Nach Schießerei auch in SwisttalSchütze muss siebeneinhalb Jahre in Haft

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Essig Tatort - Polizei sucht Spuren nach der Abgabe von Schüssen auf einem Feldweg bei Swisttal-Essig

Am Tatort in Essig sucht die Polizei am Tag nach den Schüssen nach Spuren

Sieben Jahre und drei Monate Haft. Das ist die Strafe, die das Landgericht Bonn für den Mann verhängt hat, der im August bei Swisttal-Essig einen „Freund“ niederschoss und in Bonn auf ein Auto feuerte.

Ein warmer Sommerabend in Swisttal: Zwei Männer treffen sich gegen 20 Uhr auf einem Feldweg bei Essig zu einer Aussprache, in der es um Geld gehen sollte. Plötzlich zieht einer der beiden, 44 Jahre alt, eine Pistole aus dem Hosenbund und schießt auf seinen 48 Jahre alten Ex-Kumpel. Der bricht schwer verletzt zusammen, zwei Kugeln stecken im linken, eine im rechten Bein, die vierte in der rechten Hand, ein Schuss ging daneben.

Dann dreht sich der Schütze um und geht. Die letzte Kugel im Lauf wird er etwa 45 Minuten später auf ein Auto in Beuel abgeben, weil er sich über die Fahrweise des Mannes am Steuer geärgert hat. Wegen dieser Schussabgaben am 1. August 2022 hat das Bonner Landgericht gestern den 44-Jährigen zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Darin flossen weitere Delikte ein: räuberische Erpressung, Sachbeschädigung und Fahren ohne Führerschein.

Alte Bekannte aus dem Knast

Der Angeklagte und das spätere Opfer lernten sich 2017 in der Justizvollzugsanstalt Euskirchen kennen. Sie seien Freunde geworden, sagte der 44-Jährige am ersten Prozesstag in seiner Einlassung, die das Schwurgericht anzweifelte. Der Angeklagte sei aufgetreten wie jemand, der sich „um Ernsthaftigkeit und Vertrauen“ bemühe, „leider ist genau das Gegenteil der Fall“, sagte Kammervorsitzender Klaus Reinhoff in der Urteilsbegründung. Der Schütze sei als „besonders emotionslos“ erschienen, ihm sei die Rechtsordnung „vollkommen egal“.

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An Weihnachten 2021 kam es zu einer schicksalhaften Begegnung beider Männer im Haus des 48-Jährigen. Der Angeklagte sah, wie sein Bekannter eines seiner Kinder verprügelte. Daraufhin griff er ein und schlug dem Vater ein paar Zähne aus. Im Laufe des folgenden Jahres wuchs der Zorn der beiden aufeinander, so dass sie sich zu der Aussprache auf dem Feldweg in Essig verabredeten.

„Ich gehe noch spazieren“, sagte der 48-Jährige nach Feierabend zu seiner Frau und machte sich zum vereinbarten Treffpunkt auf. Hier schoss der Angeklagte aus einer halbautomatischen Waffe, angeblich, weil auch der andere eine Pistole in der Hand gehalten habe. Das Gericht wertete diese Aussage als Schutzbehauptung, denn warum solle das Opfer, das von drei Schüssen im Bein getroffen worden war, nicht seine Waffe benutzt haben, um sich zu wehren?

Doch bloß „gefährliche Körperverletzung“

Dass der Schütze den Tatort verließ, wertete die Kammer als „strafbefreienden Rücktritt“ und sah, anders als von der Staatsanwaltschaft angeklagt, nicht den Tatbestand des versuchten Totschlags als erfüllt an, sondern den der gefährlichen Körperverletzung.

Nach der Schießerei begab sich der Angeklagte nach Bonn, nahm den Audi seines Neffen und fuhr ziellos durch die Stadt. Auf der Pützchen Chaussee in Höhe des Realmarktes nervte ihn gegen 20.45 Uhr ein Autofahrer, der das Tempolimit einhielt. Er überholte, bremste ihn aus und rief ihm zu: „Willst du sterben?“ Dann schoss er auf die Motorhaube des Opel; die Kugel blieb im Reifen stecken.

Der Opel-Fahrer, neben sich seine Ehefrau, rumpelte trotz Plattfuß noch ein Stück weiter. Plötzlich soll der Neffe, der seinem Onkel gefolgt war, neben dem Ehepaar gestoppt haben und ihm gesagt haben: „Der ist gemeingefährlich, ich würde da jetzt nichts machen.“ Die Eheleute sind immer noch traumatisiert und haben laut Gericht aus Angst vor Repressalien den Opel verkauft.

Ehefrau plump erpresst

Am nächsten Abend klingelte der Angeklagte bei der Frau des niedergeschossenen „Freundes“ und forderte 35.000 Euro, die ihr Mann ihm schulde. Wenn er das Geld nicht bekomme, wolle er 100.000 Euro, ansonsten kämen „Leute“ von ihm vorbei. Die Schulden, angeblich entstanden, weil er dem Ex-Knastkumpel das flutgeschädigte Wohnhaus innerhalb von dreieinhalb Monaten für 17 Euro Stundenlohn repariert habe, seien nicht belegt, so Reinhoff. Denn die Familie wohne in einem Mietshaus, deshalb müsse ja wohl der Vermieter für die Instandsetzung sorgen.

Fazit des Richters: „Das war Erpressung.“ Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre und acht Monate Haft gefordert, der Verteidiger eine Strafe unter sechs Jahren. Er überlegt, in Revision zu gehen.

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