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„Überdosis Leben“
Wie sich Windeck für drei Tage fürs Kärbholz-Festival in Klein-Wacken verwandelt

Lesezeit 5 Minuten
Arbeiter bauen am Mittwoch noch die Bühne auf dem Festival-Gelände in Windeck auf.

Die Bühne während des Auftritts von Kärbholz.

Jeden Sommer reisen Tausende Fans nach Windeck-Rosbach, mit Zelten und Kühlschränken, um das „Heimspiel“-Festival der Band aus Ruppichteroth zu feiern.

Der Parkplatz vor dem Freibad in Windeck-Rosbach ist voller als an den heißesten Sonnentagen, von denen auch dieser Freitag einer ist. Tausende Punkrock-Fans sind für dieses Wochenende nach Rosbach gekommen, wo am Freitag und Samstag das „Heimspiel“-Festival steigt. Zweimal im Jahr veranstaltet die Punkband Kärbholz aus Ruppichteroth in Windeck ihr ein eigenes Festival mit Bands des gleichen Genres, im Winter in der Halle Kabelmetal, im Sommer Open-Air neben dem Rosbacher Freibad.

Auf der Bühne geben Rockwasser Vollgas, den ganzen Tag schon spielen Punkbands, bis am Abend Kärbholz auftreten werden –  auch am Samstag, denn die Ruppichterother Band tritt gleich zweimal auf. Auf dem Zeltplatz wirft eine Gruppe aus Much lieber nochmal Steaks auf den Grill. „Wir haben Kärbholz schon 30, 40 Mal gesehen, da können wir etwas entspannter sein“, sagt Anika Adams.

Freunde und Gruppen kommen teilweise seit mehr als zehn Jahren nach Windeck

Ihre Gruppe komme seit über zehn Jahren her. An ihrem Pavillon hängt ein Mucher Ortsschild. Dass am Nachbarzeltplatz eines aus Lohmar hängt, haben sie noch gar nicht mitbekommen. „Alle sind ja wegen derselben Band da, das heißt, man trifft sie jedes Jahr wieder, alle haben dieselben Tattoos, alle brennen für dasselbe. Mit meinen Freunden hier zu sein, bedeutet mir alles“, sagt Michel Heymann. Ihr Stromaggregat treibt die mitgebrachte Tiefkühltruhe an, die das Bier auch nach zwei Tagen noch kühl hält.

Um 22.25 Uhr, die Sonne ist längst untergegangen, ist es so weit. Mit einer „Überdosis Leben“ betritt die Band die Bühne und liefert einen Auftritt wie aus einem Guss: „Ich will 'ne Überdosis Leben, dazu ein Glas vom Allerbesten, was du hast“, singt Frontmann Torben Höffgen, das Publikum ist sofort voll da. Die Security-Männer haben einen stressigen Job, sie heben einen Crowdsurfer nach dem anderen zurück auf den Boden.

Kärbholz-Sänger Torben Höffgen gibt gleich beim ersten Song Vollgas.

Das Publikumen feiert ekstastisch mit Headbangen und Crowdsurfen.

Die Gäste sind freundlich, das Festival hat einen guten Ruf.
Michael Neubert, Anwohner in Rosbach und Festival-Besucher

„Wir sind der Hinterwald: Wir haben nicht viel zu bieten, aber einmal im Jahr drehen wir das Dörfchen auf links“, ruft Höffgen und die Band spielt „Kind aus Hinterwald“, die heimliche Hymne auf das Hinterland. Kärbholz holen dazu mehrere Kinder auf der Bühne – auch die Kleinsten können den Text schon mitsingen.

Der Chor ist noch auf der Rathausstraße in Rosbach zu hören, das Konzert sowieso. Michael Neubert sitzt mit seiner Familie in einem Garten, sie haben Feuer gemacht. „Wir gehen jedes Jahr auf das Festival, diesmal sind wir etwas früher weg, die Kinder haben genug“, sagt er. „Das ist eine super Sache für die Region, ich verfolge es jahrelang. Die Gäste sind freundlich, das Festival hat einen guten Ruf“, sagt Neubert. Der Lärm auf der Rathausstraße störe sie nicht. „Ich glaube nicht, dass hier irgendjemand was dagegen hat“, meint er.

