Neuer PlanSo soll es mit dem schnelleren Wiedereinstau der Steinbachtalsperre klappen

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Das Bild zeigt die Steinbachtalsperre aus der Luft. Im Damm ist weiterhin ein großes Loch zu erkennen.

Mehr als zwei Jahre nach der Flut steht der Wiederaufbau der Steinbachtalsperre weiter in den Sternen. Die Schweinheimer Bürger fühlen sich hingehalten.

Von wegen schnell und unbürokratisch – der Wiedereinstau der Steinbachtalsperre verzögert sich weiter. Nun könnte ein Behördentrick helfen.

Schnell und unbürokratisch – so sollte der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe am 14. Juli 2021 verlaufen. Die Steinbachtalsperre bei Kirchheim verdeutlicht, dass das nicht immer der Fall ist. Längst ist das Bauwerk, das während des Hochwassers deutschlandweit so viele Blicke auf sich zog, weil der Damm zu brechen drohte, zum Sinnbild für Bürokratie, Gutachtenwahnsinn und Zuständigkeitswirrwarr geworden.

„Es gibt Verordnungen für bestehende Talsperren, es gibt Verordnungen für geplante Talsperren, aber keine für kaputte. Das ist unser Problem“, sagt Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt. Man müsse kein Prophet sein, um sagen zu können, dass in diesem Jahr kein Wasser mehr in der Steinbachtalsperre gestaut werden wird.

Steinbachtalsperre: Erdbebengutachten fehlt weiterhin

Damit das aber möglichst zeitnah – von schnell will in diesem Zusammenhang längst kein Beteiligter mehr sprechen – der Fall sein kann, wird nun eine Herabstufung der Talsperrenkategorie geprüft. Das ist ein Ergebnis der Arbeitsgruppe, besetzt mit Vertretern der Bezirksregierung, des Umweltministeriums NRW, des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), des Erftverbands, des Betreibers Wasserversorgungsverband Euskirchen-Swisttal (WES)/e-regio und den beteiligten Ingenieurbüros.

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Die Arbeitsgruppe war gegründet worden, nachdem es Verwirrung um Gutachten gegeben hatte – beispielsweise um ein Standfestigkeitsgutachten im Falle eines schweren Erdbebens unter dem Damm. Dieses Gutachten ist aus Sicht der Bezirksregierung zwingend erforderlich, bevor wieder Wasser in der Steinbach gestaut werden kann. Das Gutachten hat aber laut des Betreibers Auswirkungen auf die angedachte Hybridlösung, die einen wieder begehbaren Damm vorsieht.

Beim Erdbebengutachten musste anhand von Modellen berechnet werden, welche Kräfte bei einem theoretisch alle 2500 Jahre auftretenden Erdbeben auf den Damm wirken. Angenommen wird dabei ein Beben der Stärke 7 auf der Richterskala mit Epizentrum gleich unter dem Damm. Zum Vergleich: Die Beben in der Türkei und in Syrien im Februar dieses Jahres lagen bei um die 7,7.

Es sei nicht so, dass man noch ein, zwei Gutachten vorlegen müsse und dann könne der Wiedereinstau beginnen. Das Ganze sei eher ein Prozess, der in der Arbeitsgruppe erarbeitet werde, sagt Ilona Schäfer, Pressesprecherin der e-regio auf Anfrage. Die e-regio betreibt die Steinbachtalsperre im Auftrag des WES.

Steinbachtalsperre könnte in niedrigere Kategorie gestuft werden

„Es sind neue Bemessungshochwasserzuflüsse zu definieren und veränderte Vorgaben aus dem jüngsten seismologischen Gutachten mit Blick auf die Standsicherheit des Damms zu bewerten“, so Schäfer. Erst wenn diese Prämissen verbindlich definiert seien, könnten statische Berechnungen und bauliche Planungen erfolgen, um einen zügigen Wiedereinstau zu ermöglichen.

