 im Beisein von Bundespräsident Theodor Heuss eröffnet, ein architektonisches Ausrufezeichen in der von funktionalen Ministeriumsbauten und Wohnsiedlungen geprägten jungen Bundeshauptstadt. Wolske entwarf eine Gruppe unregelmäßig geformter Kuben mit unterschiedlicher Dachneigung und einer weithin sichtbaren Kuppel über dem großen Saal, die sich 25 Meter über dem Bodenniveau erhebt. Der Architekt sah die Beethovenhalle als „Gesamtkunstwerk“; sie sollte, so steht es als Wunsch in der dem Grundstein beigelegten Urkunde „zu einem internationalen Zentrum der Pflege Beethovenscher Musik“ werden.
Doch der 9,5 Millionen DM teure Bau wurde weniger zu einem Konzerthaus als zu einer echten Mehrzweckhalle. Hier fanden Bundesparteitage von CDU, SPD, FDP und Grünen statt, hier wurde Konrad Adenauer als CDU-Vorsitzender verabschiedet, beschlossen die Grünen 1998, sich erstmals an einer Bundesregierung zu beteiligen. Generationen von Tanzschülern feierten im Großen Saal ihre Abschlussbälle, Prinzenpaare schritten unter dem Jubel des närrischen Volks von der Empore zur Bühne, um sich proklamieren zu lassen; es gab Bundespresse- und Juristenbälle, Galaabende, Ärztetagungen, After-Job-Partys, Gastspiele großer Showstars, Karnevalsfeten, Schuhverkaufsaktionen – und natürlich die Konzerte des Beethoven Orchesters, das dort Heimrecht genießt.
Irgendwann war die Halle abgenutzt. Sie wurde nach einem Brand 1985, dann 1996/97 und noch einmal 2005 für viel Geld modernisiert und optimiert, Anbauten kamen hinzu, doch der Lack war ab. Der Toilettenmief wehte einem schon vom Eingang her entgegen. Ein großer Dirigent wie Günter Wand soll bei einer Konzertprobe abgeklopft haben, weil die Tonqualität des Großen Saals seinen Ansprüchen nicht genügte. Sein Kollege Kurt Masur klagte 2010 über „die trockene Akustik“. Der Starpianist Sir András Schiff wollte erst wieder nach Bonn kommen, wenn die Halle renoviert ist. Es gab „tote Ecken“ im Saal, in welche die Musik, zumal klassische, nicht drang. Und wer sie hörte, aber Pech hatte, unweit der Türen zu sitzen, vernahm statt eines luftigen Allegro nur das Quietschen von hin- und hergeschobenen Getränkekisten, die von der Hallengastronomie für den Pausentrunk zu den Theken im Foyer gebracht wurden. 2009, als der 50. Jahrestag der Einweihung des Gebäudes anstand, begründete der damalige Bonner Kulturdezernent Ludwig Krapf das Nein der Stadt, sich an etwaigen Geburtstagsfeiern zu beteiligen, mit dem Satz: Die Beethovenhalle könne die „Perspektive als akustisch hochkarätiges, international anerkanntes Konzerthaus“ nicht erfüllen.
Pläne, sie abzureißen und durch ein weitgehend von Sponsorengeldern der DAX-Konzerne Post, Postbank und Telekom bezahltes Festspielhaus an gleicher Stelle zu ersetzen, lehnte der Stadtrat im November 2011 ab – Kritiker des Beschlusses, wie Stephan Eisel, der Vorsitzende des mächtigen Kulturvereins „Bürger für Beethoven“, sagen noch heute, die Stadt habe damals eine „einmalige Chance“ vertan.
Sanierung sollte ursprünglich zum Beethoven-Jubiläum fertig sein
2016 schließlich beschloss die Ratsmehrheit, die Halle denkmalgerecht sanieren zu lassen: Die Baumaßnahme sollte zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens 2020 fertig sein. Das wurde auch dem neuen Generalmusikdirektor Dirk Kaftan bei seinen Vertragsverhandlungen mit der Stadt so mitgeteilt. Als er 2017 seinen Kontrakt unterschrieb, erhielt das Papier die Klausel: „Herr Kaftan weiß, dass er 18 Monate auf die Beethovenhalle verzichten muss und überlegt sich andere Veranstaltungsformate“. Aus den 18 Monaten wurden acht Jahre. Und aus den veranschlagten rund 60 Millionen Euro Umbaukosten wurden 221 Millionen Euro.
