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Hotline und SchabloneMit diesen Hilfen können Blinde in Oberberg allein in die Wahlkabine

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Zu sehen ist ein blinder Mann mit der Wahlschablone NRW und einer CD mit Informationen zur Hotline, die den Stimmzettel vorliest.

Eine wertvolle Hilfe ist die Wahlschablone für Menschen wie Bodo Isenhardt aus Wiehl – nur durch sie bleibt die Wahl blinder Menschen wirklich im Verborgenen. 

Bei der oberbergischen Kommunalwahl sorgen technische Neuerungen dafür, dass die Stimmabgabe sehbehinderter Menschen wirklich geheim bleibt. 

Mit hippen Job-Bezeichnungen steht der Sprachcomputer jedenfalls auf Kriegsfuß. Die sympathische Frauenstimme beißt sich am „Sales Director“ eines Lokalpolitikers aus dem Süden Oberbergs genauso die Zähne aus wie am „Chief Operating Officer“, den eine Kandidatin aus der Kreismitte ihrem Wahlleiter als Beruf mitgeteilt hat. Ansonsten funktioniert die Software wirklich gut – und sie spielt ihre Stärken gegenüber dem Menschen voll aus.

Telefonstimme liest oberbergische Wahlzettel gelassen vor

Mit herrlicher Gelassenheit trägt die Stimme vor, wer auf dem Bergneustädter Hackenberg für den Stadtrat kandidiert, wen die Looper in den Gemeinderat wählen können und welche Parteien miteinander in Wipperfürth um Sitze streiten. Ungeduldig wird sie dabei nie, auch dann nicht, wenn man ihr die gleiche Frage zigfach stellt.

Die Stimme am Hörer ist der zentrale, aber nicht der einzige Baustein, mit dem die Blinden- und Sehbehindertenvereine in Nordrhein-Westfalen (BSV) ihren Mitgliedern, auf Wunsch aber auch allen anderen Betroffenen im Land, die Teilnahme an der Kommunalwahl 2025 ermöglichen. In dieser Woche haben große weiße Umschläge auch die oberbergischen Adressen erreicht. Darin: Eine mehrfach gefaltete Schablone und eine CD.

Zettel für die oberbergische Landratswahl ist dreifach gelocht

Schon die NRW-Landesverfassung verpflichtet die Kreise und Kommunen, auch blinden Menschen das Wählen zu ermöglichen – und die folgen der Vorgabe: So ist bei jedem Stimmzettel im Land die rechte obere Ecke abgetrennt. Dadurch kann der Stimmzettel genau in die Wahlschablone eingeklemmt werden und zugleich wird vermieden, dass blinde Wählerinnen und Wähler auf der Rückseite ankreuzen.

Während Sehende die verschiedenen Stimmzettel beim Wählen und auch Auszählen anhand der Farben auseinanderhalten, orientieren sich Blinde an den Löchern am unteren Rand des Papiers, auf deren Bedeutung die BSV jüngst noch einmal hingewiesen haben: Der Zettel für die Gemeinderatswahl hat gar kein Loch. Zettel für die Bürgermeisterwahl sind einfach, die für den Kreistag zweifach und die der Landratswahl dreifach gelocht.

Nur mit Hilfe dieser Schablone können Menschen, die sehr schlecht oder gar nicht sehen, tatsächlich geheim abstimmen.
Bodo Isenhardt, Vorsitzender des Oberbergischer Blinden- und Sehbehindertenvereins

Die Schablone kann zu Hause bei der Briefwahl genutzt, aber auch mit in die Wahlkabine mitgenommen werden. Der Wiehler Bodo Isenhardt, Vorsitzender des Oberbergischer Blinden- und Sehbehindertenvereins, betont: „Nur mit Hilfe dieser Schablone können Menschen, die sehr schlecht oder gar nicht sehen, tatsächlich geheim abstimmen.“ In der Praxis würden viele per Brief wählen und Angehörige bitten, die Kreuze für sie zu machen. „Aber längst nicht jeder möchte, dass die Familie Bescheid weiß, wem man seine Stimme gegeben hat“, weiß Isenhardt.

Um die 50 Oberbergerinnen und Oberberger haben jüngst jedenfalls ihr kostenloses Wahlpaket bekommen. Bleibt die Frage, welchen Zweck die mitgelieferte CD hat. Dazu muss man bedenken, dass die Wählenden über die Schablone zwar kontrollieren, in welcher Zeile sie ihr Kreuz machen, sie können aber nicht ablesen, in welcher Reihenfolge die Kandidaten auf dem Stimmzettel aufgelistet sind.

Akustischer Stimmzettel zum zweiten Mal bei einer NRW-Kommunalwahl

Hier kommt der sogenannte „akustische Stimmzettel“ ins Spiel, den es bei einer Kommunalwahl nun zum zweiten Mal flächendeckend gibt. Getestet hat NRW ihn seit 2017 zunächst bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen. Anfangs las eine Stimme auf der CD die Reihenfolge der Kandidaten im Wahlkreis des jeweiligen blinden Menschen vor.

Nur: Während beim europaweiten Urnengang der hiesige Wahlkreis bis hinter Köln reichte und bei der Bundestagswahl immerhin noch alle Oberberger den gleichen Stimmzettel bekamen, ist die Lage gerade bei der Kommunalwahl viel komplizierter: Hier macht es schon einen Unterschied, ob man auf der Gummersbacher Kaiserstraße in einem Haus mit gerader oder ungerader Hausnummer wohnt. Unter dem Strich müsste man also individuelle CDs anfertigen, ein nicht zu stemmender Aufwand.

Zusammen mit den Kreisen und Kommunen haben sich die BSV deshalb für die erwähnte und kostenlose Hotline entschieden, die man sogar noch aus der Wahlkabine heraus anrufen kann – die aktuelle CD erklärt das Prozedere nur noch und betont, dass die Computerstimme Betroffene tatsächlich passgenau über ihre Stimmzettel informiert. Nach Eingabe von Postleitzahl und Stimmbezirksnummer kann man mit der Taste sechs die Reihenfolge der Kandidaten abfragen, mit der Zwei wechselt man zum Beispiel vom Bürgermeister- zum Landratsstimmzettel.

Nur die Entscheidung, wen man jetzt wählt, die nimmt einem der Computer glücklicherweise noch nicht ab.


Wer kurzfristig noch ein kostenloses Wahlpaket für sehbehinderte Menschen benötigt, meldet sich zügig bei Bodo Isenhardt unter Telefon (0 22 62) 7 77 07 56. Die Nummer der kostenfreien Hotline des BSV lautet (08 00) 0 00 96 71.