Deswegen werde aktuell in der Arbeitsgruppe geprüft, die Steinbachtalsperre zeitlich befristet in die Talsperrenkategorie 2 einzustufen. „Diese gilt für Talsperren mit einem Beckenvolumen unter einer Million Kubikmeter Wasser und einer Dammhöhe niedriger als 15 Metern“, erklärt Schäfer. Durch die Scharte, die nach der Flut zur Sicherung in den Damm getrieben wurde, werden beide Grenzwerte derzeit nicht erreicht.

Das Stauvolumen beträgt aktuell etwa 335.000 Kubikmeter – ohne dass das Wasser über die Scharte aus der Talsperre hinaus in Richtung Schweinheim strömt. Sollte die Prüfung erfolgreich sein, gelten andere statische Grundlagen als für die Kategorie 1, in der sich die Talsperre gegenwärtig befindet.

Gleichzeitig erarbeite man mit dem Erftverband ein Modell, auf dessen Basis die Zuflüsse des neu zu definierenden Bemessungshochwassers berechnet werden können. „Daraus ergibt sich dann, auf welche abfließenden Wassermengen die Talsperre zukünftig ausgelegt werden muss und welche baulichen Maßnahmen es dazu braucht“, erklärt die Pressesprecherin.

Der Abfluss ist wiederum wichtig für die aufnehmenden Gewässer unterhalb der Steinbachtalsperre. Die Arbeitsgruppe hat nach Angaben von Schäfer zweimal getagt. Beim ersten Treffen war der Erftverband aber noch gar nicht eingeladen. Ein drittes Treffen soll es im Oktober geben. Dirk Schneemann, Pressesprecher der Bezirksregierung Köln, bezeichnet die Treffen auf Anfrage als „konstruktiv und kooperativ“.

Er sagt aber auch, dass erst dann über einen möglichen Wiedereinstau entschieden werden könne, „wenn die eingereichten Unterlagen und Gutachten zeigen, dass die Anforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik von der Stauanlage erfüllt werden.“

Eigentlich hatte die e-regio gehofft, dass längst wieder Wasser in der Steinbach ist. Im März ließ das Energieunternehmen sogar schon das Gras mähen, das im Staubecken gewachsen war. Ziel der aufwendigen Aktion war, die Steinbachtalsperre von möglicher Biomasse zu befreien.

Es gab aber noch einen zweiten Grund für die Mäharbeiten zwischen Damm und Waldfreibad: Vermessungsarbeiten. Die e-regio hat die komplette Steinbachtalsperre vermessen. Auch das diente dem Wiedereinstau und der angedachten Hybridlösung, die sowohl dem Hochwasserschutz als auch der Bevorratung von Brauchwasser und dem Naherholungswert gerecht werden soll. Dann wäre auch die Regulierung der Wassermenge in der Talsperre nicht mehr nur über den Grundablass gegeben.

Und ein Spaziergang um die Steinbach ist wegen der Scharte im Damm nicht möglich. In die Scharte soll nämlich ein sogenanntes Regelorgan eingebaut werden. So soll es möglich sein, Wasser in unterschiedlichen Mengen aus der Talsperre abzulassen. Dadurch soll der Hochwasserschutz erhöht werden. Fünf Millionen Euro kostet das Bauwerk. Ein Millionen-Euro schweres Konzept gibt es also. Woran es hapert, sind Gutachten und ein unbürokratischer, schneller Wiederaufbau.


Waldfreibad kostet sieben Millionen Euro

Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass die Badesaison im kommenden Jahr für das Waldfreibad zu früh komme. Man habe mittlerweile die Problematik gelöst, dass der Betrieb des Schwimmbads vom Wasserstand der Steinbachtalsperre abhängig ist.

Sieben Millionen Euro kosten die Sanierung und der Umbau des Schwimmbads laut Reichelt. Vorgesehen ist, für das Bad Wasser aus dem vom Steinbach gespeisten Vorstaubecken zu nutzen. Zudem soll das Badewasser biologisch gereinigt werden.

Die Aufteilung des Bades würde sich ändern. Der Schwimmerbereich würde verkleinert, um Platz für ein neues Nichtschwimmerbecken und die biologische Aufbereitungszone zu schaffen. Unter anderem ist ein neues Kinderbecken geplant. (tom)

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