Denn die Stadt als Bauherr hat sich dicke Fehler geleistet. So begannen die Arbeiten noch vor der Fertigstellung der Planung; es war beispielsweise nicht berücksichtigt worden, dass im Untergrund Mauerwerksreste, Gewölbe und Hohlräume der 1870 gebauten und 1944 bei einem Bombenangriff zerstörten Universitätsfrauenklinik standen, auf denen teilweise die Beethovenhalle errichtet worden war. Fachleute stellten bei Sondierungen im Untergrund fest, dass tragende Wände kein Fundament hatten – Folge: Der Bau musste stabilisiert werden. Der Dachraum des Großen Saals brauchte zusätzlichen Stahl, um einen Großteil der Technik unterzubringen. Sie hat nach Auskunft von Hallenmanager Ralf Birkner zehn- bis 15-mal mehr Volumen als beim Neubau 1959. Hinzu kam Dauerärger mit den Architekten und Generalplanern, der den Projektablauf erheblich störte; zeitweise ließ die Stadt jeden Planungsschritt von einem Rechtsanwalt juristisch begleiten. Der ambitionierte Zeitplan war nicht zu halten, und die Kosten galoppierten davon wie ein edles Pferd auf der Weidenpescher Rennbahn.
2022 riss die damalige Oberbürgermeisterin Katja Dörner das Ruder herum und engagierte Steffen Göbel von der Firma dbp-dasbauprojekt GmbH als Projektleiter. Er hatte sich unter anderem bei der Fertigstellung des Berliner Flughafens Meriten erworben. Mit ihm und seinem Team gelang der Neustart.
2189 Handwerker aus 22 Nationen und von 375 Firmen, „darunter Anhänger von 57 Fußballvereinen“, wie Göbel herausgefunden hatte, vollendeten unter seiner Ägide das Werk. „Es ist geschafft, die Halle ist fertig!“, sagte er bei einem Ortstermin.
Was wurde gemacht?
Die denkmalgeschützte Bausubstanz einschließlich der markanten Gebäudehülle wurde erhalten, die Akustik im Großen Saal optimiert, die gesamte Haustechnik erneuert. Göbel verglich das so: „Wir haben in ein Mercedes Cabriolet der 50er Jahre die Technik der 2020er Jahre eingebaut“. Die barrierefreie Halle bietet bei Kongressen bis zu 3200 Personen Platz, der Große Saal fasst bestuhlt 1700 Plätze. Das Studio wurde mit einem Hubboden für bis zu 500 Personen als Kammermusikraum und Probenort für das Orchester konzipiert. Schließlich wurden originale Ausstattungselemente wie Leuchten, die Wandverkleidung im Saal aus japanischem Holz, das Parkett aus Westafrika, die Schwingtüren aus Makassar-Ebenholz restauriert beziehungsweise detailgetreu rekonstruiert, wenn die Originale nicht mehr erhalten waren. Das bedeutete etwa bei den Fächerwänden aus Steinputz viel Tüftelei, weil die exakte Mischung des Materials erst nach unzähligen Proben wiederhergestellt werden konnte. Im Hauptfoyer leuchtet golden die von dem Kölner Maler Joseph Fassbender gestaltete Wand, davor steht auf einem Sockel eine Beethovenbüste des französischen Bildhauers Emile-Antoine Bourdelle, vor einem großen Fenster auf der Rheinseite ist wie seit 1959 eine abstrakte Skulptur von Hans Uhlmann zu sehen. Ein 450 Quadratmeter großes Glasmosaik leuchtet zum Rhein hin aus einer Million blauen Steinchen – auch das ein Beispiel fürs Wolskes Wort vom „Gesamtkunstwerk“.
Park mit sechs Springbrunnen ersetzt bisherigen Parkplatz
Die 12.000 Quadratmeter große Außenanlage heißt künftig Beethovenpark und ersetzt den bisherigen versiegelten Parkplatz. Das Areal ist unter anderem mit sechs Springbrunnen gärtnerisch gestaltet worden. Von den zuvor 180 Parkplätzen bleiben 59, weitere 50 wurden im benachbarten „Beethoven-Parkhaus“ in der Engeltalstraße angemietet. Die Stadt empfiehlt Besuchern daher, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen.
Nach Abschluss der Sanierung ist das Beethoven Orchester wieder in die Beethovenhalle gezogen; sie soll nach dem Willen von Dirigent Dirk Kaftan „eine Halle für alle und zum musikalischen Wohnzimmer der Stadt werden“.
Die Beethovenhalle wird vom 16. bis 21. Dezember mit einem Veranstaltungsreigen eröffnet, zum Beispiel einem Tag der offenen Tür am 20. Dezember ab 14 Uhr. Informationen unter anderem hier.
