Steigende ZinsenTraum vom Eigenheim in Oberberg ist bedroht

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Um Häuser in einem Wohngebiet stehen mehrere Baugerüste.

Teures Material, wenige geeignete Grundstücke – die Mehrheit der Makler findet, dass in Oberberg zu wenig gebaut wird.

Immobilienexperten sagen, dass es in Zeiten der Inflation Sinn ergibt, in Immobilien zu investieren. Allerdings als langfristige Anlage.

Steigende Zinsen haben seit Jahresbeginn die Finanzierung einer Immobilie drastisch verteuert. Darauf weisen zwei oberbergische Immobilienmakler im Gespräch mit dieser Zeitung hin. Dabei fürchten die Fachleute, dass ein Hauskauf nach der Leitzinserhöhung durch die US-Notenbank in der Vorwoche auch in Oberberg noch teuerer werden könnte.

Der Diplom-Immobilienwirt Christian Borch vom gleichnamigen Immobilienbüro in Wiehl-Bielstein etwa macht eine einfache Rechnung auf und geht dabei von einem durchschnittlichen Haus zum Preis von 260.000 Euro aus. „Im November 2021 lag der Zinssatz für die Finanzierung meist bei 1,2 Prozent, man zahlte also 3120 Euro an Zinsen pro Jahr. Inzwischen liegt er bei 3,85 Prozent, das sind schon gut 10.000 Euro.“

70.000 Euro höhere Kosten innerhalb eines Jahres

Bezogen auf eine meist zehnjährige Zinsfestschreibung durch die Bank ergebe sich nun eine Mehrbelastung von 70.000 Euro – im Vergleich zu den Konditionen vor einem Jahr und für die gleiche Immobilie. Borch geht fest davon aus, dass die Europäische Zentralbank bald dem Beispiel der Amerikaner folgen und den Leitzins ebenfalls weiter erhöhen wird. Vier Prozent Zinsen seien dann durchaus realistisch.

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Sein Gummersbacher Kollege Ralph Gottmann von der Immobiliengruppe Bender und Bender kalkuliert sogar mit fünf Prozent. Gleichwohl betonen beide Experten, dass es gerade in der Inflationsphase gute Gründe gebe, Geld in Immobilien anzulegen – allerdings als langfristige Anlage. „Die Zeit, in der man in Oberberg mit Immobilien schnelles Geld verdienen konnte, ist vorbei“, ist Christian Borch sicher.

Dass sich Menschen, die in der Region ein Heim suchen, künftig auf eine Entspannung am oberbergischen Immobilienmarkt freuen können, ist nach Ansicht der Experten indes mehr als fraglich. Grund Nummer eins: Der Oberbergische Kreis ist bei Menschen aus der Rheinschiene weiterhin enorm beliebt. „Ich habe Kunden, die eine Kölner Eigentumswohnung verkauft haben und sich mit dem Erlös problemlos zwei bis drei Häuser in Oberberg leisten können“, verrät Borch.

Experte: In Oberberg wird zu wenig gebaut

Ralph Gottmann weist derweil darauf hin, dass aus seiner Sicht in Oberberg viel zu wenig gebaut werde – vor allem an altersgerechtem Wohnraum fehle es dramatisch. „Wir könnten schon morgen etliche Häuser in den Verkauf nehmen, wenn wir den bisherigen Besitzern eine Alternative bieten könnten“, betont Gottmann. Die hohe Nachfrage, das große Interesse älterer Menschen, ihr Heim zu verkaufen, und viel zu wenig Wohnraum sehen beide Makler als Gegenpol zu den gestiegenen Zinsen, zumindest bei energetisch modernisierten Häusern und solchen in guter Lage.

Auch bei weniger attraktiven Gebäuden hatten die Preise in den vergangenen Jahren stark angezogen – diese Entwicklung werde nun vermutlich enden, prophezeit Borch. „Hier muss der Preis fallen. Denn die Kosten für Baumaterial sind zuletzt dermaßen durch die Decke gegangen, dass eine Kernsanierung für den neuen Eigentümer annähernd bezahlbar bleiben muss.“

Dazu passen Zahlen des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Oberbergischen Kreis, der im ersten Halbjahr 2022 sechs Prozent weniger Kaufabschlüsse registrierte, gegenüber 2021 aber weiter gestiegene Preise für Bauland (plus neun Prozent), sowie für Ein- und Zweifamilienhäuser (plus drei Prozent) notierte. Die weitere Entwicklung der Immobilienpreise sei aktuell so unsicher wie selten in der jüngeren Vergangenheit, sind sich Ralph Gottmann und Christian Borch einig.

Die Gefahr des Platzens einer Preisblase sieht der Wiehler Makler nicht, zumindest nicht im Bereich der Wohnimmobilien . „Solange kein Überangebot an Wohnraum entsteht – und davon sind wir im Oberbergischen Kreis momentan wirklich weit entfernt – wird das nicht passieren.“ Sorgen bereiteten ihm eher in die Jahre gekommene Gewerbeimmobilien.


Wo die Oberberger 2022 leben – Gutachterausschuss legt Wohnungsmarktbericht vor

Jüngst hat der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Oberbergischen Kreis einen weiteren Bericht vorgelegt, diesmal zur aktuellen Situation auf dem Wohnungsmarkt. Fazit: „Barrierefreies Wohnen auf einer Etage“ ist nach wie vor das dominierende Thema zwischen Morsbach und Radevormwald.

Dabei gehen die Experten davon aus, dass momentan nur etwa drei Prozent der oberbergischen Wohnungen barrierefrei sind – obwohl ein Drittel der Oberberger, also etwa 81.000 Personen, älter als 60 Jahre ist. „Davon wiederum leben 48.600 Menschen in einem Ein- oder Zweipersonenhaushalt“, stellt der Bericht fest. Allein aus der Statistik lasse sich der Bedarf an altersgerechten Wohnungen ableiten.

Wie üblich, haben die Gutachter für ihren Wohnungsmarktbericht auch wieder eine Umfrage unter den Hauptakteuren des oberbergischen Immobilienmarktes durchgeführt. Dabei wurden die Formen „Wohnen im Alter“, „Ökologisches Wohnen“ und „kostengünstiges Wohnen mit Förderung“ besonders oft genannt. Die Befragten gaben außerdem Gründe an, an denen aus ihrer Sicht Investitionen in den Wohnungsbau in Oberberg scheitern.

Dem Bericht zufolge werden gestiegene Bau- und Betriebskosten, teure und rare Grundstücke, aber auch langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren als Haupthindernisse genannt. Vier Fünftel der hiesigen Makler bemängeln zudem den Angebotsrückgang an preisgünstigen Mietwohnungen im Kreis.

Der Wohnungsmarktbericht beleuchtet zudem ausführlich die Bauentwicklungen in den einzelnen Kommunen. Spitzenreiter im Kreis ist demnach Lindlar – in der Gemeinde wuchs die Zahl der Wohngebäude zwischen 2006 und 2021 um ein Fünftel. Es folgen Nümbrecht, Engelskirchen und Marienheide, mit je 14 Prozent Zuwachs. Die wenigsten neuen Wohnungen entstanden in Morsbach (plus sechs Prozent). Ältere Wohnungen gibt es aktuell vor allem in Radevormwald und Gummersbach, in Wipperfürth und Nümbrecht ist der Anteil der seit 2009 neu gebauten Wohnungen am größten. (sfl)

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