Flohe blickt auf Erfahrung in mehreren Kommunen zurück und kennt sich im Bereich Datenschutz und Betriebswirtschaftslehre aus.
InterviewAlessa Flohe von den Piraten will mit 29 Jahren Bürgermeisterin in Kerpen werden

Alessa Flohe will vor allem die Informationskultur in Kerpen verbessern.
Copyright: Elena Pintus
Alessa Flohe, 29 Jahre alt, will Bürgermeisterin der Stadt Kerpen werden. Sie ist die bisher jüngste Kandidatin im Rennen um das Amt und tritt für die Piraten an. Was sie als Bürgermeisterin vorhätte und warum ihr junges Alter aus ihrer Sicht ein Vor- und kein Nachteil ist, verrät sie Elena Pintus im Interview.
Wie kam es dazu, dass Sie Bürgermeisterin werden wollten?
Ich arbeite seit 2013 im Öffentlichen Dienst bei einem kommunalen IT-Dienstleister. Seit 2018 arbeite ich im Bereich Datenschutz und Informationssicherheit in der Beratung von Kommunen. Durch meine Tätigkeit bin ich in verschiedenen Kommunen tätig. Und Datenschutz ist eine Querschnittsaufgabe, durch die ich Einblicke in alle Sachgebiete erhalte. Dadurch konnte ich die Verwaltungen - Plural - und ihre Strukturen und Prozesse gut kennenlernen.
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Kerpen: Digitale Prozesse ankurbeln und neue Wege gehen
Das reicht von ganz kleinen Verwaltungen in der Eifel mit 30 bis 50 Mitarbeitenden bis zu Verwaltungen mit mehreren Hundert Mitarbeitern. Dadurch habe ich gelernt, dass es auch andere Wege gibt, als die, die wir derzeit in Kerpen verfolgen. So ist der Anspruch erwachsen, dass ich Bürgermeisterin werden wollte. Ich bringe die Erfahrung und die Expertise mit, weil ich gelernte Fachinformatikerin bin und Wirtschaftsrecht studiert habe. Durch mein Studium verfüge ich über betriebswirtschaftliche Kenntnisse.
Gerade, was digitale Prozesse angeht, verfüge ich durch meine Ausbildung und meinen Beruf über das nötige Wissen und das ist eins der Themen, was Kerpen aus meiner Sicht in den letzten Jahren verschlafen hat.
Was wollen Sie in Kerpen verändern?
Ich und meine Partei wollen den Wandel in Kerpen, auch zu einer neuen Informationspolitik. Wir finden, dass der Bürger nicht gut genug abgeholt wird. Das führt zu einer gewissen Form der Politikverdrossenheit, aber auch dazu, dass man der Verwaltung nicht mehr vertraut. Das finde ich sehr schade. Unter den Bürgern oder auch in der Berichterstattung geht es dann oft um Beschwerden, um Reibungsverluste durch Mitarbeiter oder die Sorge, dass die Bürgeranliegen nicht bearbeitet werden. Solche Reibungsverluste gibt es in jeder Kommune. Im Gegensatz zu anderen Kommunen hat Kerpen nach außen hin aber ein unfassbar schlechtes Image.
Mitarbeiterzufriedenheit soll wieder erhöht werden
Das kann wiederum auch Auswirkungen auf die Mitarbeitenden der Verwaltung haben. Durch diesen Druck von außen kann Stress entstehen, was die Arbeit weniger erträglich macht und womöglich weiter verlangsamt. Im Endeffekt ist ein guter Mitarbeiter aber vor allem ein zufriedener Mitarbeiter, der sich mit der Stadt identifizieren kann.
Sie haben viele andere Kommunen kennengelernt. Inwiefern ist Ihre Berufserfahrung ein Vorteil als potenzielle Bürgermeisterin?
Ich denke dadurch zum Beispiel, dass es sich lohnt, sich viel mehr als Kommune mit anderen Kommunen auszutauschen und vielleicht auch mal über die Kreisgrenzen hinweg zu schauen, was die anderen machen. Dadurch ergeben sich womöglich auch Potenziale, um Aufgaben oder Stellen zu teilen oder zusammenzuarbeiten.
Ich weiß, dass wir das teilweise auch schon machen. Aber ich habe das Gefühl, wir denken das nicht weiter. Wir haben ein Personalproblem bei der Stadt Kerpen und mit der stärkeren interkommunalen Zusammenarbeit könnten wir hier Abhilfe schaffen - auch, weil wir uns unter den Kommunen so nicht gegenseitig das Personal wegnehmen würden.
Dadurch, dass ich in vielen Kommunen bereits gearbeitet habe, habe ich die dafür grundlegenden Einblicke bereits, die man nicht hat, wenn man immer nur in die eigene Kommune schaut. Dadurch kann ich auch gut abschätzen, was umsetzbar ist und was nicht. In Kerpen werden teilweise Anträge abgelehnt wegen Personalmangels, die in anderen Kommunen mit 30 bis 40 Mitarbeitern seit Jahren bestehen, wie das Jugendparlament.
