OrgantransplantationGummersbacher Klinikumschef unterstützt Jens Spahns Vorschlag

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Organentnahme Archivbild

Ein OP-Team entnimmt die Niere eines verstorbenen Spenders. Noch zu selten passieren solche Eingriffe am Gummersbacher Krankenhaus.

  • Die Zahl der Organtransplantationen in Deutschland ist im europäischen Vergleich sehr gering.
  • Prof. Dr. Saad wünscht sich eine bessere finanzielle Unterstützung der Kliniken für Oragantransplantationen.
  • Wer als Organspender in Frage kommt, ist genau festgelegt.

Gummersbach – Mit dem seit wenigen Wochen geltenden  Transplantationsgesetz will Bundesgesundheitsminister Spahn die Zahl der Organübertragungen erhöhen. Was er davon hält und wie die Situation am Klinikum Gummersbach ist, darüber gibt Chefarzt und Transplantationsexperte Prof. Dr. Stefan Saad Auskunft.

Professor Saad, Gesundheitsminister Minister Spahn will, dass künftig jeder Organspender ist, der sich nicht ausdrücklich dagegen ausspricht. Wie finden Sie die Widerspruchslösung?

Gut. Als großes Industrieland geben wir im europäischen Vergleich in Bezug auf die Zahl der Organtransplantation ein relativ schlechtes Bild ab. Man muss sich fragen, woran das liegt, wenn laut Umfragen doch 80 Prozent der Menschen bereit wären, nach ihrem Tod Organe zu spenden. In Ländern mit Organspenderquote hat sich die Widerspruchlösung seit Jahren bewährt. Es wird ja niemand gezwungen, jeder soll selbst entscheiden. Ich finde, es ist ein gutes Gesetz.

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Den Krankenhäusern wird im neuen Gesetz eine Schlüsselrolle zugewiesen.

Jedes Krankenhaus kann Entnahmekrankenhaus sein. Auch bei uns in Gummersbach versterben Patienten, die als Organspender in Frage kommen können.

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Prof. Dr. med. Stefan Saad ist Chefarzt der Bauch-, Brustkorb- und  Gefäßchirurgie am Kreiskrankenhaus Gummersbach. Seit 2012 ist er der Transplantationsbeauftragte des Klinikums Oberberg.

Im neuen Gesetz wird auch auf eine bessere Erstattung der Klinikaufwendungen für Organentnahmen abgestellt. Das klingt, als wäre eine unzureichende Finanzierung solcher Eingriffe mit ein Grund für die bislang niedrigen Transplantationszahlen. Teilen Sie diese Ansicht?

Es  stimmt, dass  bisher eine Organspende für die Entnahmekliniken einen finanzieller Verlust darstellte. Es ist zu vermuten,  dass sich  eine unzureichende Finanzierung nicht förderlich für die  Organspende auswirkt.   Daher ist es zu begrüßen, wenn Herr Spahn den Kliniken mehr Geld für die Organspende zur Verfügung stellt.

Neues Gesetz

Mit dem im April verabschiedeten „Zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes“ (Organspendegesetz) will die Bundesregierung  die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern schaffen, um die Organspendezahlen zu erhöhen.  Experten wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation hatten den Rückgang bei den Organspenden nämlich nicht auf nachlassende Spendenbereitschaft der Bevölkerung zurückgeführt, sondern auf Defizite bei der Arbeit in den Kliniken, beispielsweise  durch die Überlastung des Personals auf den  Intensivstationen. 

Künftig sollen die Entnahmekrankenhäuser für den gesamten Prozess der Organentnahme besser entlohnt werden. Gleichzeitig müssen sie – je nach Größe ihrer Intensivstation – den Transplantationsbeauftragten für seine Aufgabe freistellen. Die Gummersbacher Intensivstation ist für eine ganze Stelle zu klein; je zehn Intensivbetten wird eine zehntel Stelle angerechnet.

Kleinere Entnahmekrankenhäusern sollen ab 2020 eine bundesweite neurologisch/neurochirurgische Rufbereitschaft zur Feststellung des Hirntods in Anspruch nehmen können.

Erstmals wird auch die Angehörigenbetreuung geregelt. So soll der Austausch anonymisierter Schreiben zwischen Organempfängern und den nächsten  Angehörigen der Organspender ermöglicht werden. (kn)

Wie oft kommt es in Gummersbach zu einer  Organspende?

2017 hatten wir gar keine. Im  vergangenen Jahr waren es  zwei Patienten, denen Lunge, Leber und die Nieren entnommen und Empfängern erfolgreich transplantiert werden konnten.

Das klingt nicht nach viel?

Das stimmt. Für ein Krankenhaus unserer Größe liegen wir damit  an der unteren Grenze.  

Wer ist geeignet, ein Organspender zu sein?

Fast jeder. Das weit verbreitete Bild vom tödlich verunglückten 25-jährigen Motorradfahrer als häufigstem und idealem Spender  stimmt nicht. Die meisten sind mittelalte Patienten mit Gehirnschädigungen. Selbst 85- oder 90-Jährige können Organspender sein.

