Das „Museumsfest der Erinnerungen“ entführte in Kommern ins Jahr 1975, als die DJs noch „Plattenaufleger“ hießen und die Sonnenbank auf den Markt kam.
LVR-FreilichtmuseumDie „Zeitblende“ entführte die Besucher in Kommern ins Jahr 1975

Diese britischen Roadster zogen bei der Fahrzeugausstellung der Zeitblende die Blicke zahlreicher Besucher auf sich.
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Vierstellige Besucherzahlen registrierte das LVR-Freilichtmuseum in Kommern am Wochenende bei der zweitägigen „Zeitblende“. Bei dem „Museumsfest der Erinnerungen“ ging es in diesem Jahr ins Jahr 1975.
Damals, vor 50 Jahren, wurde auch Frank Oberkampf geboren. Außerdem erschien die Ausgabe der Männerzeitschrift mit den berühmten Interviews – also der „Playboy“ –, die Oberkampf mit nach Kommern gebracht hatte. Im wilden Flower-Power-Hemd sitzt er auf dem Stühlchen vor seinem Camper und hat den „Playboy“ mit dem aus heutiger Sicht wenig anstößigem Cover in der Hand – sozusagen ein lebendes „Zeitblende“-Exponat. Weitere 49 Camper aus den 1970er-Jahren haben ebenfalls am Rand des „Marktplatzes Rheinland“ Aufstellung genommen.
140 Young- und Oldtimer ziehen die Blicke auf sich
Zu sehen sind in Kommern auch 140 Young- und Oldtimer. Und es wird schnell klar: „Zeitblende“ heißt halt nicht, dass nur für immer Vergangenes zu sehen ist. Den „Playboy“ gibt es inzwischen als „Classic-Version“ auf Wunsch im Printabo, und manche Oldtimer aus dem Baujahr 1975 sind noch immer auf den Straßen unterwegs.
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Bereits zum Start am Samstag waren es „einige hundert“ Besucher, so Museumspressesprecher Daniel Manner, die die neue Zeitblende sehen wollten. Zum Beispiel den in Viperngrün-Metallic lackierten VW Scirocco von Marcel Wangen aus dem luxemburgischen Weiswampach. Der Flitzer sei für den, der es weiß, schon deshalb als frühestens Baujahr 1975 zu erkennen, weil er statt der gewohnten zwei, nur einen Frontscheibenwischer habe, so Wangen. Er hat das Fahrzeug in den USA gekauft, weshalb sein 75er-Scirocco die – in Europa damals noch unbekannten – besonders breiten Stoßfänger habe.

Typisch für 1975: Die knallorange Kellerbar-Ausstattung von Designer Wolfgang Feierbach.
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Der Scirocco löste 1975 den ab 1955 gebauten Karmann Ghia von VW ab. Auf dem Zeitblende-Ausstellungsgelände kam es zu einer Begegnung der Generationen, denn neben dem Scirocco waren auch wieder einige Ghias zu Gast.
Doch es geht den LVR-Museumskuratoren nicht nur um Autos. Erinnerungen an Lifestyle, Lebensverhältnisse und Ereignisse stehen ebenfalls im Fokus. Etwa entlang des Geschichtsweges, einer Outdoor-Ausstellung, und auch die von vielen bestaunten Exponate in der Ausstellungshalle. Wiedererkennungseffekte waren dabei eher die Regel als die Ausnahme, vor allem bei älteren Besuchern.
Bogenlampe und Kreismuster auf den Tapeten
Auf Stellwänden waren zudem eingesandte Urlaubsfotos zu sehen, etwa mit Aufnahmen einer Kamelsafari auf Ibiza oder dem Urlaub an der Mosel. „Allerdings muss man sagen, dass es immer schwerer wird, an solche Fotos zu kommen. Wir können die Besucher nur bitten, uns weiterhin welche zu schicken, jetzt schon für das kommende Jahr, wenn es um 1976 geht“, so Museumssprecher Daniel Manner.
„In“ war vor 50 Jahren beim Möbeldesign als neuester Schrei – und heute auch wieder gelegentlich in Wohnzimmern zu finden – die voluminöse Bogenlampe des Designers Wolfgang Feierbach, knallig orange wie auch eine Kellerbar oder eine komplette Badezimmereirichtung. An den Wänden hingen mit großen Kreismustern bedruckte Tapeten. Das „Space Design“ war optisch zwar „up to date“, geschmacklich aber doch eine Herausforderung.

DJs nannte man im Jahre 1975 noch „Plattenaufleger“. Einer der Hits des Jahres war „Rock Your Baby“.
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Eine Explosionsramme (Spitzname: „Frosch“) bediente Axel Dohmen bei der Zeitblende in Kommern.
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Am Camper-Park mit den viel bestaunten VW-Bullis herrschte der größte Trubel auf dem Platz. Ebenso rund um die Außengastronomie der alten Dorfkneipe „Zur Post“ und vor der Bühne im Ausstellungsbereich Marktplatz Rheinland, der die Nachkriegszeit zum Thema hat.
Hier gab es an beiden Tagen Live-Musik – und auch den Vorläufer der Discjockeys: einen „Plattenaufleger“. Die nahmen sich in Vor-Techno-Zeiten aber noch weniger wichtig als die Musik, die sie in „Singlesammelmappen“ mitgebracht hatten.
Die Musik von Abba kommt von der Schallplatte
Vinyl statt Stream: Volkmar Hess, Leiter des Internationalen Phono- und Radiomuseums Dormagen, hatte also zwei Plattenspieler des schwäbischen Herstellers Dual aufgebaut und das „Mittelstück“ für die Singles aufgelegt. Dann bediente er den berühmten Lifthebel des Plattenspielers und den Tonarm im Doppelgriff. Behutsam setzte er die Diamantnadel auf die erste Rille. So hörte man 1975 über seine Anlage Musik, wenn sie nicht vom Revox-Tonband oder vom Kassettenrekorder kam.

An den Ausweichsitz der Landeszentralbank in Satzvey erinnerten Peter Kern (l.) und Lothar Lubitz.
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Zu hören gab es bei der Zeitblende dann Musik natürlich von Abba, von One-Hit-Wondern wie George McCrae („Rock Your Baby“) oder der Düsseldorfer Band Kraftwerk, die 1975 noch als Avantgarde galt. Da fehlten zur rechten Zeitreise nur noch die Filme des Jahres: 1975 kam „Der weiße Hai“ in die Kinos, aber auch „Die Ritter der Kokosnuss“ der britischen Komiker- und Satiriker-Truppe „Monty Python“.
Unweit der Bühne wurde es dann immer mal wieder laut, es klang nach Straßenbau. „Ja, ich habe sofort gedacht: Da läuft ein Frosch“, so Rolf Winter aus Hellenthal. Er sollte Recht behalten: Wie der Laubhüpfer wurde damals auch die „Explosionsramme“ genannt, die den Boden nivellierte. In Kommern zeigte Axel Dohmen, wie man das Gerät einsetzte, das bis in die 1980er-Jahre hinein verwendet wurde, bevor es in der hier gezeigten Form aus Unfallverhütungsgründen verboten wurde.
Für LVR-Museumsleiter Carsten Vorwig ergab die Demonstration durchaus Sinn: „Wir wollen bei der Zeitblende ja nicht nur alte Autos zeigen!“ Im Gegenteil – denn vor 50 Jahren wurde auch auf den deutschen Markt gebracht, was seitdem für manche unverzichtbar ist: die Sonnenbank.