Im Zweifel für den Angeklagten: Da einem 44-Jährigen der Flaschenwurf nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, wurde er freigesprochen.
Nach fast drei JahrenFreispruch nach Flaschenwurf im Kreispokalspiel in Euskirchen

Nach dem Spielabbruch in der dritten Runde des Kreispokals kam es im Mai 2022 zu einem größeren Polizeieinsatz im Erftstadion in Euskirchen.
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Am juristischen Ende war alles so unklar wie am Anfang. Am 18. Mai 2022 waren während des Kreispokal-Spiels im Euskirchener Erftstadion zwischen Türk Gencligi und dem TuS Zülpich die Emotionen hochgekocht. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit wurde die Partie abgebrochen, es kam zu hässlichen Szenen, eine Flasche wurde geworfen, die den Schiedsrichter unter dem Auge traf.
In den dringenden Tatverdacht, der Werfer gewesen zu sein, kam schnell der damalige Vorsitzende von Türk Gencligi. Der 44-Jährige wurde im Juli 2023 vom Amtsgericht Euskirchen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, und einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro verurteilt. Jetzt – fast drei Jahre später – wurde er vom Bonner Landgericht überraschend freigesprochen.
Auch ein Gutachten brachte keine endgültige Klarheit
Die Berufungsrichterin kam nach viertägiger Hauptverhandlung und den erneuten Aussagen sämtlicher Augenzeugen zu dem Ergebnis: Zweifelsfrei sei dem Angeklagten der Wurf der PET-Flasche nicht nachzuweisen. Die meisten Zeugen hatten eingeräumt, nicht wirklich gesehen zu haben, von wem die Flasche geworfen wurde. Und der einzige Augenzeuge, der den Angeklagten von Anfang an belastet hatte, hat die Richterin nicht wirklich überzeugt.
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Nach Angaben des Verteidigers hatte der Schiedsrichterassistent wohl eine Privatfehde mit seinem Mandanten. Denn dieser soll in seiner Funktion als Türsteher einer Euskirchener Disco den Hauptbelastungszeugen häufiger nicht eingelassen haben, weil er ihm nicht reinlich genug vorgekommen sei. Daher war nicht auszuschließen, dass er einen Grund hatte, den Angeklagten falsch zu belasten.
Gutachten brachte keine Klarheit Die finale Aufklärung erhofft hatte sich das Gericht von einem anthropologischen Gutachter, der die Handyvideos ausgewertet hat. Die Verteidigung hatte im Frühjahr 2024 im ersten Berufungsverfahren das Gutachten beantragt, um zu beweisen, dass der Angeklagte nicht der Werfer war. Um das zu erstellen, war das Verfahren fast ein Jahr lang ausgesetzt. Aber der Auftritt des Sachverständigen vor Gericht war nur kurz: Er konnte, trotz detektivischer Vergleichsarbeit, den Flaschenwerfer nicht mit Sicherheit identifizieren.
Damit blieb der Berufungsinstanz nur ein Freispruch: „In dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten. Was bleibt nach fast dreijähriger juristischer Aufarbeitung eines Flaschenwurfs, ist ein aufwendiges Verfahren. Sämtliche Kosten, etwa für die Anwälte oder für das Gutachten, trägt jetzt der Staat.