50 Jahre nach dem OlympiasiegUlrike Nasse-Meyfarth kam zum Gespräch nach Wesseling

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Wes-Ulrike-Meyfarth

Ulrike Nasse-Meyfarth hat auch nach 50 Jahren viele Fans in ihrer Heimatstadt Wesseling. 

Wesseling – „Das bin ich“, sagte Ulrike Nasse-Meyfarth am Dienstagabend im Ratssaal mit einem Lachen, als sie sich auf der Leinwand beim Einzug ins Olympia-Stadion 1972 in München sah. Im Rahmen der historischen Veranstaltungsreihe „Wesseling – do prächtich Stöckche Äd“ berichtete das „Goldmädchen“ von einst im Gespräch mit Stadtarchivarin Martina Zech von ihren Erinnerungen an den Olympiasieg und über die Zeit danach, als sich ihr Leben völlig veränderte.

Zunächst kommentierte sie jedoch auf Wunsch der Stadtarchivarin auch den Film, der hinter ihr auf der Leinwand gezeigt wurde. Noch einmal erlebten so viele Zuschauer, aber auch Nasse-Meyfarth die Höhepunkte des Jahres 1972, den Sprung zum Gold, die Siegerehrung im Olympia-Stadion, die freudigen Menschenmengen, die ihr schon am Flughafen Köln-Bonn bei ihrer Rückkehr ins heimische Rheinland zujubelten und den Triumph-Zug durch die Straßen Wesselings. Damals habe sich eine ganze Stadt im Ausnahmezustand befunden.

Nach dem Sieg im Auto durch die Stadt kutschiert

Noch bevor Wesseling im Oktober 1972 Stadt wurde und im November das damals neue Rathaus eingeweiht wurde, brachte die 16-jährige Schülerin Ulrike Meyfarth die Goldmedaille im Hochsprung von den Olympischen Spielen in München mit nach Hause. Vor Freude war Wesseling total aus dem Häuschen.

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Im offenen Auto wurde Ulrike Meyfarth durch die Straße kutschiert und mehrmals schien das Cabriolet im Menschenmeer schlichtweg zu versinken. Tausende säumten die Straßen. „Wir durften im letzten Wagen des Autokorsos mitfahren“, berichteten die Klassensprecher von einst, Stefan Mittelstedt und Regina Wilms, (ehemals Maser). Ulrike Meyfarth sei im Gymnasium in Rodenkirchen in ihrer Klasse gewesen.

Das Publikum stand hinter der Sportlerin

Auch sie waren gerne zu dieser besonderen Veranstaltung gekommen, bei der Ulrike Nasse-Meyfarth die alten Geschichten auspackte und locker, sympathisch und ungeschönt ihre Erinnerungen mit ihnen und den Gästen teilte.

Detailgenau schilderte Nasse-Meyfarth den entscheidenden Wettkampf am 4. September 1972. Sie lag bereits auf Platz drei, die Bronzemedaille war sicher, als sie über die 188 Zentimeter sprang. Unvergesslich bleibt ihr die Stille vor dem Sprung und der laute Jubel danach. „Es war einfach total toll, wie das Publikum hinter mir stand“, sagte sie anerkennend.

Nasse-Meyfarth stellte neuen Weltrekord von 1,92 Meter ein

Dann lag die Latte bei 1,90 Meter, beim ersten Versuch habe sie es nicht geschafft. „Da pfiffen sogar einige und ich dachte nur: „Was sind das denn für Leute, ich bin doch noch nie zuvor über 1,90 Meter gesprungen, das ist mehr als meine Körperlänge“. Beim zweiten Versuch habe sie es dann aber geschafft. Fotografen seien auf sie zugestürmt und der Jubel des Publikums sei riesig gewesen. Ihre beiden Rivalinnen hatten es nicht geschafft.

Somit hatte sie die Goldmedaille sicher und war alleine im Rennen. Mit ihrem nächsten Sprung über 192 Zentimeter stellte sie dann auch noch den Weltrekord ein. „Ich weiß noch, dass ich auf keinen Fall einen neuen Weltrekord aufstellen wollte, dass hätte ich im Kopf nicht verkraftet“, erklärte sie. Ihr Vater, der irgendwo im Stadion war, durfte sogar zur Siegerehrung zu ihr kommen.

Meyfarth: Olympia-Attentat gehört zur Geschichte dazu

„Ich musste mich dabei sehr konzentrieren“, erklärte sie. Weil sie es albern fand, zu weinen, habe sie die Fahnen angestiert. „Mutter hat später gesagt, so ein Gesicht habe sie von mir noch nie zuvor gesehen.“

Wenn sie über ihren Olympiasieg spreche, dann gehöre für sie auch das Attentat am 5. September dazu, bei dem die israelische Mannschaft überfallen und später elf Mitglieder des Teams und ein Polizist getötet wurden.

Tragweite des Olympiasiegs erst viele Jahre später begriffen

Am Morgen nach ihrem Olympiasieg habe sie in der Mensa davon erfahren. „Das war schwer zu begreifen. In meiner Stimmungslage ging das von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt“, erklärte sie.

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Erst viele Jahre später habe sie die ganze Tragweite ihres Olympiasieges begriffen. So schön, unbeschwert und leicht der Olympiasieg für sie als 16-jähriger Teenager gewesen war, so schwer sei es für sie als erwachsene Frau gewesen, diese Leistung zu wiederholen. „Der erste Olympia-Sieg ist mir zugeflogen“, sagte Nasse-Meyfarth. Die zweite Goldmedaille zwölf Jahre später, 1984 in Los Angeles, habe sie sich hart erarbeitet.

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