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„Schlimmer wäre nur der Tod gewesen“Hohe Haftstrafe für die Misshandlung eines vier Monate alten Säuglings

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Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand. Ein 31-Jähriger wurde wegen der Misshandlungen seines zur Tatzeit gerade vier Monate alten Säuglings am Donnerstag vom Bonner Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt

Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand. Ein 31-Jähriger wurde wegen der Misshandlungen seines zur Tatzeit gerade vier Monate alten Säuglings am Donnerstag vom Bonner Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt

Der damals 26-Jährige hatte seinen Sohn aufs Schwerste misshandelt. Dafür wurde er am Donnerstag vom Bonner Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. 

Zum ersten Mal sollte der junge Vater mit seinem gerade vier Monate alten Säugling allein sein. Seine Ehefrau, die Mutter des Kindes, hatte Spätdienst in einem Krankenhaus, die Schwiegermutter, die den Säugling seit dem Mittag gehütet hatte, brachte ihn gegen 18 Uhr an jenem 7. Mai 2018 in die Wachtberger Wohnung des Paares, sagte noch, sie könne das Baby gern noch füttern, doch der Mann lehnte ab, er schaffe das schon.

Aber er schaffte es nicht, der Tag endete in einer Katastrophe, für Vater, Mutter und – am schlimmsten! – für das Kind: Es ist seitdem schwerbehindert, hört nicht, sieht nicht, muss künstlich ernährt und rund um die Uhr betreut werden. Der heute Sechsjährige ist körperlich und geistig auf dem Stand eines zwei Monate alten Babys. Gegen 19.20/19.30 Uhr verließ die Großmutter Enkel und Schwiegersohn, er hatte danach für eine knappe halbe Stunde den Kleinen in seiner Obhut, und was er mit ihm in diesen 30, 35 Minuten gemacht hat, ist erst jetzt, sechs Jahre später, klar: Der damals 26-Jährige hat den Winzling aufs Schwerste misshandelt.

Dafür wurde er am Donnerstag vom Bonner Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Damit ging es über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die fünf Jahre und neun Monate gefordert hatte. Der Verteidiger hatte auf eine „angemessene Strafe“ plädiert.

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Manchen Zuhörern kamen die Tränen

Aber was ist angemessen in einem solchen Fall? Als Kammervorsitzende Stephanie Johann to Settel in der Urteilsbegründung in der nüchternen Sprache der Juristen vortrug, wie das Kind gequält wurde, kamen manchen Zuhörern die Tränen.

„Schlimmer wäre nur der Tod gewesen,“ beschrieb die Richterin das Leiden des Kleinen. Irgendwann in jener verhängnisvollen halben Stunde muss er geschrien haben. Daraufhin, das gab der Vater in seinem späten Geständnis zu, habe er seinen Sohn aufs Sofa geschmissen, ein Kissen auf seinen Leib gelegt und sich darauf gesetzt. Doch weil der Kleine immer noch nicht ruhig war, schüttelte er ihn derart, dass der Kopf hin und herflog und der Säugling irreparable Gehirnblutungen erlitt. Als er nicht mehr atmete, wählte der Wachtberger in Panik den Notruf.

Der Notarzt sah das blau angelaufene Kind mit unbeweglichen Pupillen und reanimierte es noch vor Ort. In der Uni-Klinik entdeckten die Ärzte neben den akuten auch ältere Hirneinblutungen sowie Wunden, die in der Abheilung waren – und informierten wegen einer möglichen Misshandlung die Polizei. Nach einer Notoperation stand am 11. Mai 2018 fest, dass das Kind erhebliche Behinderungen behalten wird. Am selben Tag vernahm ein Kripobeamter den Vater, der aussagte, sein Sohn habe sich beim Trinken verschluckt, gekrampft und sei blau angelaufen.

Bei dieser Version blieb er auch, als die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Misshandlung eines Schutzbefohlenen und schwerer Körperverletzung erhob. Gutachterin hatte den Vater entlastet Doch das Landgericht lehnte Ende 2020 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, weil eine Gutachterin den Vater entlastet hatte. Sie war nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass möglicherweise nicht das Schütteltrauma Ursache des Vorfalls vom 7. Mai 2018 gewesen war, sondern ein Gendefekt, der zu epileptischen Anfällen und Herz- und Atemstillstand führen könne.

Das junge Ehepaar, das sich nach dem Drama in seiner Wohnung getrennt hatte, fand nach der Entscheidung der Richter wieder zusammen, zeugte sogar ein zweites Kind und verlangte 2022 das Sorgerecht für den Erstgeborenen zurück. Der lebte nämlich inzwischen bei einer Pflegefamilie in Süddeutschland, die Pflegemutter hat die Vormundschaft.

Nach dem Sorgerechtsantrag aus Wachtberg beauftragte das zuständige Familiengericht in Baden-Württemberg ein Gutachten über den Jungen; und das bestätigte die ursprüngliche Anklage der Staatsanwaltschaft. Das Landgericht schaltete zudem die Bonner Rechtsmedizin ein, die dem süddeutschen Sachverständigen zustimmte, und eröffnete ein neues Strafverfahren gegen den Vater, während dessen Frau mit dem zweiten Sohn niederkam.

Noch in der Klinik standen Mitarbeiter des Kreisjugendamts an ihrem Bett und stellten sie vor die Wahl: Entweder den Neugeborenen sofort wegzugeben oder mit ihm in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu ziehen. Das bedeutete die Trennung vom Ehemann; die Frau entschied sich für Letzteres.

Das Baby hatte schon früher Brüche erlitten

Der heute 31-Jährige, der offenbar mit allem überfordert war, mit seinem Beruf wie mit dem Vatersein, räumte im Prozess endlich die Tat ein. Gab zu, den schreienden Sohn schon früher auf die Wickelkommode geworfen zu haben, wodurch er Brüche erlitt, ihn auch heftig auf den Rücken geschlagen zu haben, damit er ein Bäuerchen mache. Auch dass er für das Schütteltrauma verantwortlich sei, gestand er, könne sich aber an den genauen Tathergang nicht erinnern. Bei dem Gedanken daran stoße er „auf eine schwarze Mauer“.

Seine Frau hat die Scheidung eingereicht, er ist bei seinen Eltern untergekommen.

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