Wer ein Reh in freier Wildbahn sieht, der freut sich in der Regel - auf dem Gronauer Friedhof werde sie als Plage empfunden.
Friedhof als LebensraumRehe liegen in Bergisch Gladbach auf den Gräbern

Ein auf dem Gronauer Friedhof nicht seltenes Bild: Ein Reh ruht sich auf einer Grabstätte aus.
Copyright: Birgitt Börsch-Pulm
Der Ärger über die Problem-Rehe auf dem Gronauer Friedhof hört nicht auf. Seit vielen Monaten fressen sie Tag für Tag die Gräber kahl, fallen über von Trauernden abgelegte frische Kränze her. Bevor die Stadt jetzt endlich mit einem Zaun reagiert, ist der Nachwuchs schon da. Zu der Gruppe von zuletzt vier Tieren gehört inzwischen ein Kitz, berichtet Tillmann Schroer, Friedhofsgärtner aus Refrath.
Die vierbeinigen Blütendiebe sind dort richtig heimisch geworden, wie das Foto von Birgitt Börsch-Pulm beweist. „Das Reh schaute mich neugierig und aufmerksam von seinem offensichtlich sehr gemütlichen Platz auf einer Grabstätte an – ganz ohne Scheu.“ Sie entdeckte es bei einer ihrer regelmäßigen Besuche auf dem kirchlichen Teil des Friedhofs. „Die Rehe sind inzwischen quasi zahm. Wenn wir vor ihnen stehen, laufen sie erst weg, wenn wir die Hand heben oder noch einen Schritt auf sie zu machen“, bestätigt Friedhofsgärtner Schroer.
Es gibt keine Genehmigung für die Jagd auf dem Friedhof
Die Rehe kommen von der gegenüberliegenden Straßenseite des Refrather Wegs, aus dem Wald am Golfplatz, und haben auf dem Friedhof einen neuen Lebensraum gefunden. Was im vergangenen Winter mit einigen abgefressenen Gräbern begann, ist zu einem flächendeckenden Problem geworden. Ein Friedhof dient den Menschen als Ort der Trauer und Gedenkens an Verstorbene. Trotz der andauernden Störungen und Verwüstung von Grabpflanzen oder Blumenschmuck hat die Untere Jagdbehörde des Rheinisch-Bergischen-Kreises der Stadt keine Ausnahmegenehmigung zur Jagd erteilt – aus Sicherheitsgründen.
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„Bei Friedhöfen, insbesondere in direkter Siedlungsnähe, handelt es sich um jagdbefriedete Flächen“, erläutert Christian Nollen, Leiter der städtischen Abteilung Stadt-Grün, die Gründe für die Absage. Der Friedhof mit seinem dichten Baumwuchs biete den Rehen eine gute Deckung. „Ein zielgenaues Erkennen des Wildes dürfte auch erfahrenen Jägern schwerfallen“, sagt Nollen, „insofern wäre ein Bejagen hier zu gefährlich“.
Die Tiere leben wie im Schlaraffenland auf dem Friedhof
Je blühender der Grabschmuck, desto unwiderstehlicher ist er für die Rehe. Viele Grabstätten geben ein Bild der Zerstörung ab, ratzekahl abgefressen, der Boden zertrampelt. Stiefmütterchen, Tulpen, Rosen, Primeln waren es, wie berichtet, Ende März. Jetzt sind die Sommerblumen dran: Geranien, Margeriten. „Das ist wie im Schlaraffenland“, sagt Schroer. Sogar Eisbegonien würden nicht verschont. Er kenne sonst kein einziges Tier, das diese Pflanzen fressen würde.
Nichts sei passiert in all den Monaten. „Die Stadt muss etwas gegen die Plage unternehmen“, fordert der Friedhofsgärtner. Gerade habe er ein Grab repariert, sei es schon wieder dem Erdboden gleich gemacht. Die „Grabräuber“ würden nicht nur die Blüten abfressen, sondern die Wurzelballen gleich mit aus dem Boden herausreißen: „Sie liegen auf den Wegen herum und vertrocknen.“ Wildverbiss zu streuen, habe keinen richtigen Effekt. „Da muss es nur einmal kräftig regnen wie gestern, und die Wirkung ist verflogen.“
Die Beschwerden über die Tiere reißen bei der Verwaltung nicht ab
Viele seiner Kunden seien schockiert und frustriert. „Mein Grab ist schon zweimal gefressen worden“, sagt eine Besucherin. Bei der städtischen Friedhofsverwaltung, einer Abteilung von Stadt-Grün, reißen die Beschwerden nicht ab, bestätigt Nollen. Zwei bis vier seien es pro Woche. Seit einem halben Jahr geht das schon so.
Mit einem Wildschutzzaun an der Grenze zwischen dem kirchlichen und städtischen Teil des Friedhofs will die Stadt nun die Tiere von ihrem Bereich fernhalten. „Somit wird das Eindringen des Wildes verhindert“, meint Nollen. Die Zugänglichkeit für Besucher sei durch selbstschließende Tore gesichert. Die Bauarbeiten haben gerade begonnen.

Die Rehe fühlen sich auf dem Gronauer Friedhof pudelwohl.
Copyright: Christopher Arlinghaus
Rehwild bewege sich gewöhnlich immer auf sogenannten Wechseln, erklärt Nollen. Dies bedeute, dass das Wild immer dieselben Laufrouten benutze. Die Hoffnung: „Schneidet man einen solchen Wechsel ab, wird dem Wild das Eindringen in das Friedhofsgelände erschwert beziehungsweise nicht ermöglicht.“
Bevor der Zwischenzaun steht, sollen die Tiere vertrieben werden. Wie genau und wann das passieren soll, dazu macht die Stadtverwaltung am Montag keine Angaben.
„Mal abwarten, ob diese Abwehrmaßnahme funktioniert“, sagt Schroer und klingt dabei skeptisch. Mit den Friedhofsgärtnern und den Steinmetzen habe jedenfalls niemand gesprochen: „Hoffentlich kommen wir mit unseren Wagen noch durch die Türen durch.“