Nur durch Zufall war Nachbarskind Helga Heuser damals nicht im Haus der Familie Ludwig als das Flugzeug hineinstürzte. So erinnert sie sich.
Haus zerstörtVor 70 Jahren stürzte in Ruppichteroth ein Militärflugzeug ab – Zeitzeugen erzählen

Das Haus der Familie Ludwig wurde durch den Flugzeugabsturz vollkommen zerstört.
Copyright: Repro: Marius Fuhrmann
Ein lautes Dröhnen, ein ohrenbetäubender Knall, der Heimatort in Trümmern: Viele ältere Ruppichterotherinnen und Ruppichterother erinnern sich noch genau an den Tag, an dem in Ahe ein Flugzeug abstürzte. Vor genau 70 Jahren zerstörte die belgische Militärmaschine ein Wohnhaus, der Pilot starb – doch die Menschen am Boden überlebten. Gemeindearchivar Wolfgang Eilmes hat Bilder gesammelt und Zeitzeugen befragt, die sich – wie er selbst – an den Tag erinnern können.
Der 23. September 1955 war ein Freitag. Die Menschen in Ahe, einem kleinen Dorf an der Bundesstraße 478, lebten auf Bauernhöfen. „Man kann von Glück sagen, dass zum Zeitpunkt des Absturzes die meisten Bewohner auf dem Feld bei der Ernte waren, deswegen war kaum jemand zu Hause“, sagt Eilmes, ehrenamtlicher Gemeindearchivar von Ruppichteroth.
Militärflugzeug flog Scheinangriffe und streifte dabei einen Elektromast
Das Militärflugzeug vom Typ F84-G Thunderjet sollte Scheinangriffe auf Ahe fliegen. „Ein getarnter Militär-Lkw stand am Abzweig Kammerich, da wo heute der Strommast steht“, weiß Eilmes. Er stellte das Ziel dar, das der Kampfjet vermeintlich treffen sollte. „Das Flugzeug kam aus Waldbröl her und machte vor Kammerich noch eine Rechtskurve. Dabei flog es aber zu niedrig und streifte einen Elektromast auf einem Hausdach.“ Mit großem Getöse krachte es gut hundert Meter weiter in das Haus der Familie Ludwig.
Alles zum Thema Ruppichteroth
- Konservative in der Mehrheit Klarer Sieg für die CDU in Ruppichteroth bei der Kommunalwahl
- Kommunalwahl 2025 Matthias Jedich holt in Ruppichteroth 60,5 Prozent der Stimmen
- Nachhaltigkeit Schallschutzwand aus Lehm an der Rettungswache in Ruppichteroth ist Vorzeigeprojekt
- Vor Gericht wegen versuchten Totschlags Senior schoss auf Einbrecher in Ruppichteroth
- Ortscheck Ruppichteroth Die Perle im Bröltal kämpft gegen die Pleite
- Vermutlich medizinischer Notfall 79-jähriger Autofahrer verursacht mehrere Unfälle in Much
- CDU Matthias Jedich will als Bürgermeister in Ruppichteroth auf Dorfleben und Digitalisierung setzen

