Behörde mahntNaturschutzgebiete im Kreis Euskirchen werden „überrannt“

Lesezeit 5 Minuten
Fünf Enten sitzen auf aus dem Wasser ragenden Ästen am Ufer des Neffelsee in Zülpich-Füssenich.

Der Neffelsee bei Füssenich steht unter Naturschutz. Trotzdem verlassen immer mehr Menschen die Wege, hinterlassen Müll, machen Feuer oder gehen baden.

167 Naturschutzgebiete gibt es im Kreis Euskirchen. Die dort geltenden Regeln werden allerdings immer häufiger missachtet.

Auf den Wegen bleiben, Hunde anleinen, Müll mitnehmen, kein Feuer anzünden — die Verhaltensregeln für Naturschutzgebiete sind oft gleich, egal wo man sich im Kreis Euskirchen befindet. Jedoch: Immer häufiger werde sich nicht daran gehalten, sagt Rebekka Vogel.

Sie ist Teamleiterin bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) und macht sich Sorgen: „Viele Naturschutzgebiete werden mittlerweile überrannt.“ Naturschutzgebiete seien aber sehr sensibel. Das heißt: Je mehr Menschen kommen, desto wichtiger ist es, dass sich alle an die Regeln halten. Sonst ist die Feuchtwiese bald zertrampelt oder die seltene Geburtshelferkröte verschwunden.

Kreis Euskirchen hat die meisten Naturschutzgebiete im Regierungsbezirk

167 Naturschutzgebiete gibt es im Kreis Euskirchen. Im Regierungsbezirk Köln ist der Kreis damit Spitzenreiter. Das größte Gebiet ist mit 1101,25 Hektar Lampertstal und Alendorfer Kalktriften mit Fuhrbach und Mackental in der Gemeinde Blankenheim. Das kleinste ist mit 0,62 Hektar der Bunker Wiesen in der Gemeinde Hellenthal.

Wo welche Gebiete genau liegen, wie groß sie sind und warum sie unter Schutz stehen, das kann im Landschaftsplan der jeweiligen Kommune nachgelesen werden. Vogel ist sich sicher, dass hinter den vermehrten Regelverstößen zum Großteil Unwissenheit steckt. „Mit Aufklärung kann man da viel bewirken.“

Hinweis-Schilder fehlen

Dazu wäre es bereits hilfreich, wenn alle Naturschutzgebiete durch entsprechende Schilder ausgewiesen wären. Das ist allerdings nicht der Fall. Dieser Missstand sei der UNB bewusst, sagt Vogel. Aktuell werde erarbeitet, wo solche Schilder noch fehlen. Dann solle schnell nachgebessert werden. Allerdings sei das bei 167 Gebieten auch viel Arbeit, die leider Zeit koste.

Ein Schild steht vor ein paar Bäumen, im Hintergrund ist Wasser zu sehen. Auf dem Schild steht „Naturschutzgebiet“. Darunter ist das Bild von einem Vogel in einem grünen Dreieck. Darunter wiederum ist eine Auflistung der geltenden Verhaltensregeln zu lesen.

Stehen noch nicht überall: Schilder, die Passanten darauf hinwiesen, dass es sich um ein Naturschutzgebiet handelt.

Vogel rät dazu, sich im Zweifel lieber an ein paar Regeln zu viel zu halten. Wer nicht wisse, ob er sich in einem Naturschutzgebiet befinde, solle trotzdem auf den Wegen bleiben und am besten auch seinen Hund anleinen, so Vogel.

Dabei sei es wichtig, dass es sich um ausgewiesene und markierte Wege handele. Nicht jeder Trampelpfad sei ein Weg. Immer wieder erlebe sie es, dass auf Wander-Portalen selbstgesuchte Wege durch Naturschutzgebiete zum Nachwandern online veröffentlicht werden, berichtet Vogel.

Nicht alle Naturschutzgebiete im Kreis Euskirchen sind gleich zugängig

Tatsächlich sind nicht alle Naturschutzgebiete gleich zugänglich, in manche führen offizielle Wanderwege, andere hingegen liegen abseits oder sind sogar eingezäunt. Das habe unterschiedliche Gründe, sagt Vogel.