Aber deren Organe sind doch dann genauso alt . . .

. . . wenn sie gesund sind, spricht nichts dagegen. Man würde die Niere eines 80-Jährigen nicht einem 20-Jährigen einsetzen, aber durchaus einem 65-Jährigen. In dieser Altersgruppe warten schließlich auch Menschen dringend auf ein Organ.

Wer scheidet als Organspender aus?

Menschen mit schweren Infektionskrankheiten oder  geschädigten Organen. Auch Krebspatienten, denn ihre Tumore können streuen und andere Organe schädigen. Gehirntumore bilden die Ausnahmen, sie streuen nicht.

Wie läuft das Verfahren einer Organspende ab?

Nach strengsten Vorgaben und Regeln. Das Verfahren ist von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) vorgegeben und muss minutiös eingehalten werden. Wichtigste Voraussetzung ist, dass zwei Ärzte, in der Regel ein Neurologe und ein Anästhesist, den Gehirntod feststellen. Bis dahin versuchen wir alles, den Patienten am Leben zu erhalten. Wird er für gehirntot erklärt, stehen wir am Scheideweg. Wir stellen entweder die  lebenserhaltenden Maschinen der Intensivstation ab – alles andere wäre unethisch –  oder lassen sie, wenn ein Organspenderausweis vorliegt oder die Angehörigen mit einer Organspende einverstanden sind, noch für einige Stunden laufen, bis die Organe entnommen sind.

Das müssen schwierige Gespräche sein mit den Angehörigen.

Ja. Und sie finden wirklich im  unpassendsten Augenblick statt. Die Menschen haben  ja gerade einen Angehörigen verloren. Es ist eine Zumutung für beide Seiten. Deshalb ist es so wichtig, sich vorher im privaten Umfeld mit dem Thema zu befassen, damit die Angehörigen wissen, wie der Verstorbene zu Lebzeiten darüber gedacht hat anstatt ihnen zuzumuten, unter Zeitdruck so eine Frage zu beantworten.

Wie laufen die Gespräche ab?

Wir fragen und erklären, um herauszufinden, wie der Patient zu Lebzeiten zum Thema Organspende gestanden hat, wie er sich vielleicht dazu geäußert hat. Sprechen sich die Angehörigen gegen eine Organspende aus, ist das Gespräch beendet. Das war 2018 in fünf Fällen so. Wir überreden niemanden und diskutieren nicht.

Wie geht es weiter, wenn Sie das Einverständnis bekommen oder der Organspenderausweis vorliegt?

Wir melden der DSO, dass wir einen geeigneten Patienten haben und übermitteln alle notwendigen medizinischen Daten. Die DSO ist die deutschlandweite Koordinierungsstelle für postmortale Organspenden. Über Eurotransplant im niederländischen Leiden werden dann in acht europäischen Ländern geeignete Empfänger gesucht und über die Kliniken dort Kontakt zu ihnen aufgenommen, um festzustellen, ob sie operiert werden können. Sind sie zum Beispiel gerade grippekrank, rückt der nächste Patient auf der Warteliste nach.

Wer entnimmt die Organe?

Das übernehmen regionale Entnahmeteams aus dem Raum Köln und Bonn. Sie kommen zu uns, operieren und machen die Organe versandfertig, damit sie so schnell wie möglich in die Kliniken kommen, wo die Empfänger bereits warten. Bei Herztransplantationen kommt der spätere Operateur selbst. Die Herzchirurgen wollen das Herz vorher sehen.

Erfahren Sie, ob die Transplantationen erfolgreich verlaufen sind?

Wir bekommen  Berichte über die Operationen und informieren unsere Mitarbeiter darüber. Unsere beiden  Organspenden 2018 sind erfolgreich verlaufen. Die Bereitschaft zweier Patienten, nach ihrem Tod  Organe zu spenden, hat acht Menschenleben gerettet.

Sie könnten darüber doch auch die Hinterbliebenen der Spender informieren.

Das ist eine gute Idee.

Was wird das Klinikum Oberberg tun, um vor dem Hintergrund des neuen Gesetzes für mehr Organspenden zu werben?

Weiterhin unsere Ärzte und das Pflegepersonal für das Thema sensibilisieren. Und wir werden noch in diesem Jahr zu einer  öffentliche Informationsveranstaltung einladen. Jeder sollte sich fragen, wenn seine Ehefrau, seine Mutter oder sein Kind ein Organ benötigen würde und  eine Organspende die letzte Überlebenschance wäre, ob man dann nicht die Hoffnung hätte, dass es zu einer Organspende kommt. Konsequenterweise sollte man  daher auch selbst positiv zu einer Organspende im Falle des eigenen Todes eingestellt sein.

Zum Schluss die unvermeidliche Frage: Haben Sie einen Organspendeausweis?

Ja, aber der liegt zu Hause bei meinen Unterlagen. So ein Ausweis kann verloren gehen. Wichtig ist, dass mein Umfeld weiß, wie ich darüber denke und in meinem Sinne entscheiden kann.

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