Neue Talsperre in der EifelSo soll der Hochwasserschutz im Kreis Euskirchen aussehen

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Das Bild zeigt den Ort, an dem der Erftverband vor Schweinheim ein Hochwasserrückhaltebecken errichten will. Es ist eine Aufnahme aus der Luft und zeigt eine Grünfläche.

Der Erftverband will vor Schweinheim ein Hochwasserrückhaltebecken errichten.

Der WVER plant bei Hellenthal eine Talsperre, die größer ist als die Oleftalsperre. Das Rückhaltebecken bei Vussem ist laut Erftverband fraglich.

Kommt der Hochwasserschutz im Kreis Euskirchen zu langsam voran? Welche Maßnahmen planen die Wasserverbände? Wird in der Eifel eine weitere Talsperre gebaut? Diese und noch mehr Fragen beantworteten im Kreisausschuss für Planung, Nachhaltigkeit und Mobilität die Vertreter der Wasserverbände.

Für den Wasserverband Eifel-Rur (WVER) antworteten Dr. Gerd Demny, Dezernent Gewässer und Wasserwirtschaft, und Dr. Torsten Rose, Unternehmensbereichsleiter Grundlagenplanung, im Kreishaus. Für den Erftverband stand Daniel Bittner Rede und Antwort.

Wer kooperiert beim Hochwasserschutzkonzept des WVER?

Am Hochwasserschutzkonzept arbeiten die Kommunen Hellenthal, Schleiden, Nettersheim, Kall, Blankenheim und Dahlem sowie der Kreis Euskirchen gemeinsam. Die Koordination und fachliche Erarbeitung hat der WVER übernommen.

Die Erhebung der Gebietsdaten, beispielsweise der Versiegelungsgrade, sei ein laufender Prozess, so der WVER. Womit laut Rose noch nicht begonnen wurde, ist der Aufbau von hydrologischen und hydraulischen Modellen. Damit können Abflüsse und Durchflussmengen berechnet werden – in Ist- und Prognosezuständen. „Die Daten brauchen wir, um Überschwemmungsgebiete modellhaft darzustellen und die Schutzziele festzulegen“, so Rose.

Bei der Visualisierung ist im Vordergrund eine Bank zu sehen. Dahinter befindet sich eine Art Teich, der deutlich kleiner ist als der heutige Mühlensee.

Aus dem Kommerner Mühlensee soll ein Hochwasserrückhaltebecken mit Ersatzstillgewässer werden. Blick vom Staudamm in Richtung Süden (Mühlenpark).

Im Sommer soll es eine Internetpräsenz geben, auf der laut WVER die Direktmaßnahmen und Projektideen zum Hochwasserschutz vorgestellt werden. Die hydrologischen und hydraulischen Modelle samt ausgewählter Projektideen sollen im ersten Quartal 2025 vorliegen.

Das eigentliche Hochwasserschutzkonzept des WVER soll laut Bereichsleiter Rose Ende 2026 fertig sein. Erst dann könne mit größeren Maßnahmen, beispielsweise der Planung von Hochwasserrückhaltebecken, begonnen werden.

Warum ist das Projekt Hochwasserschutz im Kreis Euskirchen so komplex?

„Das Konstrukt Bezirksregierung, WVER und mögliche Fördermittel war recht komplex in der Abstimmung. Deshalb haben wir für weitere Arbeiten erst seit Ende des Jahres grünes Licht“, so Rose. Hätte man vorher begonnen, wäre man Gefahr gelaufen, dass diese förderschädlich seien. Bei der Bearbeitung und der Umsetzung der Konzepte könnte der Weg der engen Zusammenarbeit mit den Kommunen und der Bezirksregierung aber Rose zufolge wiederum Vorteile haben, weil alle Protagonisten bereits involviert waren.

Dr. Gerd Demny, Dezernent Gewässer und Wasserwirtschaft beim WVER, ergänzte: „Wir haben die ganze Zeit inhaltlich gearbeitet – beispielsweise an Hochwassergefahrenkarten.“ So habe man die Zeit genutzt, um mit Hubschraubern die Einzugsgebiete der Flüsse in der Eifel zu vermessen.

