Cold CaseFreispruch im Mordfall Claudia Otto – Verteidiger fordern höhere Entschädigung

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Alte Schwarz-Weiß-Fotos aus einer Zeitung. Vor einem Hotel steht ein Leichenwagen.

In ihrer Wohnung über der Gaststube wurde die junge Frau 1987 getötet

Der Mordfall Claudia Otto, die 1987 erdrosselt wurde, bleibt ungelöst. So begründete der Richter den Freispruch für den 67-jährigen Angeklagten.

Es war die Spur 174, die im Mordfall Claudia Otto die Wende bringen und den Täter überführen sollte, doch sie führte ins Nichts. Am Ende wurde der Tatverdächtige, ein 67-Jähriger aus Detmold, freigesprochen.

Der Mord an der 23-jährigen Gastwirtstochter, die im Mai 1987 erdrosselt worden war, habe dem Angeklagten „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ nachgewiesen werden können, begründete am Dienstag der Vorsitzende des Bonner Schwurgerichts, Klaus Reinhoff, das Urteil.

Bonner Richter begründete Entscheidung ausführlich

Es war so erwartet worden, nachdem am Montag bereits Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf Freispruch plädiert hatten. Damit bleibt dieser „Cold Case“ wahrscheinlich ungelöst. Reinhoff, sonst ein Richter der kurzen und bündigen Urteilsbegründungen, erklärte diesmal ausführlich die Entscheidung des Gerichts.

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Claudia Otto, geboren 1964 als Tochter der Eheleute Helmut und Ingeborg Otto, die in Lohmar das beliebte Gasthaus „Naafshäuschen“ betrieben, machte eine Lehre zur Köchin und Restaurantfachfrau in Dortmund mit dem Ziel, einmal das Lokal zu übernehmen. Im April 1987 bezog sie eine Wohnung im Obergeschoss des Gasthofs, die noch nicht fertig eingerichtet war, als sie am 8. Mai 1987 ihrem Mörder begegnete.

Männer in Kleidung der 80er Jahre. Ein altes Foto in Schwarz-Weiß aus einer Zeitung.

Vielen Spuren gingen die Ermittler nach.ü

Das war ein Freitag, „Naafshäuschen“ war voll besetzt, zwei Gesellschaften und zahlreiche A-la-Carte-Gäste wurden bewirtet.  Um 0.30 Uhr machte die Tochter mit einem Kellner den Kassenabschluss und ging dann zu Bett.  Am anderen Morgen fand ihre Mutter die fast unbekleidete Leiche der jungen Frau. Sie war erdrosselt worden, der Täter hatte die Tageseinnahmen geraubt.

Am Körper der Toten haftete eine blaue Acrylfaser 

Nach den damaligen Ermittlungsmethoden klebte die Mordkommission den Leichnam mit Folien ab, um Fasern zu finden, und verpackte diese Spurenträger in Cellophan. Gefunden wurde am Körper der Toten eine dunkelblaue Acrylfaser; das hieß für die Kripo: Die junge Frau hat vor ihrem Tod Kontakt mit jemandem gehabt, der eine zur Faser passende Kleidung getragen hatte.

Die Ermittler befragten über 170 Verdächtige und nahmen von ihnen mit  sogenannten Info-Folien Spuren. Die Spur Nummer 174 gehörte dem jetzigen Angeklagten, einem 1956 in Bensberg geborenen Bauarbeiter, der zur Tatzeit wiederholt im „Naafshäuschen“ zu Gast war.

Zu ihm passte auch der im Staub der Wirtschaft sichtbare Abdruck eines Turnschuhs der Größe 9,5. Doch der Verdacht gegen ihn zerschlug sich, die Schuhe wurden von der Polizei weggeworfen.

Ein Jahr später geriet der Betonbauer erneut in den Fokus der Kripo: Am 12. November 1988 hatte er im Sauerland ein Kind und dessen Großmutter im Zusammenhang mit einer geplanten Entführung ermordet. Bei der Lösegeldübergabe wurde er gefasst, gestand vor Gericht die Tat und wurde wegen Doppelmordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Er sollte 32 Jahre im Gefängnis sitzen. Die Tötung von Claudia Otto hat er immer bestritten.

2016 nahm sich eine beim Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf gegründete Sondereinheit dieses „Cold Case“ an und entdeckte dank neuer Analysemethoden im Zwischenraum der mit Cellophan verpackten Leichenfolie zwei DNA-Spuren des Doppelmörders; gleichzeitig wurden aber auch genetische Fingerabdrücke eines Unbekannten gefunden.

Bonner Landgericht hob den Haftbefehl 2017 auf

Den von der Staatsanwaltschaft Bonn erwirkten Haftbefehl gegen den Angeklagten hob die damalige 4. Strafkammer des Bonner Landgerichts unter Vorsitz des inzwischen pensionierten Richters Josef Janßen 2017 auf, weil die Folien möglicherweise unsachgemäß geöffnet worden sein könnten.

Janßen hatte Recht. Die unbekannte DNA-Spur wurde als die eines LKA-Beamten identifiziert, der 1987 die Leichenfolie und die Info-Folie des Verdächtigen begutachtet hatte, doch es kann bis heute nicht ausgeschlossen werden, dass die Spurenträger im LKA im Zuge der erneuten Ermittlungen nicht sachgemäß behandelt wurden und so die DNA des Angeklagten auf die Leichenfolie geriet.

Das wusste die Staatsanwaltschaft noch nicht, als sie ihn, gerade aus der Strafhaft wegen des Doppelmordes entlassen, am 25. April 2022 wegen Mordverdachts im Fall Otto verhaften ließ. Am 10. November 2022 begann die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht, in der sich dann herausstellte, dass bei der Spurenüberprüfung Fehler gemacht worden waren.

Die Tat konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden

Am 1. Dezember vergangenen Jahres wurde der Prozess ausgesetzt, der 67-Jährige kam auf freien Fuß, und die Kammer ordnete ein weiteres Gutachten durch die Rechtsmedizin München an. Ergebnis: Die Tat kann ihm nicht nachgewiesen werden. Als Folge der wiederholten Labortests sind die Folien vernichtet, es gibt keine Beweise für die Schuld des Detmolders.

Er wird für die siebenmonatige Untersuchungshaft vom Staat mit 75 Euro pro Tag entschädigt, macht rund 16.000 Euro. Seine Verteidiger Uwe Krechel und Yannick Börter wollen noch mehr Geld erstreiten, weil nicht sicher sei, dass die nach 25 Jahre endende Strafhaft gegen ihren Mandanten wegen des Verdachts im Fall Otto um sieben Jahre verlängert wurde.

Der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff bedauerte am Ende seiner Urteilsbegründung, dass Claudia Ottos hochbetagte Eltern noch immer nicht wüssten, wer ihre Tochter getötet habe. 

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