Aus laufender OP freigestelltGekündigter Arzt erhebt schwere Vorwürfe gegen Klinik

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  • Um 7.40 Uhr am 8. Juli dieses Jahres startete die Vorbereitung des Arabers für die rund achtstündige Operation.
  • Doch statt die Hirnoperation wie geplant durchzuführen wurde der Chirurg durch einen Anruf gestoppt.
  • „Das dürfte ein in Deutschland einmaliger Fall sein“, meint sein Anwalt.

Köln – Der 60-jährige Parkinsonpatient aus Katar dürfte an diesem Montag die Welt nicht mehr verstanden haben. Auf Vermittlung der Botschaft seines Landes war er nach Köln gekommen, um sich im Klinikum Merheim einen sogenannten Hirnschrittmacher implantieren zu lassen. Operateur sollte Privat-Dozent Dr. Mohammad Maarouf, Leiter der Abteilung Funktionelle Neurochirurgie und Stereotaxie im Zentrum für Neurochirurgie Köln-Merheim, sein. Der Neurochirurg Maarouf (56) ist unter anderem Spezialist für roboterassistierte Operationen.

Achtstündige Operation

Um 7.40 Uhr am 8. Juli dieses Jahres startete die Vorbereitung des Arabers für die Operation am Gehirn. Bei der rund achtstündigen Operation muss der Kopf völlig ruhig sein, er wird in ein Gerät eingespannt. Diese Vorbereitung soll abgeschlossen gewesen sein, als der klinische Direktor der städtischen Kliniken Professor Horst Kierdorf durch einen Anruf die OP gestoppt habe. „Mein Mandant wurde zu ihm bestellt“, erklärt Rechtsanwalt Professor Rolf Bietmann auf Anfrage gegenüber der Rundschau. Er vertritt den Neurochirurgen in einem arbeitsrechtlichen Konflikt mit den städtischen Kliniken. Denn: Im Gespräch mit dem Klinikdirektor wurde Dr. Maarouf an jenem 8. Juli die fristlose Kündigung ausgesprochen.

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Statt die Hirnoperation an dem Araber wie geplant durchzuführen, musste er unter anderem sein Diensthandy abgeben und wurde „von Juristen aus dem Haus geleitet“. „Doktor Maarouf hat mehrmals darauf hingewiesen, dass er in einer laufenden OP ist. Zudem kamen zwei Mitarbeiter aus dem Operationsteam und fragten ihn, wie es mit der OP nun weitergehen würde. Aber er durfte nicht mehr zum Patienten. Man hat ihn aus der laufenden OP freigestellt“, sagt Bietmann. Er sei schockiert. „Das dürfte ein in Deutschland einmaliger Fall sein“, so der Anwalt.

Unterschiedliche Schilderungen

Um 10.58 Uhr wurde die Operation dem Vernehmen nach abgebrochen. „Dem Patienten wurde mitgeteilt, dass es technische Probleme gegeben hätte“, so Bietmann. Zwei Tage später wurde der Araber, so bestätigt es die Uniklinik Köln, dort operiert und der Hirnschrittmacher eingesetzt. Über den Vorwurf, der zur fristlosen Kündigung des Arztes führte, gibt es unterschiedliche Versionen. Laut seinem Rechtsanwalt werde ihm vorgeworfen, ein Student, der sich in der Famulatur befindet, also praktische Erfahrungen nach dem ersten Staatsexamen sammelt, habe an einer OP mitgewirkt. „Dieser Vorwurf ist absurd. Ein Student würde höchstens so etwas wie die Wundversorgung übernehmen“, sagt Bietmann.

Die Operation

Tiefe Hirnstimulation ist der korrekte medizinische Begriff für den sogenannten Hirnschrittmacher. Bei dem Eingriff können neurologische Fehlleistungen korrigiert werden.

In Deutschland werden an rund 30 Kliniken jährlich etwa 400 Hirnschrittmacher implantiert. Die Implantation ist reversibel. An der Uniklinik Köln führen laut Pressestelle drei Ärzte jährlich 70 bis 80 neue Hirnschrittmacher-Implantationen durch. Normalerweise beträgt die Wartezeit für eine Operation zwei bis drei Monate. Seitdem Dr.Maarouf nicht mehr an der städtischen Klinik Merheim praktiziert, habe sich die Wartezeit nach Angaben der Uniklinik dort nicht erhöht. (dha)

Doch Holger Baumann, Geschäftsführer der städtischen Kliniken, stellt den Vorwurf anders dar. „Der Arzt hat eine nicht autorisierte Person alleine agieren lassen“, sagt er auf Anfrage der Rundschau. Der Student sei nicht bei der Klinik angestellt gewesen. „Studenten im praktischen Jahr müssen einen Anstellungsvertrag haben“, so Baumann. Während er von einem Studenten im praktischen Jahr spricht, ist auf Seiten des Arztes von einem Famulanten die Rede. Nicht der einzige Widerspruch in den Darstellungen.

Noch ist nichts entschieden

Die gravierendste Ungereimtheit liegt in der Darstellung der unterbrochenen Operation. Im Gegensatz zu Maaroufs Rechtsanwalt teilt das Klinikum Merheim mit, der Arzt sei am Freitag, 5. Juli, telefonisch zur Anhörung am darauffolgenden Montag geladen worden. „Dabei war ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass dieser Termin fix ist und eventuell geplante Operationen verschoben werden müssen“, lässt eine Sprecherin der städtischen Kliniken wissen. Weiter heißt es aus Merheim, der Arzt sei ohne gesonderte Aufforderung zum Gesprächstermin erschienen. Er habe auch nicht darauf hingewiesen, dass eine Operation begonnen worden war. Die Verantwortung für den Abbruch der Operation läge „allein beim Operateur“. Weiter teilt die Klinik mit, dass „aus Gründen der Vertraulichkeit“ keine weiteren Details mitgeteilt werden könnten.

Klinikgeschäftsführer Baumann indes zeigt sich im Gespräch mit der Rundschau irritiert darüber, dass der schwelende arbeitsrechtliche Konflikt an die Öffentlichkeit gelangt ist. Noch sei nichts entschieden. Vor dem Arbeitsgericht treffen sich die beiden Parteien am Donnerstag, 26. September, zu einem Gütetermin. Die robotergesteuerten Operationen, die der freigestellte Neurochirurg durchgeführt hat, werden derzeit in Merheim nicht durchgeführt. Die Ärztekammer Nordrhein erfuhr erst durch die Nachfrage der Rundschau von den Vorgängen. „Es bedarf daher zunächst einer Aufklärung des vorliegenden Sachverhalts. Im Moment können wir keine Stellung nehmen“, hieß es aus Düsseldorf.

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