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Ungewöhnliches ProjektSo will der Kreis Euskirchen mit Molkerei-Wasser den Landwirten helfen

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Das Bild zeigt ein Feld bei Euskirchen, das mithilfe einer Gerätschaft bewässert wird.

Der Kreis Euskirchen hat ein Programm zum Wassermanagement in der Zülpicher Börde aufgesetzt. Hochwald soll beispielsweise das Prozesswasser nicht mehr in den Bleibach leiten.

Der Kreis Euskirchen prüft: Kann gereinigtes Abwasser der Molkerei Hochwald die Landwirtschaft retten? Ein Pilotprojekt soll Wasserengpässe ausgleichen.

Die Landwirtschaft in der Region steht vor einer wachsenden Herausforderung. Die klimatische Wasserbilanz ist nach Angaben des Kreises Euskirchen negativ. Das heißt, dass weniger Niederschlag fällt, als die Pflanzen benötigen. Der Klimaatlas färbt den Raum um Zülpich und Euskirchen tiefrot, der Dürremonitor weist regelmäßig extreme bis außergewöhnliche Dürre aus.

Hinzu kommt der Einfluss des Braunkohletagebaus in der Region, bei dem Grundwasser zur Sümpfung abgepumpt wird. Welche Auswirkungen das hat, sieht man auch am Wassersportsee in Zülpich. Dort ist der Wasserspiegel in den vergangenen Jahren um mehr als einen Meter gesunken.

Erschöpftes Grundwasserangebot sinkt weiter

Die Folge aus Trockenheit und Tagebau: Das ohnehin erschöpfte Grundwasserangebot sinkt weiter. Besonders die fruchtbare Bördelandschaft im Norden des Kreises Euskirchen droht langfristig ihre Grundlage zu verlieren.

Während industrielle Wasserentnehmer und die Trinkwassergewinnung über längerfristig gesicherte Rechte verfügen, laufen die bestehenden Entnahmerechte der landwirtschaftlichen Betriebe aus oder sind bereits ausgelaufen. Monitoringberichte belegen dem Kreis zufolge, dass das Grundwasserdargebot nicht ausreicht, um weitere Entnahmen zu gestatten, was dazu führt, dass auch die Entnahmen durch die Landwirtschaft nicht verlängert werden können. „Für die Landwirtschaft bleibt am Ende nichts mehr übrig“, heißt es aus der Kreisverwaltung trocken.

Ungewöhnliches Projekt soll Abhilfe schaffen

Ein ungewöhnliches Projekt könnte jedoch Abhilfe schaffen. In der Molkerei Hochwald in Obergartzem fallen nach Angaben des Kreises Euskirchen jährlich rund 950.000 Kubikmeter Prozesswasser an. Bisher wird es dem Kreis zufolge aufwendig gekühlt und in den Bleibach geleitet. Das Gewässer, das in den Sommermonaten häufiger trockenfällt, ist durch den früheren Bergbau in Mechernich zusätzlich belastet. Für die Molkerei ist das bisherige Prozedere eine kostspielige Pflicht, für die Landwirtschaft könnte dieses Wasser jedoch überlebenswichtig werden.

Wie man das Wasser von Hochwald für die Landwirtschaft in der Region nutzen kann, will der Kreis Euskirchen mithilfe des Projekts „Nachhaltiges Wassermanagement im Kreis Euskirchen – Wasserwiederverwendung für landwirtschaftliche Bewässerung“ untersuchen. Das Projekt sei „Pionierarbeit“, berichtet Achim Blindert, Allgemeiner Vertreter des Landrats, im Gespräch mit der Redaktion. Die Bretter, die zu bohren gewesen seien, um in die Förderkulisse zu kommen, seien unheimlich dick gewesen.

Das Bild zeigt eine mobile Bewässerungsanlage auf einem Feld bei Euskirchen.

Ineffizient, aber bei Landwirten beliebt: diese Art der Bewässerung.

Aber es könnte sich lohnen. Das, was der Kreis bis zum Jahr 2030 untersuchen wird, gibt es so in NRW nicht. Und die Erfahrungen könnten letztlich sogar über die Landesgrenzen hinaus von großer Bedeutung sein. Die rechtliche Basis ist bereits gelegt. Mit der entsprechenden EU-Verordnung, die vor fünf Jahren erlassen wurde und vor zwei Jahren in Kraft getreten ist, wird die rechtliche Grundlage für die Wasserwiederverwendung von geklärtem Abwasser in der Landwirtschaft geschaffen. Anders als kommunales Abwasser gelte, so Blindert, industrielles Abwasser aus der Milchverarbeitung dabei als besonders geeignet, da es weniger problematische Spurenstoffe enthalte.

Eine vom Land NRW geförderte Machbarkeitsstudie habe die Eignung des Wassers bestätigt, sagt der Allgemeine Vertreter. Laut Kreis haben Landwirte rund um die Zülpicher Börde rund 1728 Hektar bewässerungsbedürftige Flächen gemeldet. Der aktuelle Bedarf liege bei etwa 350.000 Kubikmetern im Jahr – Tendenz deutlich steigend.