Stadt soll als Dienstleisterin für Bürger auftreten
Was sind Ihre Kernthemen?
Ich möchte, dass die Verwaltung in Kerpen als Dienstleisterin für den Bürger auftritt und nicht der Bürger als Bittsteller auftreten muss. Dazu gehört auch eine offenere Informationspolitik. Ich möchte beispielsweise Sprechstunden einführen. Das habe ich bei anderen Kommunen bereits gesehen, die das recht niederschwellig anbieten. Da gibt es einen festen Termin etwa einmal wöchentlich oder monatlich, an dem die Verwaltungsspitze und auch die Dezernatsleitungen bei Facebook live gehen und Leute Fragen stellen können.
Ich würde auch mehr hybride Informationsveranstaltungen anbieten, zum Beispiel Stadtteilforen, damit auch die Menschen, die nicht digital unterwegs sind, abgeholt werden. Bestes Beispiel ist die ZUE. Diesen Widerstand hätten wir besser abfedern können, wenn wir früh genug informiert und aufgezeigt hätten, was die Alternativen sind. Da wird nämlich schnell deutlich, dass die ZUE in Sachen Flüchtlingspolitik für uns im Grunde die beste Lösung ist, da ansonsten Hallen geschlossen werden müssten. Diese Veranstaltung haben wir von Anfang an immer wieder gefordert und sie kam viel zu spät.
Flohe will wissen, wo Probleme der Verwaltung liegen
Weiteres Thema ist, zu schauen, was bei uns in der Verwaltung nicht funktioniert. Dass etwas nicht funktioniert, ist klar. Wir haben gute Leute, also woran liegt es dann? Wir müssen dafür ein Gefühl entwickeln und mein erster Ansatz ist da, möglichst jeden, der dort arbeitet, kennenzulernen. Bei tausend Mitarbeitenden ist das sicherlich schwierig, von daher würde ich vermutlich nicht jeden in einem Einzelgespräch kennenlernen, sondern manche Abteilungen vielleicht auch in der Gruppe in einem Teammeeting. Hier sollte auch ganz klar die Frage im Mittelpunkt stehen „Was brauchst du, um sinnvoll arbeiten zu können?“. Wir müssen Strukturen, Prozesse und Probleme analysieren.
Zudem möchte ich das Ehrenamt, die Vereine und das Bürgerengagement fördern. Wir haben in Kerpen unfassbar viele Vereine, auf die wir stolz sein können. Um die und alle anderen Engagierten weiter zu fördern, würde ich eine eigene Stelle zur Betreuung und Unterstützung von Vereinen und Ehrenamtlern bei der Stadt einrichten.
Kein fester Wählerstamm und flexible Lösungen
Nicht zuletzt brauchen wir zukunftssichere Finanzen. Und da darf nicht der erste Reflex sein, einfach die Grundsteuer zu erhöhen. Da können wir auch bei kleineren Projekten ansetzen. Denn wenn viele kleine Projekte etwa durch Spenden mitfinanziert werden, entlastet das in der Masse auch den Haushalt.
Wo unterscheiden Sie sich von der Konkurrenz?
Ich unterscheide mich vor allem, da ich nicht aus dem klassischen Parteienspektrum komme. Dadurch bin ich beziehungsweise meine Partei, die Piraten vielleicht auch ein Stück weit offener. Wir wollen Lösungen finden, unabhängig davon, ob unsere Wähler eher aus dem konservativen Lager, aus dem liberalen, linken oder mittigen Lager kommen. So können wir viel ergebnisoffener und flexibler auf Lösungsvorschläge schauen.
Ich bringe zudem langjährige Erfahrung im öffentlichen Dienst mit. Seit fast zehn Jahren arbeite ich in verschiedenen Kommunen – dadurch kenne ich unterschiedlichste Lösungswege, typische Stolpersteine und wie man sie clever umgeht. Mein Wissen beschränkt sich dabei nicht auf einzelne Abteilungen, sondern umfasst fachübergreifende Erfahrungen, die Kerpen zugutekommen werden. Ich weiß, wie Verwaltung geht - aber auch, wie sie besser gehen könnte.
Ich bin mit 29 Jahren natürlich noch sehr jung, sehe das aber eher als Vorteil. Ich stamme aus einer Generation, die sowohl digital als analog aufgewachsen ist. Daher kann ich mich in beide Welten hineinversetzen. Ich verstehe diejenigen, die mit Digitalisierung wenig anfangen können. Gleichzeitig denke ich neu, jung und anders und kann beides kombinieren.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, am Ende wirklich gewählt zu werden?
Mittlerweile habe ich so viele positive Rückmeldungen erhalten, dass ich fast schon „befürchte“, dass mein Chef im September meine Stelle neu besetzen muss.
Kommunal ist vieles möglich, vor allem durch Inhalte. Ich verspreche nicht das Blaue vom Himmel, aber ich verspreche, immer zuzuhören und Lösungen zu suchen.