BundestagswahlWie haben Sie in der Flutkatastrophe geholfen?

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Berge von zerstörtem Hausrat blieben in Swisttal-Odendorf nach der Flutkatastrophe zurück.

Rhein-Sieg-Kreis – Die Fragen

Wann und wie haben Sie die Nachrichten von den schlimmen Überschwemmungen in Swisttal, Rheinbach und Meckenheim am 15. Juli erreicht?

Wo und wie haben Sie in den Tagen und Wochen nach der Katastrophe persönlich in der Fluthilfe mit angepackt oder sich anderweitig engagiert?

Viele Anwohner haben kritisiert, während und nach der Flutkatastrophe von der Verwaltung und der Politik nicht ausreichend informiert und mitgenommen worden zu sein. Finden Sie diesen Vorwurf gerechtfertigt, und wie würden Sie die Bürger im Krisenfall einbinden?

Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU

1.  Zum Zeitpunkt der Flut war ich mit Familie in Bayern und habe zunächst über die Medien von der Flutkatastrophe im Ahrtal, im Rhein-Sieg-Kreis und angrenzenden Regionen erfahren. In der folgenden Woche habe ich mich vor Ort in Swisttal informiert und stehe außerdem mit den Kolleginnen und Kollegen der betroffenen Wahlkreise in Kontakt.

2. Meine Hilfe besteht neben privaten Spenden darin, mich im Bundeswirtschaftsministerium für die Anpassung der Förderprogramme für den Einbau moderner Heizungen zu einzusetzen, so dass Förderanträge nicht an früher erhaltenen Zuschüssen oder nicht einhaltbaren Fristen scheitern. Wir kämpfen auch für Unternehmen, die gleichzeitig durch Corona und die Flut stark belastet sind. Hier brauchen wir großzügige Regelungen und möglichst wenig Verwaltungsaufwand.

3. Zu den Hilfen habe ich auch von Betroffenen im eigenen Wahlkreis die Rückmeldung erhalten, dass die erste Soforthilfe recht unbürokratisch erfolgte. Die Betroffenen sorgen sich, ob die weiteren Entschädigungen und Hilfen ausreichen werden. Ich hoffe, dass die voraussichtliche Entscheidung des Bundestages, hierfür zusammen mit den Bundesländern insgesamt 30 Milliarden bereit zu stellen, das Vertrauen der Flutopfer in substanzielle Unterstützung stärkt. Da, wo es zu wenig Koordination gab oder die Informationen gestockt haben, müssen Bund, Länder und Kommunen und Katastrophenschutzbehörden zukünftig noch besser werden und auch aus Fehlern lernen.

Alles zum Thema Technisches Hilfswerk

Sebastian Hartmann, SPD

1. Die besonders schweren Überschwemmungen waren in direkter Nachbarschaft meines Heimatortes Bornheim. Als Berichterstatter für den Zivil- und Katastrophenschutz im Deutschen Bundestag habe ich die Hinweise auf das Unwetter sehr früh ernst genommen und bereits am Nachmittag des 14. Juli gewarnt.

Noch am Mittag des gleichen Tages habe ich im Rahmen regelmäßiger, lange geplanter Gespräche sowohl das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als auch die Bundesleitung des Technischen Hilfswerks in Bonn besucht.

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Die Autobahn 61 bei Swisttal nach der Flut: unterspült, in Krater in der Fahrbahn, ein vom Wasser mitgerissenes Auto.

2. Nach Freigabe der Gebiete habe ich umgehend die betroffenen Ortschaften besucht, mit Hilfsorganisationen gesprochen und mich mit Betroffenen sowie freiwilligen Helferinnen und Helfern ausgetauscht. Mit ihnen und meinem Team habe ich Vermittlungen und Hilfsangebote organisiert, Spendenaufrufe koordiniert und schnell eine Informationsseite dazu generiert. Zudem habe ich landesweit den Kontakt zu den Hilfsorganisationen intensiviert, um vermittelnd zu unterstützen.

3. Bereits vor einem Jahr habe ich ein Positionspapier veröffentlicht, in dem ich eine Reform des Bevölkerungsschutzes vorschlug. Die Hinweise aus den Gesprächen habe ich direkt in eine Aktualisierung der Katastrophenschutzplanung eingespeist. Seit Jahren bin ich der Auffassung und habe dies regelmäßig öffentlich kommuniziert, dass wir nicht genügend Warnwege und Vorsorge haben und zu wenig in den Katastrophenschutz investieren. Zum einen brauchen wir eine umfassende Warnung der Bevölkerung. Zum anderen muss die Bevölkerung im Notfall wissen, was zu tun ist. Die konkrete Information ist deshalb genauso wichtig wie die Sensibilisierung und Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger.

Ich nehme jede Kritik ernst. Jeder Krisenstab, jeder Kreis und jede Gemeinde muss aufarbeiten, wann und wie gewarnt worden ist – am besten durch Einbeziehung der Betroffenen. Für mich ist klar: Wenn Menschen sagen, dass sie keine Warnung erhielten, muss das eindeutig geklärt und verändert werden.

