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„Stehen mit dem Rücken zur Wand“Logistikchef sieht Weco vor ungewisser Zukunft

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Michael Iakovidis, Logistikleiter bei Weco, sieht den Feuerwerkhersteller vor einer ungewissen Zukunft. 

Eitorf – In der Lagerhalle von Weco stehen ein paar Mitarbeiter, nehmen Kartons mit Feuerwerk von den Paletten und räumen sie ins Regal: alles zurückgenommene Ware. Logistikleiter Michael Iakovidis grüßt seine Kollegen im Vorbeigehen, die nicken zurück. Es ist sehr still im Hochregallager. Seit 30 Jahren arbeitet der 48-Jährige bei der pyrotechnischen Fabrik in Eitorf, hat hier seine Ausbildung und dann Karriere gemacht. „Ich bin ein Macher“, sagt er, „gibt es ein Problem, dann löse ich das.“ Jetzt aber steht er vor einem Problem, das er nicht lösen kann: 30 Millionen Euro Verlust hat Weco nach Angaben des Geschäftsführers Thomas Schreiber durch das Böllerverbot 2020 bis jetzt erlitten, im kommenden Jahr werde die Summe auf 50 Millionen ansteigen. Die rund 250 Mitarbeiter in Eitorf sind seit Januar diesen Jahres in Kurzarbeit. 70 Mitarbeiter hat Iakovidis, die muss er motivieren, aber wie?

Lagerflächen bei Weco mit eigener Ware belegt

„Ich habe eine ehrlich-direkte Grundeinstellung, ich kann denen keine heile Welt verkaufen“, sagt Iakovidis. Vergangenes Jahr habe er wenigstens noch Anfragen von Kunden gehabt, die Lagerflächen mieten wollten. „Da konnte ich einige Kollegen für begeistern. Jetzt sind alle Möglichkeiten mit unserer eigenen Ware belegt. Wie beschäftige ich denn jetzt meine Arbeiter? Ich kann die doch nicht zum x-ten Mal den Hof kehren lassen.“

Stolz seien die Mitarbeiter immer auf Weco gewesen, „aber in den letzten zwei Jahren gab es nichts, worauf wir stolz sein konnten“. Gerade in der kaufmännischen Abteilung habe er junge, gute Mitarbeiter gehen lassen müssen, die sich bei anderen Firmen beworben hätten. Junge Leute, die er selbst ausgebildet habe, die eine Familie gegründet hätten und einen sicheren Job bräuchten.

Alles zum Thema Kölner Lichter

Im Januar werde Weco daher wieder in die Vollbeschäftigung gehen, „um der Belegschaft eine Perspektive zu geben“. Denn im zweiten Jahr des Verkaufsverbots von Feuerwerk wachse die Ungewissheit, ob die Firma sich noch halten kann. „Ich werde häufig gefragt, wie es weitergeht.“ Es gebe immerhin positive Signale seitens der Politik, und die seien auch bitter nötig: „Wir sind arg gebeutelt aus 2020 rausgegangen, nochmal geht das nicht.“ Die Verbote werden Folgen für Weco haben, die über die Werksschließung in Sachsen hinausgehen, glaubt er. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“

Weco legte als Marktführer bislang Fokus auf Handel an Silvester

Als Iakovidis seine Ausbildung bei Weco begann, machte die pyrotechnische Firma 60 Millionen D-Mark Umsatz. Heute habe sich der Umsatz verfünffacht. Damals sei der deutsche Markt unter vier Firmen aufgeteilt gewesen. Heute ist Weco Marktführer, hat seinen Fokus immer mehr auf den Handel gelegt, der zu Silvester 95 Prozent des Jahresumsatzes bringt.

Die fetten Jahre seien jetzt, nach zwei Jahren Böllerverbot, endgültig vorbei. Das Unternehmen werde sich neu ausrichten, den Umfang der Produktion gravierend verändern müssen. „Wir werden Möglichkeiten verlieren, wir mussten ja bereits Lagerflächen aufgeben.“

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Aktuell stehe man vor der Entscheidung, die Großfeuerwerke – Weco bestreitet seit Jahren die „Kölner Lichter“ und „Rhein in Flammen“ – abzugeben; verdient habe die Firma daran kaum, „für uns war das Werbung“.

Mehr auf die deutsche Produktion werde sich Weco konzentrieren, die Beschaffungskanäle aus dem Ausland verschmälern, auch wenn es nicht ohne Zulieferer gehe. Noch blieben die Partner in China treu. Aber Iakovidis fragt sich, wie lange das so bleibt. „Auch unsere Logistikpartner verlieren die Geduld, und die können sich ihre Kundschaft aussuchen.“

Beim Verkaufsverbot 2020 sei er in eine Schockstarre gefallen, „ich habe eine Woche gebraucht, um mich davon zu erholen“, erinnert er sich. „Das war ein undenkbares Szenario.“ Und auch jetzt traf ihn die Entscheidung des Bundes, Feuerwerk aus dem Verkauf zu nehmen, um in der angespannten Corona-Lage die Krankenhäuser nicht zusätzlich zu belasten. „Ich bin davon ausgegangen, dass sich diese Situation nicht wiederholt. Das ist kein schönes Gefühl, ich nehme das auch mit nach Hause und muss doch ein Rückhalt für die Mannschaft sein.“

Klage gegen Verkaufsverbot abgewiesen

Das Verkaufsverbot von Feuerwerk an Privatpersonen ist nicht zu beanstanden. Mit dieser Eilentscheidung wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Eilanträge des Bundesverbandes Pyrotechnik zurück. Dieser teilte mit, er erwäge, das Verfahren fortzuführen und ein Urteil per Feststellungsklage zu erstreiten. (seb)

Er plane nun die Aktivitäten 2022 mit der Eventualität eines weiteren Verbots, „aber wie will man das finanzieren?“ Ein weiteres Jahr ohne Verkauf und ohne ausreichend Schadensersatz durch den Bund hätte zur Folge, dass sich die Preise verdreifachen würden. „Es wird sich jetzt zeigen, wie die Kunden zu uns stehen und wie die sich in Zukunft zum Feuerwerk positionieren.“

Den Jahreswechsel verbringt Iakovidis mit der Familie zu Hause in Windeck. Und obwohl er seit 1995 einen Pyrotechnik-Schein besitzt und noch Feuerwerk im Keller hat, fühlt er sich so gar nicht nach großem Funkenregen. „Ich zünde eine Rakete, das mache ich für meinen Sohn.“ 

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