Quoten wie zu Honeckers besten Zeiten wurden bei der jüngsten Kommunalwahl in einigen Bezirken in Oberberg verzeichnet. Doch wie kam es dazu?
KommunalwahlIn Oberberg meldeten Wahlbezirke bis zu 100 Prozent Beteiligung – Wie kam es dazu?

Am Sonntag wird in Oberberg erneut gewählt.
Copyright: dpa (Symbolfoto)
Wahlbeteiligungen von nahe 100 Prozent erinnern an Quoten, die einst jenseits des Eisernen Vorhangs verkündet wurden. Trotzdem gab es solche hohen Werte bei der jüngsten Kommunalwahl auch in oberbergischen Stimmbezirken. Wie kommen diese Zahlen zustande? Ein Blick auf die ein wenig kniffelige Berechnung der Wahlbeteiligung klärt auf.
Wo gab es besonders hohe Wahlbeteiligungen?
Quer durch den Kreis wurden am Wahlsonntagabend Quoten von über 90 Prozent veröffentlicht. Die Bergneustädter Belmicke meldete bei der Ratswahl 92,12 Prozent Beteiligung, in Wipperfürth-Dohrgaul gaben 97,34 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme ab und für den Stimmbezirk Engelskirchen-Kaltenbach meldete der Ergebnisdienst sogar: „Die Wahlbeteiligung liegt bei 100 Prozent.“
Haben die „Rekordbezirke“ eine Gemeinsamkeit?
Gemein ist allen Stimmbezirken mit ungewöhnlich hoher Quote, dass es sich um Stimmbezirke handelt, die mit mindestens einem weiteren Stimmbezirk einen Wahlbezirk bilden. Konkret: Belmicke und das Othetal formen den Bergneustädter Wahlbezirk 160 Belmicke/Othetal. Und Dohrgaul und Agathaberg sind genauso zu einem Wahlbezirk zusammengeschlossen, wie Kaltenbach mit dem südlichen Ründeroth den Bezirk Ründeroth III bildet.
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Stimmbezirke haben sich oft historisch gebildet, es geht darum, dass die Menschen kurze Wege zur Urne haben sollen, damit möglichst viele mitwählen. So konnten die Kaltenbacher bequem in der Schützenhalle ihr Kreuz machen und mussten nicht über Bellingroth an die Ründerother Gartenstraße kurven.
Sind mehrere Stimmbezirke pro Wahlbezirk häufig?
Im Gegensatz etwa zu Köln sind mehrere Stimmbezirke im Oberbergischen selten, aber es gibt sie. Engelskirchen hat zum Beispiel 16 Wahlbezirke, aber 21 Stimmbezirke. Nach einer Kommunalwahl werden die Ergebnisse aus mehreren Stimmbezirken eines Wahlbezirks zusammengezählt – danach steht fest, wer das Direktmandat holt und für welchen Bürgermeisterkandidaten die Mehrheit in dem gemeinsamen Wahlbezirk gestimmt hat.
Welchen Einfluss haben Briefwähler auf die Beteiligung?
Jetzt wird es komplizierter. Zurück nach Engelskirchen: Dort hatte die Gemeinde vor dem Wahltag 16 (nicht 21!) Urnen für die Briefwähler aufgestellt und die per Post eintrudelnden Stimmen den Wahlbezirken zugeordnet. Am Wahlsonntag wurden diese 16 Urnen nun zur Auszählung in die Wahllokale transportiert. Dabei hatte man in Engelskirchen die Qual der Wahl: Bringt man die Briefwahlstimmen für Ründeroth III an die Gartenstraße oder in die Schützenhalle.
„Bei uns gilt die Regel, dass die Stimmen der Briefwähler an den Ort gebracht werden, der in der Stimmbezirksliste vorne steht“, erklärt Norbert Hamm vom Engelskirchener Verwaltungsvorstand. Und das war am vorletzten Sonntag Kaltenbach. In Bergneustadt entschied man sich für die Belmicke und gegen Neuenothe, in Wipperfürth für Dohrgaul und gegen Agathaberg.
Wie passiert mit den Briefwahlstimmen im Wahllokal?
Sämtliche Briefwahlstimmen wurden anschließend in Kaltenbach, Belmicke und Dohrgaul ausgezählt, also auch die aus den anderen Stimmbezirken. Und: Sie flossen in diesem Stimmbezirk (und nur in diesem) in die Wahlbeteiligung ein. Für das kleine Kaltenbach wurden also auch alle Briefwähler aus dem größeren Ründerother Partner-Stimmbezirk registriert. An der dortigen Gartenstraße wiederum fehlten sie in der Auswertung.
Die Folge: 100 Prozent Beteiligung in Kaltenbach, maue 45 Prozent an der Gartenstraße. Ähnliche Resultate gab es in Bergneustadt (Belmicke 92 Prozent, Neuenothe 45) und Wipperfürth (Dohrgaul 97 Prozent, Agathaberg 41). „In einem Stimmbezirk hatten wir sogar über 100 Prozent Beteiligung, das verkraftet das System dann schlicht nicht“, so Hamm.
Ist dieses Vorgehen überhaupt rechtens?
Da es beim Direktmandat ohnehin auf das Ergebnis im gesamten Wahl- und nicht im einzelnen Stimmbezirk ankommt, alle Stimmen also letztlich addiert werden, ist das Prozedere nur organisatorischer Natur und hat auf das Ergebnis keine Auswirkung. Alle Stimmen zählen genau dort, wo sie auch hingehören. Nur die daraus resultierende Wahlbeteiligung kann irreführend erscheinen.
Machen das alle Kommunen in Oberberg so?
Nein, die Stadt Wiehl hatte tatsächlich für jeden Stimmbezirk eine eigene Briefwahlurne aufgestellt, dort wurden am Wahltag 22 Behälter transportiert. Und Gummersbach hatte gleich eigene Briefwahlbezirke gebildet, die separat ausgezählt wurden.
Wie läuft das am kommenden Sonntag?
Engelskirchen und Bergneustadt werden am Sonntag keine Briefwahlurnen transportieren, diese Stimmen werden direkt in den Rathäusern ausgezählt. An der Agger will man sich künftig überhaupt vom bisherigen System verabschieden, berichtet Norbert Hamm – vor allem mit Blick auf die stetig steigende Zahl der Briefwähler, die für die Wahlhelfer eine ganze Menge Arbeit mehr bedeutet, wenn die prall gefüllte Urne vorgefahren wird. In Wipperfürth wird es dagegen auch am kommenden Sonntag eine Rundfahrt mit Urnen durch das Stadtgebiet geben.