Ralph Lorenz, FDP

1. Ich habe es im Rhein-Sieg-Kreis hautnah miterlebt: Ich hatte einen Unternehmer in Bergheim besucht und bin zwar rein, aber fast nicht wieder rausgekommen. Straßen standen unter Wasser, Zuwegungen waren abgesperrt. Danach bin ich nach Alfter zu meinem Parteifreund Thilo Schneider gefahren, und dort war es richtig krass. Man war quasi komplett eingekesselt, überall liegengebliebene Autos mit Motorschaden, weil sie Wasser anstatt Luft angesaugt haben, es war alles wie in einem schlechten Film.

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2. Eigentlich wollten wir das gar nicht großartig öffentlich machen . . . aber wenn Sie mich danach fragen: Wir, Freunde aus meinem Bundestagswahl-Team und ich waren gleich am nächsten Tag vor Ort und haben durch diverse Kontaktvermittlungen geholfen, Firmen mit Baggern und Kränen oder private Notunterkünfte. In Ahrweiler unterstützen wir seitdem das Camp „Die Ahrche“, eine tolle Privatinitiative von Anwohnern vor Ort. Für sie sammeln wir Geld und vor allem Sachspenden über die Plattform „Betterplace“.

3. Dieser Sachverhalt muss sicherlich für jede Gemeinde und für jeden Kreis einzeln bewertet werden. Mir ist aber zum Beispiel bekannt, dass zehn THW- Züge aus Niedersachsen einfach wieder zurück nach Hause geschickt wurden, dass vollkommen unkoordiniert Strom in den Häusern an- und abgestellt wurde, ohne vorher Sicherungen zu entnehmen oder Warnungen auszusprechen.

Die staatliche Hilfe lief teilweise sehr schleppend an. Private, vor allem die Landwirte und Forstbetriebe, waren die ersten Helfer vor Ort mit ihrem schweren Gerät. Jedenfalls hat die Krise gezeigt, dass das bürgerliche und gesellschaftliche Engagement hervorragend funktioniert. Das Defizit liegt beim Staat, der ist im Zweifel zu langsam, zu starr und zu bürokratisch. Deshalb setzen wir von der FDP auf mehr Eigenverantwortung und gesellschaftliches Wirken. Man muss die Menschen einfach machen lassen und als Staat ihnen keine Steine in den Weg legen.

Lisa Anschütz, Grüne

1. Abends zu Hause und am nächsten Morgen im Radio auf dem Weg zur Arbeit. 2. Uns in Windeck hat diese schreckliche Katastrophe nicht betroffen. Meine Schwester, die in Bad Neuenahr eine, jetzt unbewohnbare, Wohnung hat, werde ich unterstützen. Meine Spenden gingen bisher nach Lohmar und Much.

Die vielen Opfer, die unvorstellbaren Schäden sind so dramatisch, ich war wie erstarrt, vor allem auch, weil für uns das Wasser in diesem Jahr so wichtig gewesen ist. Wir konnten Winterfutter für unsere Tiere ernten, der Wald erholte sich etwas von der Trockenheit. Die letzten drei trockenen Sommer waren für die heimische Landwirtschaft und den Wald hier in Windeck auch ein schwieriges Wetterextrem. Das von vielen Menschen gar nicht wahrgenommen wurde, weil die Sonne spitze ist und immer scheinen sollte. Des einen Freud ist des anderen Leid.

3. Diese Verallgemeinerungen machen es immer schwierig, darauf zu antworten, weil die Ausnahmen so wichtig sind. Es geht um Menschen, die sich engagiert haben, und um Menschen. Die einen haben den Überblick, tun viel, andere an ähnlicher Position nicht.

Alexander Soranto Neu, Linke

1. Mich erreichten diese Nachrichten am Tag der Flutkatastrophe zunächst telefonisch durch Menschen aus den betroffenen Gebieten. Teile meines Wahlkreises waren (und sind noch immer) stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch in meiner Wohnung in Köln stand Wasser.

2. In erster Linie habe ich Spenden für die besonders schlimm betroffenen Menschen gesammelt. So kam in relativ kurzer Zeit eine Summe von insgesamt 3650 Euro zusammen. Die Fraktion Die Linke hat zudem eine Spendenaktion ins Leben gerufen, an der sich neben den Bundestagsmitgliedern der Fraktion auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt haben. Mit 100.000 Euro soll so unbürokratisch und solidarisch geholfen werden. Darüber hinaus habe ich die besonders stark betroffene Stadt Erftstadt besucht, dort mit vielen Menschen gesprochen und abends und nachts warme Getränke und Essen an die Helfer des THW und der Polizei verteilt.

3. Eine solche Katastrophe war bisher für kaum jemanden vorstellbar. Dementsprechend gab es auch Probleme und Fehler. Dass die speziell für den Katastrophenfall geschaffenen Funknetze ausgefallen sind, ist einer davon (wobei das Wort „Fehler“ hier viel zu milde ist), hier müssen Konsequenzen folgen. Dadurch war es für die Hilfskräfte entsprechend schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen. Das erschwerte selbstverständlich auch die korrekte Information der Bevölkerung bezüglich der Situation an der Steinbachtalsperre.

Die Rettungskräfte haben unter diesen extrem schwierigen Umständen unglaubliches geleistet, danke dafür. Wir müssen aus Fehlern lernen. Warnungen anlässlich solch lebensbedrohlicher Ereignisse sollten in Zukunft vorrangig per Sirenen und per SMS verbreitet werden.

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