Bei großen Gebieten seien die Wege oft schon da gewesen. Zudem reagierten große Gebiete oft nicht so sensibel wie kleinere. Das liege einfach daran, dass es in großen Gebieten oft immer einen Kern gebe, der nicht so gut zugänglich sei und wo die Natur ihre Ruhe habe, erklärt Vogel.

Kleinere Gebiete seien daher auf mehr Schutz angewiesen. Oft liegen sie laut Vogel sowieso schon abseits von Wegen. Doch in manchen Fällen reiche das nicht aus und die Menschen gingen trotzdem hin.

Alter Steinbruch bei Dahlem wird trotz Zaun immer wieder aufgesucht

So ein Beispiel sei ein alter Steinbruch mit einem Gewässer bei Dahlem. Das Gebiet liege eigentlich relativ versteckt, doch trotzdem kommen immer wieder Menschen her, berichtet Vogel.

Das berge gleich zwei Probleme: Zum einen gebe es dort eine Population der Geburtshelferkröte. Die Art ist in Deutschland stark gefährdet, steht auf der Roten Liste und soll deshalb nicht gestört werden. Und zum anderen: „Das ist ein ehemaliges Steinbruchgelände, das ist nicht ungefährlich“, sagt Vogel. Man habe das Gebiet deshalb eingezäunt und mit einem großen Tor versehen.

Doch das scheine nicht viel zu bewirken. Immer wieder werde der Zaun durchgeflext, das Schloss am Tor sei sogar schon einmal ausgetauscht worden, berichtet Vogel. Für so etwas hat sie kein Verständnis mehr. Wer einen Zaun durchtrenne, dem müsse doch klar sein, dass er etwas Illegales tue, sagt sie.

Bußgelder von mehreren tausend Euro möglich

Tatsächlich können einen laut Landesnaturschutzgesetz Bußgelder erwarten, wenn man sich in Naturschutzgebieten nicht an die Regeln hält. Für das Betreten oder Radfahren entgegen Verbotsvorschriften können bis 1500 Euro fällig werden, für Feuer anzünden oder Hunde unangeleint laufenlassen bis zu 5000 Euro.

Bei einmaligen und unabsichtlichen Verstößen zeige man aber Nachsicht, so Vogel. „Es ist gerade im Naturschutz wichtig, dass man die Akzeptanz der Leute hat.“ Aktuell werden Verstöße gegen die Regeln laut Vogel hauptsächlich zufällig entdeckt. „Das ist für uns schwierig zu kontrollieren.“ Dafür mangele es schlicht an Personal.

Wenn wir die Leute aus den Naturschutzgebieten komplett aussperren, dann interessiert sich auch keiner mehr dafür
Rebekka Vogel

Am Neffelsee in Füssenich bekommt die UNB daher Hilfe vom Ordnungsamt der Stadt Zülpich. Der Neffelsee steht unter Naturschutz und gehört dem Erftverband. Es führt zwar ein Weg um den See herum, aber schwimmen darf man hier nicht. Es komme aber immer häufiger vor, dass Menschen gegen die Regeln verstoßen, sagt Vogel. Liegengelassener Müll sei ebenso ein Problem. Deshalb werde das Ordnungsamt auch in diesem Jahr verstärkt kontrollieren, teilt die Stadt mit.

Es gehe der UNB im Übrigen nicht darum, die Menschen möglichst weit weg von der Natur zu halten, betont Vogel. „Wenn wir die Leute aus den Naturschutzgebieten komplett aussperren, dann interessiert sich auch keiner mehr dafür“, sagt sie. Und das Interesse der Menschen sei für den Naturschutz enorm wichtig.

Deshalb könne man mit Erlaubnis der UNB auch in die Naturschutzgebiete hinein, zum Beispiel bei Führungen des Naturschutzbundes.

Wenn es um Naturbildung gehe und ein Besuch dafür in geschützten Gebieten nötig sei, könne die UNB das unter Auflagen erlauben, sagt Vogel. „Der Mensch ist letztendlich auch Natur, das muss einfach miteinander funktionieren.“ Und damit es funktioniert, muss Mensch sich eben an ein paar Regeln halten.

Rundschau abonnieren