Wolfgang Eilmes setzte sich dafür ein, dass das Porträt wieder in der Rathaus-Galerie hängt und fordert eine Auseinandersetzung mit dem Thema.
Porträt plötzlich zurückArchivar in Ruppichteroth fordert öffentliche Debatte um Nazi-Bürgermeister

Hubert Manner (Mitte) war von 1922 bis 1945 Amtsbürgermeister in Ruppichteroth – und auf NSDAP-Linie. Seit Kurzem hängt sein Bild wieder im Rathaus.
Copyright: Marius Fuhrmann
Bald wird ein neues Bild im Rathaus Schöneberg in Ruppichteroth hängen: Vor dem Ratssaal zeigt eine Galerie die ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde. Am 1. November wird Amtsinhaber Mario Loskill die Geschicke an Matthias Jedich übergeben und sich in die Galerie einreihen. Zu den Vorgängern der Bürgermeister gehört auch ein Politiker während der Nazi-Zeit. Doch sein Bild fehlte jahrelang in der Galerie. Gemeindearchivar Wolfgang Eilmes kritisiert, dass Loskill es eigenmächtig abgehängt habe.
Aufgefallen ist dem 73-Jährigen das Fehlen des Bilds selbst nicht. Ein ehemaliges Gemeinderatsmitglied habe ihn vor zwei Jahren darauf hingewiesen. „Die übrigen Bilder wurden zusammen geschoben, damit es nicht auffällt“, schildert Eilmes. Er leitet das Archiv der Gemeinde ehrenamtlich – und hat die Geschichte Ruppichteroths erforscht, insbesondere die jüdische Vergangenheit.
Bürgermeister soll Feuerwehr angewiesen haben, die Synagoge beim Reichspogrom nicht zu löschen
Der Bürgermeister während der Nazi-Zeit hieß Hubert Manner, er war von 1922 bis 1945 im Amt. Nach Recherchen des Historikers Karl Schröder war Manner am 1. Mai 1933 – wie alle übrigen Kommunalbeamten der Gemeinde – in die NSDAP eingetreten. In Ruppichteroth gab es damals eine Synagoge. Auch sie brannte während der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. „Beziehungsweise erst am frühen Morgen, mehrere SS-Leute haben sie gegen 7 Uhr in Brand gesetzt“, hat Eilmes recherchiert. Bürgermeister Manner soll die Feuerwehr angewiesen haben, die umstehenden Gebäude zu schützen – aber nicht, die Synagoge zu löschen. Das ist schriftlich im Briefverkehr mit dem Landratsamt dokumentiert.
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Die ehemalige Synagoge in Ruppichteroth ist heute ein Wohnhaus und brannte am Morgen nach der Reichspogromnacht.
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Es liegt nahe, dass Manner gemäß der NSDAP-Gesinnung in Kauf genommen hat, dass die Synagoge, die wohl zu retten gewesen wäre, zerstört wurde. „Sie brannte nur deswegen nicht nieder, weil sie aus Stein war – und nicht, weil die Feuerwehr sie gerettet hat“, bekräftigt Eilmes. Diese Legende habe sich jahrelang in Ruppichteroth gehalten.
Gemeindearchivar vermisst öffentliche Debatte über Nazi-Zeit-Bürgermeister
Doch den 73-Jährigen stört vor allen Dingen der Umgang der Gemeinde mit ihrer Geschichte. „Ich habe recherchiert, wie andere Städte das Thema behandelt haben, einen Nazi-Bürgermeister hatten ja fast alle“, sagt Eilmes. „Einige haben das Bild abgehängt, andere bewusst hängen lassen. Aber in jedem Fall gab es eine öffentliche Debatte darüber.“ Auch in Ruppichteroth hätte seiner Ansicht nach der Rat darüber entscheiden sollen. „Das wäre doch der demokratische Prozess“, sagt er.

Gemeindearchivar Wolfgang Eilmes, hier in seinem Archiv, hat sich dafür eingesetzt, dass das Bild des Nazi-Bürgermeisters wieder im Rathaus aufgehängt wird.
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In einem Gespräch mit Mario Loskill, dem amtierenden Bürgermeister, habe er erfahren, dass er sich mit den Fraktionsvorsitzenden darauf geeinigt habe, das Bild Manners abzuhängen – und es nicht an die große Glocke zu hängen. Das Bild liege in einem Schrank in seinem Büro. „Es gehört aber ins Archiv der Gemeinde“, so Eilmes.
Bürgermeister der Nazi-Zeit hing plötzlich wieder im Rathaus
An einem Vormittag im Oktober ist Eilmes wieder im Rathaus zugegen – und muss zu seinem eigenen Erstaunen feststellen, dass Manners Foto wieder an seinem Platz hängt. „Bei der Auszählung der Briefwahl hing es noch nicht da“, sagt er.
Mario Loskill räumt auf Nachfrage ein, das Bild vor Kurzem wieder platziert haben. „Ich räume derzeit mein Büro aus, und da fiel es mir in die Hände“, sagt er. „Ich habe es damals abgehängt, weil ich emotional berührt war von dem Wirken von Bürgermeister Manner. Ich fand, so jemand sollte nicht im Rathaus hängen“, beschreibt er. „Die Information darüber bin ich den Bürgerinnen und Bürgern schuldig geblieben“, gibt er zu.
Hubert Manner hat aktiv an Deportationen mitgewirkt.
Loskill hat nach eigener Aussage bis zu diesem Zeitpunkt kaum etwas über Manner gewusst. „Er war an der Reichspogromnacht beteiligt, hat die Repression jüdischer Menschen geschehen lassen und aktiv an Deportationen mitgewirkt.“ Er habe sich von Emotionen leiten lassen, sagt der scheidende Bürgermeister. „Nun bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass es besser wäre, wenn das Bild dort hängt – man muss zu der Geschichte stehen“, unterstreicht er.
Vor allem die Arbeit von Wolfgang Eilmes und Ehrenbürgermeister Ludwig Neuber habe die jüdische Vergangenheit während seiner Amtszeit zu Tage gebracht. „Dafür bin ich ihnen dankbar. Ich denke schon, dass Ruppichteroth riesige Schritte in der Bewältigung seiner Nazi-Vergangenheit gemacht hat“, sagt Loskill.
„Wir haben erstmalig Stolpersteine verlegt, das Mahnmal an der Bröltalstraße mit einem Hinweisschild ergänzt und den Schweigemarsch reformiert, der seit 1982 jährlich am 9. November stattfindet. Er endet nun an der Synagoge, mitten im Ort.“
Einmal sei der Präsident des Zentralrats der Juden zu Besuch gewesen, außerdem mehrfach Nachkommen der damals vertriebenen und ermordeten jüdischen Familien. „Bei dem Schweigemarsch hören wir die Geschichten von Kindern, die ihr Ruppichteroth liebten, deren Heimat es war. Dann kamen Menschen mit Gewehren, sie mussten alles stehen lassen und fliehen – das nimmt auch einen Bürgermeister mit.“ Stets müsse man erinnern und ermahnen, damit das Wissen nicht verloren gehe.