Debatte um die Gänse-JagdKanada- und Nilgänse breiten sich in Köln aus

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Nilgänse – erkennbar am Ring um die Augen – stammen ursprünglich aus Afrika und sind mittlerweile auch in Köln heimisch.

Nilgänse – erkennbar am Ring um die Augen – stammen ursprünglich aus Afrika und sind mittlerweile auch in Köln heimisch.

Köln – Die Wildgänse kommen. Seit Jahren breiten sich vor allem Kanadagänse und Nilgänse verstärkt in Deutschland aus, auch in Köln. Im Deutzer Rheinpark ist eine große Zahl der ursprünglich aus Nordamerika stammenden Kanadagänse anzutreffen, auch in anderen Grünanlagen sind Nil- und Kanadagänse heimisch geworden. Wenn sie im Frühjahr mit ihren Küken über die Rasenflächen spazieren, geben sie ein idyllisches Bild ab.

Doch ihre starke Vermehrung wird zunehmend kritisch gesehen – weil sie als so genannte Neozoen (siehe Kasten) einheimische Arten verdrängen. Laut Deutschem Jagdverband (DJV) hat die afrikanische Nilgans ihr Verbreitungsgebiet in Deutschland in acht Jahren um 71 Prozent ausgedehnt, die Kanadagans sogar um 91 Prozent. Der DJV fordert „die bundesweite Bejagung der Tiere nach einheitlichen Standards“.

„Vor 30 Jahren hatten wir kaum Wildgänse“

Auch in Köln gebe es Probleme mit diesen invasiven Arten, berichtet Stadtförster Michael Hundt, Vorsitzender der Kölner Jägerschaft. „Vor 30 Jahren hatten wir kaum Wildgänse in Köln. Mittlerweile vermehren sich Kanada- und Nilgänse hier stark.“

Wenn die Vögel im Winter in großer Zahl auf den Äckern keimendes Getreide abfressen, führe das zu Ernteschäden. Problematisch sei auch die Verkotung von Gewässern, die dadurch umzukippen drohten. Beim Brüten seien Nilgänse sehr aggressiv, duldeten keine anderen Wasservögel in ihrer Nähe. Die Neozoen würden heimische Arten wie Graugans und Entenvögel verdrängen. Zahlen zur Gänse-Population nannte er nicht, doch sei klar, dass sie sich weiter ausbreiten. „Wir befürworten die Bejagung, um die Bestände zu regulieren“, so Hundt.

Allerdings darf in Köln nur in Außenbezirken gejagt werden. In Grünanlagen in bebauten Gebieten, dem so genannten „befriedeten Bereich“, ist die Jagd verboten, erläutert Dr. Joachim Bauer, Vize-Chef des städtischen Grünflächenamts. „Ausnahmen gibt es nur aus besonderem Anlass, etwa für die Kaninchenjagd auf Friedhöfen.“ In der Stadt fühlten sich die Gänse besonders wohl. „Die Tiere lernen schnell. Sie wissen, dass ihnen hier niemand etwas tut.“

Population auf 300 bis 400 Tiere geschätzt

Bauer schätzt die Population der Kanadagänse in Köln auf mindestens 300 bis 400 Tiere. Im Rheinpark, am Decksteiner und Kalscheurer Weiher sowie in anderen Parks fänden die Tiere ideale Lebensbedingungen. „Sie brauchen offenes Gelände, relativ kurzes Gras und Zugang zum Wasser.“ Problematisch seien die großen Mengen an Kot, den die Vögel hinterlassen – etwa im Rheinpark, „wo Menschen gerne auf der Wiese liegen oder Fußballspielen wollen“. An eine Bejagung sei jedoch nicht zu denken. „Das haben die Kollegen in Frankfurt versucht. Die öffentliche Empörung war groß.“

Ornithologe Achim Kemper vom Kreisverband Köln des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) bestätigt, dass die Gänsebestände zunehmen, doch fehle es an wissenschaftlich gesicherten Daten. „Schätzungen aus 2017 gehen nur von zehn bis 15 Brutpaaren Nilgänse und 35 bis 65 Brutpaaren Kanadagänse in Köln aus. Das rechtfertigt keine Jagd.“ Zuerst müssten die Bestände genauer erfasst werden. Auch ohne Eingriffe des Menschen würd-en sich Tierpopulationen ab einer gewissen Größe von alleine regeln. Hinzu komme: „Wenn man die Jagd auf den Feldern am Stadtrand intensiviert, würde das die Gänse erst recht in die Stadt treiben.“

Neozoen

Unter Neozoen versteht man Tierarten, die sich in einem Gebiet etabliert haben, indem sie zuvor nicht heimisch waren. Bei Pflanzen spricht man von Neophyten.

Als invasiv werden Tier- und Pflanzenarten bezeichnet, die heimische Arten verdrängen. Oft wird der Prozess durch den Menschen ausgelöst – wie bei der aus Südamerika stammenden Aga-Kröte. Der giftige Lurch wurde in Jamaika, Barbados und Australien zur Bekämpfung von Schadinsekten in Zuckerrohrplantagen ausgesetzt, vermehrte sich massenhaft und wurde zur Plage. (fu)

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