Negativ ausgewirkt habe sich, so Demny, dass man in Nordrhein-Westfalen „nicht mehr erprobt darin ist, Hochwasserschutzkonzepte auf den Weg zu bringen. Deshalb musste beim Land vieles neu erdacht werden – auch, was Förderrichtlinien angeht.“

Bei Hellenthal wird eine Talsperre geplant, die größer als die Oleftalsperre ist

Der Standort einer möglichen Talsperre am Zusammenfluss von Platißbach und Prether Bach steht laut Demny seit Jahrzehnten in der Regionalplanung des Landes NRW. Geografisch geeignete Beckenstandorte seien ermittelt worden, so Demny. Als Nächstes müsse ermittelt werden, wie groß die Talsperre sein müsste, um einen Vorteil für die Region zu haben – für den Hochwasserschutz, aber auch als Trinkwasserspeicher. Diese Schritte sollen laut Demny bis zum dritten Quartal 2025 abgeschlossen sein. Noch ein Jahr später soll die Prüfung der Umsetzbarkeit abgeschlossen sein.

Beim Thema „Hochwasserschutz“ greift der Dezernent vor. Für Hellenthal könnten laut Demny mit einer Platißbachtalsperre 96 Prozent des Einzugsgebiets wassermengentechnisch kontrolliert und vor Hochwasser geschützt werden. „Die Oleftalsperre sorgt für eine Regulierbarkeit im Hellenthalter Einzugsgebiet in Höhe von 56 Prozent“, so Demny.

Das Bild zeigt einen Bagger, der im Wasser der Urft steht.

Der WVER hat bereits zahlreiche Schäden nach der Flut beseitigt. Hier arbeitet ein Bagger bei Gemünd in der Urft.

Aber auch für Schleiden und die Mündung am Zusammenfluss von Olef und Urft in Gemünd könnte der Schutz im jeweiligen Einzugsgebiet fast verdoppelt werden. „Da ist Potenzial vorhanden, um das Wasser zu steuern“, so der Experte. Denkbar sei eine Talsperre mit einem Stauvolumen von bis zu 25 Millionen Kubikmetern und einer Wassertiefe von bis zu 57 Metern.

Zum Vergleich: die Steinbachtalsperre hat Platz für eine Million Kubikmeter. Das Staubecken der Oleftalsperre fasst rund 20 Millionen Kubikmeter. Zudem seien Hochwasserrückhaltebecken am Reifferscheider Bach denkbar.

Eine Talsperre und ein Hochwasserrückhalteraum sind in den Mittelgebirgstälern nahezu die einzigen Möglichkeiten, Hochwasserereignisse signifikant zu entschärfen.
Dr. Gerd Demny, WVER

„Ja“, sagt Demny: „Eine Talsperre und ein Hochwasserrückhalteraum sind in den Mittelgebirgstälern nahezu die einzigen Möglichkeiten, Hochwasserereignisse signifikant zu entschärfen. Flussbauliche Maßnahmen wie natürliche Retentionsflächen reichen in den engen Tälern bei weitem nicht aus.“ Und als Trinkwasserreservoir sei die Talsperre ebenfalls „mehr als sinnvoll“. Die Planung jetzt anzugehen, daher erst recht. Der Grund: „Wenn wir mitten im Klimawandel stecken und dann erst eine Talsperre planen, haben wir 20 Jahre verloren.“

Nein. „Wie lange ein Projekt dauert, sei es eine Talsperre oder Hochwasserrückhaltebecken, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Beispielsweise dem Grunderwerb. „Der Grunderwerb ist das erste große Hindernis. Bei kleinen bis größeren Projekten sind wir schnell bei zehn Jahren bis zur Umsetzung. Bei einer Talsperre noch länger.“

Was hat der Erftverband beim Hochwasserschutz geplant?