Jährlicher Wasserbedarf von 1,8 Millionen Kubikmetern

Schon jetzt wird vom Kreis Euskirchen mit der Landwirtschaft ein jährlicher Wasserbedarf von bis zu 1,8 Millionen Kubikmetern für die gesamte Fläche errechnet. Die Untersuchung ergab zudem, dass das Abwasser bereits ohne zusätzliche Reinigungsschritte als hochwertig einzustufen sei. Es erfülle die Anforderungen der sogenannten Güteklasse B nach der EU-Verordnung. Nach einer UV-Behandlung erreichte es sogar die Güteklasse A, die höchste Anforderungsstufe.

Getestet wurde das Ganze in überdimensionalen Gartenpools, die auf dem Gelände von Hochwald aufgestellt worden waren. „Legionellen waren in keiner Probe nachweisbar, Fäkalkeime und Nematodeneier wurden nicht gefunden“, berichtet Blindert. Legionellen könnten beispielsweise dann zum Problem werden, wenn sie sich als Aerosole in der Luft verbreiten, nachdem das Wasser per Spritze zur Feldbewässerung in die Luft „geschossen“ worden ist.

Pilotprojekt für die Landwirtschaft soll 2027 starten

Auch die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung für Nitrat und Phosphat wurden laut Kreis eingehalten. Damit liege das Wasser in einer Qualität vor, die eine landwirtschaftliche Nutzung grundsätzlich ermöglicht, berichtet Saskia Gall-Röhrig, Projektleiterin und Mitarbeiterin der Unteren Wasserbehörde beim Kreis Euskirchen.

Das geplante Pilotprojekt, das 2027 starten soll, sieht Versuche auf landwirtschaftlichen Testflächen vor. Dort sollen verschiedene Bewässerungstechniken wie Tropfbewässerung, Trommelregner oder Linearberegnung erprobt werden. Gleichzeitig werden die Auswirkungen auf Böden, Pflanzen und Grundwasser streng überwacht. Vorgesehen sind Flächen in unmittelbarer Nähe des Krewelhofs und in Richtung Mülheim-Wichterich.

Das Bild zeigt eine Bewässerungsanlage im Sonnenuntergang.

Auf vielen Feldern im Kreis Euskirchen wird in den Abendstunden gewässert.

Ein Risikomanagementplan werde sicherstellen, „dass bei einer landwirtschaftlichen Nutzung mögliche Belastungen erkannt und verhindert werden“, so Gall-Röhrig. „Eine besondere Herausforderung stellt die Speicherung des Wassers dar. Da die Molkerei ganzjährig Wasser produziert, die Landwirtschaft es jedoch nur von April bis September benötigt, müssten große Mengen zwischengespeichert werden“, so die Umweltexpertin weiter.

In den Untersuchungen wurde bereits eine Speicherung getestet – ebenfalls in den Pools bei Hochwald. Dabei zeigte sich laut Kreis, dass es zwar zu Algenbildung kommt, die Wasserqualität jedoch stabil bleibt. Für eine großtechnische Umsetzung sind Speicherbecken notwendig, ein fiktives Gesamtspeichervolumen von rund 380.000 Kubikmetern wurde im Rahmen der Machbarkeitsstudie berechnet.

Erhebliche Kosten kommen auf Landwirte zu

Die Kosten seien erheblich, so Blindert. Für die Infrastruktur zur Versorgung von vier Betrieben mit rund 245 Hektar Fläche werden demnach 6,1 Millionen Euro veranschlagt. Für ein erweitertes Szenario mit sechs Betrieben und 369 Hektar steigt die Summe auf 13,6 Millionen Euro. Diese Investitionen könnten die Landwirte nicht allein stemmen, weiß der Kreis. Ohne Förderung durch Bund, Land und EU bleibe das Projekt unrealistisch. Entsprechende Förderkulissen werden Blindert zufolge aber kommen. Das Thema nehme gerade erst so richtig Fahrt auf.

Der Grund: Die Chancen sind groß. Eine sichere Wasserversorgung könnte nicht nur die Landwirtschaft in der Region stabilisieren, sondern auch die stark vernetzten Wertschöpfungsketten von Zuckerrüben bis Gemüse sichern. Es stünden auch Arbeitsplätze in der Lebensmittelverarbeitung und Vermarktung auf dem Spiel. Zudem füge sich das Projekt in das Konzept einer Bioökonomie im Rheinischen Revier ein, das auf eine effiziente Ressourcennutzung und die Sicherung vielfältiger landwirtschaftlicher Strukturen setzt.

Blicke nach Niedersachsen zeigten, so Gall-Röhrig, dass eine Wasserwiederverwendung in Deutschland keine Zukunftsmusik sei. Dort werde das Verfahren seit Jahrzehnten angewandt, wenn auch oft in einfacherer Form. In NRW jedoch wäre der Einsatz von industriellem Abwasser Neuland.

Für Landwirte bleibe entscheidend, dass es verlässliche Zusagen gebe, und zwar über Jahrzehnte hinweg. Nur dann seien sie bereit, sich in Verbänden zu organisieren und in Bewässerungstechnik zu investieren. Das Projekt in Euskirchen könnte damit weit über die Region hinaus Modellcharakter entwickeln.