Kölner Zoo der Zukunft„Zoo ist zu 100 Prozent Artenschutz“

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Prof. Dr. Thomas Ziegler, Aquariumschef.

Köln – Genau hinsehen. Mehr braucht es nicht, um hin und weg zu sein: Mattschwarz, mit eckigen Köpfchen und leuchtend orangenen Zehen wirken sie wie erstarrte Urzeitkriechtiere. Bloß winzig klein. Vollkommen reglos harren die jungen Molche zwischen Laub und Holz in ihren Plastikboxen aus, bis die Gefahr vorüber ist. Was in der Natur ihr Leben retten soll. Und oft nicht tut.

Vor dem Aussterben gerettet

Abholzung, Rohstoffabbau, Wilderer, die sie einfach absammeln – die Vietnamesischen Krokodilmolche sind ihn ihrer Heimat akut vom Aussterben bedroht. Deshalb freuen sich Thomas Ziegler, Chef des Zoo-Aquariums, und sein Amphibienpfleger-Team gerade sehr. Gelinde gesagt. „Über 200 junge Molche haben wir durchbekommen“, sagt Ziegler begeistert. „So viele, dass wir sagen können: ‚Das haben wir geschafft. Diese Art stirbt nicht aus!‘“

An Freiheitsdrang mangelt es ihnen nicht: Kaum ist der Deckel  der Transportbox ab, hüpfen die Mini-Kröten gegen die Plastikwände an. Ihr neuer Lebensraum, ein Reservat im Kölner Norden, lockt schließlich mit Tümpeln, Kiesflächen und Holzhaufen zum Unterkriechen. Dorthin haben sie Vertreter der NABU-Station Leverkusen-Köln, der Unteren Landschaftsbehörde und Aquariumschef Thomas Ziegler gebracht, um  den Erhalt der Wechselkröte zu sichern, die in NRW ausschließlich in der Kölner Bucht  vorkommt. Hier war ihr  Bestand in den vergangenen Jahren um die Hälfte geschrumpft, auch, weil ihre Lebensräume bebaut worden waren. 2016 wandte sich der NABU an den Zoo,  gemeinsam entwickelte  man ein Schutzkonzept  und startete ein Aufzuchtprojekt. Seitdem wurden schon mehrere hundert   Tiere in die Freiheit entlassen, um natürliche Bestände zu stärken oder neu angelegte Biotope  zu besiedeln. (bos)

Ein Erfolg von vielen. Von den 33 Amphibienarten im Aquarium bekamen 14 bereits Nachwuchs, 11 Arten allein in diesem Jahr. Vor allem solche, die stark gefährdet sind. Dazu zählt auch die heimische Wechselkröte – 63 sehr agile Mini-Kröten konnten vor kurzem im Kölner Norden ausgewildert werden (siehe Kasten).

Bedrohte Tierarten in Zoos halten und vermehren – das klingt logisch, ist aber ein ambitioniertes Vorhaben. Bei den Zoos weltweit habe ein Wandel eingesetzt, hin zu deutlich mehr Artenschutz, so Ziegler. „Aber es gibt immer noch welche, in denen nicht eine einzige bedrohte Amphibienart gehalten wird.“

Mit Mühe und viel Leidenschaft

Beim Wandel müssen alle mitziehen: Stadt, Aufsichtsrat, Zooleitung und nicht zuletzt die Besucher, denn manchmal sind bedrohe Arten optisch auf den ersten Blick nicht so attraktiv. „Aber wenn die Menschen bei Führungen hinter den Kulissen sehen, mit wie viel Mühe und Leidenschaft unser Team hier um jede einzelnen Art und ihren Nachwuchs kämpft, sehen die Besucher diese Tiere mit anderen Augen“, schildert Ziegler.

Darauf setzt auch ein Konzept, das moderne Zoos der Zukunft beschreibt. In denen würden dann bewusst sehr viele bedrohte Arten gezeigt. Sie sind weltweit vernetzt und unterstützen sich bei Haltung und Vermehrung der oft sehr empfindlichen Amphibien, Fische und Reptilien. „Dabei können Zoos auch Schwerpunkte bilden, Köln etwa Vietnam und Madagaskar“, erklärt Ziegler. Zu tun gibt es mehr als genug: Bislang sind 8000 Amphibienarten bekannt, 540 gibt es in Zoos, davon sind die meisten nicht gefährdet. Lediglich vier Prozent der gefährdeten Arten werden in Zoos gehalten.

Gezielt bedrohte Arten unterstützen

„Wenn wir uns in Zukunft gezielt für bedrohte Arten entscheiden, haben wir sie, wenn sie vor dem Aussterben stehen. Und können sie durch Zucht und Wiederauswilderung erhalten“, sagt Ziegler. Das sei bei den heimischen Feuersalamandern, die derzeit von einem eingeschleppten Pilz massiv dezimiert werden, noch lange nicht geschafft. „Sie rutschen uns vor unserer Haustür durch die Finger, wir waren nicht vorbereitet, haben noch zu wenige Nachzuchtstationen.“ Es braucht einen langen Atem, denn viele Zoos, die mehr Artenschutz machen wollen, müssen erst Platz dafür schaffen, Expertise aufbauen und Gelder akquirieren. Trotzdem. „Das Thema ist bei vielen Kollegen angekommen“, so Ziegler. „Wir versuchen, das Netzwerk ständig zu erweitern, andere mitzuziehen. Zoo ist für mich zu 100 Prozent Artenschutz.“

Von Zoos alleine sei das allerdings nicht zu schaffen. Deshalb haben die Artenschützer quer gedacht. Und Menschen mit ins Boot geholt, die Amphibien und Fische lieben und Erfahrung mit ihrer Haltung haben.

Auch private Tierhalter können helfen

Als Mitglieder der Gruppe Citizen Conservation können private Tierhalter vertraglich gebunden seltene Arten aus Zoos erhalten. Mit der Maßgabe, sie zu vermehren und einem stetigen Wissenstransfer. „Auch einige unserer Krokodilmolche sind an Citizen Conservation gegangen,“, so Ziegler. „Andere an Zoos in Deutschland, Europa – wie Wien – und an unsere Partner-Station in Vietnam, die wir seit langem bei ihrer Arbeit vor Ort unterstützen.“ Um Inzucht zu vermeiden, haben die Kölner dank des Netzwerks Molche von der Uni Gent in Belgien bekommen. Und das ist gerade wieder um eine Tierart reicher geworden: Als weltweit erstem gelang dem Kölner Zoo die Nachzucht des nach Thomas Ziegler benannten, gefährdeten Molches Tylototriton zieglieri – 40 Larven wachsen gerade im Aquarium heran und können danach an andere Zoos weiterverteilt werden.

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In dessen Herkunftsland gibt es, wie in vielen anderen auch, kaum Fachleute oder Geld für Schutzmaßnahmen. „Wir haben in unseren Zoos Experten und Platz für bedrohte Arten. Zoos müssen sich unbedingt mit ganzer Kraft für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzen“, sagt Ziegler. Durch Erhaltungszucht in Zoos und Artenschutz- und Forschungsprojekte draußen vor Ort, im Lebensraum. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Mehr Informationen zu Ciriten Conservation gibt es auf ihrer Website.

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