Der Erftverband hat in Rücksprache mit den Kommunen unterschiedliche Projekte auf den Weg gebracht. Der Erftverband bündelt in einer interkommunalen Kooperation die Ziele und Wünsche beim Hochwasserschutz von 16 Kommunen und drei Kreisen. So sind fünf Hochwasserrückhaltebecken (Schwerfen, Mühlensee Kommern, Vussem, Möschemer Mühle bei Bad Münstereifel und Schweinheim) geplant. Am Vlattener Bach soll es zudem einen Hochwasserabschlag geben – das Wasser wird bei Bedarf in den Zülpicher See geleitet. Beim letztgenannten Projekt soll noch in diesem Jahr mit dem Bau begonnen werden.

Beim Hochwasserrückhaltebecken (HRB) in Bad Münstereifel im Bereich der ehemaligen Produktionsstätten von Auto Heinen soll in diesem Jahr noch die Planungsleistung vergeben werden. Geplant ist dort ein Retentionsvolumen von bis zu 450.000 Kubikmetern.

Rückhaltebecken bei Schweinheim geplant, Fragezeichen bei Vussem

In Schweinheim ist ein HRB für den Sürstbach geplant. Wie groß der Schutz sein wird, hängt laut Bittner von der innerörtlichen Leistungsfähigkeit der Bachläufe ab. Hinter dem HRB bei Vussem steht laut Bittner ein Fragezeichen, da unklar ist, wie viel Wasser im Hochwasserfall abgegeben werden kann, ohne dass Schäden bei den Unterliegern entstehen. „Wenn wir keine Schutzwirkung haben, dann stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit“, so Bittner: „Wir müssen mit den Kommunen daran arbeiten, dass wir mehr Wasser durchbekommen, damit wir die Schutzwirkung erhöhen.“

„Wir haben mit der Bezirksregierung einen gemeinsamen Terminplan für das HRB bei Schwerfen. Einen gemeinsamen Termin hat es meines Wissens nach noch nicht gegeben“, so Bittner: „Wir wollen es schaffen, dass wir das Becken in weniger als zehn Jahren stehen haben.“

Zudem habe der Erftverband eine Methode entwickelt, wie Extremhochwasser neu berechnet werden können. Diese Methode habe die Bezirksregierung abgesegnet und für sämtliche Projekte freigegeben – um beispielsweise Abflussmengen zu berechnen.

„Es sind zahlreiche Förderanträge bewilligt“, so Bittner: „Zudem arbeiten bereits zehn Kommunen an ihren kommunalen Hochwasserschutzkonzepten.“ Und laut Bittner haben seit September 2023 insgesamt 38 Bürgerworkshops stattgefunden. „Wir können nicht immer sagen, dass die Verfahren so lange dauern. Sonst bekommt der Bürger den Eindruck, dass wir uns nur selbst bedauern, aber nichts tun“, so Bittner: „Die Verfahren dauern teilweise zu Recht länger. Die Zeit kann man aber nutzen, um alle Akteure von Beginn an mitzunehmen. Dann wissen sie, was auf sie zukommt.“


Steinbachtalsperre: Arbeitsgruppe tagt wieder in zwei Monaten

Im Kreisausschuss für Planung und Nachhaltigkeit kam bei der Vorstellung der Hochwasserschutzkonzepte auch die Frage nach der Steinbachtalsperre auf. Daniel Bittner vom Erftverband berichtete, dass der Arbeitskreis, in dem unter anderem die e-regio, die Bezirksregierung und der Wasserversorgungsverband Euskirchen-Swisttal mitarbeiten, in zwei Monaten das nächste Mal tagt. Dann sollen laut Bittner die Werte für neue Bemessungshochwasser vorliegen.

Aufgrund dieser Werte könne das zuständige Ingenieurbüro dann die sogenannte Hochwassermerkmalsimulation durchführen. Die Simulation sei nichts anderes als ein Stresstest für Hochwasserschutzmaßnahmen – beispielsweise der Damm der Steinbachtalsperre.

Davon abhängig dürfte auch der Hochwasserschutz der Unterlieger der Talsperren, etwa in Schweinheim oder Odendorf, sein. Für diese Maßnahmen ist dann der Erftverband zuständig. Deshalb sitzt er mit am Tisch und gibt seine Expertise ab – allerdings fehlte er zu Beginn der Arbeitsgruppe.  

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