Kärbholz sind mit ihren Familien da und übernachten in Wohnwagen neben dem Sportplatz

Zwei Tage zuvor: Auf dem Parkplatz bauen Arbeiter am Mittwochnachmittag die Bühne auf. Wo gerade noch die Gabelstapler tanzen, toben am Freitag und Samstag jeweils 3500 Besucherinnen und Besucher - und die Sieggemeinde Windeck wird sich in ein Klein-Wacken verwandeln. Für die kleine Schwester des legendären Metal-Festivals im norddeutschen Örtchen Wacken werden hunderte Meter Kabel und dutzende Starkstrom-Anschlüsse verlegt. Toiletten- und Getränkewagen stehen bereit.

Der Headliner ist an beiden Abenden Kärbholz. Doch die Band lässt nicht andere für sich arbeiten, sie packt selbst mit an: Sänger Torben Höffgen sortiert oberkörperfrei Birkenzweige, die als Dekoration für den Backstage-Bereich gebraucht werden. Er hat bereits einen beachtlichen Sonnenbrand. Währenddessen macht seine Band Mittagspause mit Gulaschsuppe. „Catering gibt es erst ab Freitag, deswegen kocht einer aus der Crew“, sagt Schlagzeuger Henning Münch.

Kärbholz-Sänger Torben Höffgen sortiert Birkenzweige für die Dekoration - und hat bereits einen Sonnenbrand.

Kärbholz-Sänger Torben Höffgen sortiert Birkenzweige für die Dekoration - und hat bereits einen Sonnenbrand.

Für die Kids gibt es Pommes Frites. Kärbholz sind mit ihren Familien da und übernachten während des Festivals in Wohnwagen neben dem Sportplatz der Spielvereinigung Hurst-Rosbach. „Wir starten mit der Planung ja nicht zwei Monate vorher, sondern machen das das ganze Jahr über. Das hat sich gut eingeschliffen, dadurch ist vor Ort alles viel entspannter und Kleinigkeiten finden sich zusammen“, sagt Münch.

Die Gemeinde Windeck, die nie so viele Besucherinnen und Besucher auf einen Schlag haben dürfte wie am Fronleichnamswochenende, stehe voll hinter dem Festival. „Das ist über die Jahre ja auch gewachsen, am Anfang haben wir in einem Festzelt gespielt“, sagt Bassist Stefan Wirths. „Die Vorfreude steigt.“

Festival-Fans kommen aus ganz Deutschland - alle wollen in Windeck campen

Auf die Campingflächen rollen indes schon die ersten Kühlschränke und Tiefkühltruhen, die bei vielen Gruppen zur Grundausstattung gehören. Auf kalte Getränke wollen sie nicht verzichten. Strom kommt von mobilen Generatoren, deren Brummen zum Grundrauschen auf dem Areal gehört. Ein Teil der Flächen liegt direkt hinter dem Sportplatz, der Großteil in Obernau. Shuttlebusse bringen das Publikum an den Festivaltagen nach Rosbach.

Mit viel Gepäck für vier Tage Festival reisen die Besucherinnen und Besucher an.

Mit viel Gepäck für vier Tage Festival reisen die Besucherinnen und Besucher an.

Viele kommen aus der Region, einige aber auch aus ganz Deutschland. Die wenigsten reisen ob der Menge an Gepäck mit der Bahn an. So standen die ersten Fans bereits um 7.30 Uhr vor den Toren, um sich die besten Plätze zu sichern – wogegen der Campingplatz erst nachmittags öffnet.

„Aber wir können die Leute ja nicht schon drauf lassen, nur weil sie schon da sind – sonst kommen sie noch früher“, sagt Münch, der bis dahin noch keine Zeit hatte, durch das Dorf aus Pavillons und Campingstühlen zu schlendern. „Es ist auf jeden Fall schön, dass sich die Leute jedes Jahr zum Heimspiel hierhin verirren. Das wird eine schöne Party“, verspricht er - und sollte recht behalten.