Dieses Foto zeigt die Trümmer des Hauses von Familie Ludwig. Im Hintergrund ist das Fachwerkhaus zu sehen, das heute noch existiert.
Copyright: Repro: Marius Fuhrmann
Dort sollte die damals dreijährige Helga Heuser gerade Mittagsschlaf halten. „Ich wohnte gegenüber, aber habe bei Anna und Josef Ludwig viel Zeit verbracht. Mir wurde später erzählt, dass ich an dem Tag absolut nicht schlafen wollte“, berichtet sie. Also habe Josef gesagt: „Wenn das Kind nicht will, soll es auf dem Karren auf dem Feld schlafen.“ Helga Heuser befand sich auf einem Kartoffelacker oberhalb von Ahe. „Auf einmal kam Willi Löbach aufs Feld gelaufen und rief: ,Kutt heem, de janze Ooe brennt!´“ Tatsächlich stand das Haus in Flammen, in dem die kleine Helga hätte schlafen sollen.
Haus von Familie Ludwig aus Ahe wurde komplett zerstört
„Der Absturz war um 14.46 Uhr. Die Dächer mehrerer Häuser waren beschädigt worden, das Haus der Familie Ludwig war vollkommen zerstört. Das Flugzeug krachte gegen einen Felsen dahinter und zerschellte endgültig. Dort hat die Feuerwehr die Leiche des 25-jährigen Piloten geborgen“, hat Wolfgang Eilmes recherchiert. Seit 2010 hat er zahlreiche Bilder zu dem Unglück zusammengetragen, teilweise stammen sie von den Dachböden der beteiligten Feuerwehrleute, andere hat er von der belgischen Botschaft bekommen.
Das Haus, das damals in Trümmern lag, ist heute der Fichtenweg 1. „Den Wiederaufbau hat die belgische Regierung bezahlt“, sagt Eilmes. Der Neubau aus den Fünfziger Jahren hat inzwischen einen Anbau mit quer versetztem Giebel erhalten. Was noch immer steht, ist das Fachwerkhaus neben der Absturzstelle. Es ist auch auf Fotos aus dem Jahr 1955 zu erkennen. „Da hat das Ehepaar Ludwig die folgenden Jahre drin gewohnt, bis auf einen Schaden am Dach war es intakt geblieben“, sagt Helga Heuser. „In dem Neubau habe ich selber gewohnt, bis ich 18 oder 20 war.“

Wolfgang Eilmes und Helga Heuser stehen vor dem Fichtenweg 1 in Ahe, wo das Flugzeug vor 70 Jahren einschlug. Im Hintergrund ist das Fachwerkhaus zu erkennen, das damals schon stand und den Absturz überstand.
Copyright: Marius Fuhrmann
Ihre ältere Schwester Marlies saß auf der Terrasse, als das Flugzeug auf ihr Haus zuflog. Die Mutter habe sie instinktiv an der Schürze ins Haus gezogen. „Den Rest des Nachmittags mussten wir bei der Nachbarin auf dem Sofa verbringen, weil unser Haus als Lagezentrum für die Feuerwehr diente. Zu unserem Missvergnügen durften wir nicht aus dem Fenster schauen – das sei nichts für Kinder, hat man uns gesagt“, schildert sie.
Karl-Heinz Bodenstein spielte als Fünfjähriger an einem Milchbock, als das Flugzeug kam. „Zur gleichen Zeit kam ein Landwirt mit seinen Pferden, die plötzlich durchgingen. Vor Schreck habe ich mich unter dem Milchbock versteckt“, sagt er. „Meine Brüder waren in den Tagen und Wochen immer wieder an der Absturzstelle, um nach Überresten des Flugzeugs zu suchen. Sie fanden zum Beispiel den ausgebrannten Tank. Mit dem Deckel haben sie versucht, auf der Bröl Bötchen zu fahren, was aber misslang.“
Wolfgang Eilmes zeigt ein Trümmerteil des Flugzeugs, ein Metallstück mit Nieten, das jemand dem Gemeindearchiv gestiftet hat. „Ich weiß noch, wie meine Mutter mich aus dem Kindergarten abgeholt hat und wir mit dem Fahrrad über die Bröltalstraße dahin gefahren sind. Kaum jemand hatte damals ein Telefon, aber sie hat trotzdem schon nach einer Stunde über die Details Bescheid gewusst. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer in Ruppichteroth verbreitet“, schildert der 75-Jährige.

Wolfgang Eilmes zeigt ein Trümmerteil des abgestürzten Flugzeugs.
Copyright: Marius Fuhrmann
Über die Absturzursache gibt es widersprüchliche Angaben, die auch den verfälschten Erinnerungen der Zeitzeuginnen und -zeugen geschuldet sein mögen. „Einer hat mir berichtet, er habe jemanden gekannt, der das Flugzeug schon vor der Berührung mit dem Mast brennen sah“, sagt Eilmes. „Der Absturz von Ahe ist ein Ereignis, an das sich alle Ruppichterother und Ruppichterotherinnen erinnern, die damals lebten.“